
Titel
Störungen im
Glutathionsystem und
klinische Konsequenzen
Glutathion ist ein
bedeutsames natürliches Antioxidans. In den meisten
tierischen und pflanzlichen Zellen ist es in hoher
Konzentration enthalten (0,5 bis 1 0 mM). Der weitaus
größte Teil des intrazellulären Glutathions liegt als
reduziertes Glutathion (GSH) vor. Verringerungen des
GSH-Gehaltes sind unter anderem an der Pathogenese von
Reperfusionsschäden (Myokardinfarkt, apoplektischer
Insult et cetera), toxischen und alkoholischen
Leberschädigungen und Tumorerkrankungen beteiligt. Dabei
bleibt teilweise die Einordnung des GSH-Abfalls in die
Kausalkette der pathologischen Veränderungen unklar.
GSH-Abfall kann Konsequenz oxidativer Veränderungen
sein, kann diese aber auch bedingen oder zumindest
beschleunigen. Wegen ihrer pathogenetischen Relevanz sind
Glutathionmangelzustände und andererseits Maßnahmen zur
direkten oder indirekten Stabilisierung des
Glutathionsystems klinisch interessant. Patienten mit
angeborenem Mangel der Glutathionreduktase (GR) zeigen
Symptome einer verstärkten Hämolyse und einer
Kataraktentwicklung. Patienten mit erythrozytärem
Glutathionperoxidase (GPx)-Mangel und mit verminderter
Aktivität der Enzyme der Glutathionsynthese haben
ebenfalls erhöhte Hämolyseraten. Schwere Defekte dieser
Enzyme betreffen auch das zentrale Nervensystem. Die
Befunde über die Kataraktentwicklung bei GR-Mangel
unterstreichen die Rolle des Glutathions für die
Funktionserhaltung der Augenlinse.
Bei Glutathionmangel kommt es zu erhöhter Sensitivität
gegenüber ionisierenden Strahlen und radikalbildenden
chemischen Noxen. Andererseits weisen Zellen mit
erhöhten Aktivitäten der GSH-synthetisierenden Enzyme
eine hohe Resistenz gegenüber ionisierender Strahlung
auf.
Experimentell kann die Glutathionsynthese durch
Buthioninsulfoximin (BSO) gehemmt werden. Eine Depletion
zellulärer Thiole wird auch durch SH-reaktive Agentien
wie Diamid, N-Ethylmaleimid (NEM) und Diethylmaleat
erzielt. Es wurden die Veränderungen des
Glutathionstatus durch die hepatotoxischen Substanzen
Brombenzen und Acetaminophen untersucht. Hohe zelluläre
GSH-Spiegel schützen vor oxidativem Streß. Daher wurde
nach geeigneten Wegen zur Verbesserung des GSH-Status
gesucht. Die Erhöhung des Angebotes an GSH selbst
scheint für dieses Vorhaben nur bedingt geeignet, vor
allem weil extrazelluläres GSH nicht direkt in die
Zellen permeieren kann. Die GSH-Gabe führte in der Tat
lediglich zu geringfügigen GSH-Konzentrationserhöhungen
in den Geweben von Versuchstieren.
Es ist unklar, ob intaktes GSH beim Menschen absorbiert
wird. In einigen Studien wurden günstige Effekte eines
GSH-Zusatzes gefunden. Ein Beispiel ist die Anwendung bei
der Konservierung von Organen für die Transplantation.
So wurde GSH (oder GSSG) mehreren Konservierungslösungen
zugesetzt, unter anderem für die Nierenkonservierung und
der Wisconsin-Lösung für die Leberkonservierung. Hier
spielen möglicherweise auch extrazelluläre Effekte des
GSH eine Rolle. Alkohlbedingte Veränderungen der Leber
wie die Leberzellverfettung (Fettleber) und die
Hypertriglyceridämie können durch orale Zufuhr von GSH
abgeschwächt werden. Insgesamt scheint der Zusatz von
GSH aber zelluläre GSH-Spiegel nicht oder nur wenig zu
erhöhen. Aufgrund der geringen Effizienz wurde nach
anderen therapeutisch sinnvollen Substanzen gesucht.
Glutathionester (Ethyl, Methyl, Isopropyl) sind durch
Veresterung der Carboxylgruppe des Glycylrestes
lipophiler als Glutathion und können daher Membranen
besser permeieren. Studien an Zellkulturen zeigen, daß
der Ethylester relativ leicht von der Zelle aufgenommen
und hydrolysiert wird, wodurch der zelluläre GSH-Spiegel
auf supranormale Werte ansteigen kann. Cystein kann zu
einer GSH-Zunahme beitragen, wenn ein Mangel an dieser
Aminosäure besteht. Unter physiologischen Bedingungen
bewirkt die Cysteingabe aber keine GSH-Erhöhung.
Mit L-2-Oxothiazolidin-4-carboxylat (OTC), einem Substrat
der 5-Oxoprolinase, konnte ein Anstieg der Cystein- und
der GSH-Konzentration in verschiedenen Zelltypen erreicht
werden. Vorläufige Untersuchungen mit OTC am Menschen
zeigen bei 0,15 mmol/kg einen signifikanten Anstieg von
Cystein und GSH in Lymphozyten. Intravenöse Zufuhr von
N-Acetylcystein (NAC) und Methionin führte zu einem
normalen Leber-GSH-Gehalt bei Ratten mit GSH-Defizit.
Parenterales NAC wird seit Jahren mit Erfolg zur Senkung
der Hepatotoxizität bei Überdosierung von Paracetamol
eingesetzt.
S-Adenosyl-L-methionin (SAME) erhöhtng ebenfallse den
zellulären GSH-Spiegel. Einen sparenden Effekt von GSH
hat auch Ascorbinsäure. Änderungen des Glutathionstatus
sind an Adaptationsprozessen gegenüber oxidativem Streß
beteiligt. Schon seit längerem ist bekannt, daß die bei
übermäßiger körperlicher Belastung auftretenden
Muskelschäden mit einer verstärkten Lipidperoxidation
einhergehen. Hohe Ausdauerleistungen können auch beim
Menschen zu Muskelschädigungen führen. Wiederholte
dosierte physische Trainingsbelastungen führen zu
verringerter Lipidperoxidation bei akuten Belastungen
sowie zu Veränderungen der Aktivitäten antioxidativer
Enzyme in der Muskulatur und anderen Organen.
Glutathion ist in entscheidendem Maße am Metabolismus
und der Entgiftung aldehydischer
Lipidperoxidationsprodukte beteiligt. Die
4-Hydroxyalkenale, deren bedeutendster Vertreter das
4-Hydroxynonenal (HNE) ist, sind bereits in niedrigen
Konzentrationen zytotoxisch, genotoxisch und mutagen. In
allen Zelltypen, die die Autoren hinsichtlich des
Metabolismus von HNE untersucht haben, wurde ein
beträchtlicher Teil dieser Verbindung über die Bildung
des HNE-Glutathion-Konjugates verstoffwechselt..
PZ-Titelbeitrag von Werner G. Siems, Bad Harzburg,
Klaus Krämer, Offenbach, Tilman Grune, Berlin
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de