
Titel

Neuere Entwicklungen bei topisch
anzuwendenden Arzneimitteln
Von den jährlich etwa 20 bis 25 neuen Fertigarzneimitteln mit neuen Arzneistoffen werden etwa ein bis zwei im dermalen Bereich eingesetzt. Meist greifen die Hersteller dabei auf bewährte Rezepturgrundlagen und Hilfsstoffe zurück. Neue Hilfsstoffe und Darreichungsformen können jedoch auch neue Indikationsfelder erschließen und eine gezielte Applikation von Wirkstoffen ermöglichen.
Die topische Anwendung verfolgt unterschiedliche Ziele: Oberflächeneffekte, zum Beispiel Desinfektion oder UV-Schutz durch Reflexion; lokale Wirkung in der Haut und angrenzenden Bereichen; systemische Effekte. In der Druckausgabe der Pharmazeutischen Zeitung stellt die Autorin, Professor Dr. Christel Müller-Goymann, neben den Grundlagen neuer Darreichungsformen auch zahlreiche Fertigarzneimittel vor. Die Handelsnamen wollen wir in der Online-Ausgabe aus rechtlichen Gründen jedoch nicht nennen.
Transdermale Therapeutische Systeme (TTS)
Eine moderne Arzneiform zur Erzielung systemischer Effekte ist das Transdermale Therapeutische System, kurz TTS. Ziel ist eine kontinuierliche Arzneistofffreigabe über einen längeren Zeitraum. Eine gepulste Freigabe, wie sie zum Beispiel für Glyceroltrinitrat wünschenswert wäre, ist derzeit nicht möglich. Voraussetzung für dieses System ist ein hochwirksamer Arzneistoff, der mit ausreichender Permeabilität in die Hornhaut eindringt. Als Faustregel gilt, daß lipophile Stoffe gut, hydrophile und stark hydrophile Stoffe schlecht bis gar nicht durch die Haut diffundieren, weil das Stratum corneum als Barriere vorwiegend lipophile Eigenschaften hat. Beispiele für Arzneistoffe im TTS sind Scopolamin, Estradiol und Norethisteron, Nikotin und Fentanyl.
Die Freigabe des Wirkstoffs wird durch Membran- oder Matrixkontrolle gesteuert. Bei der Membrankontrolle geben Porengröße und -anzahl der Membran vor, wieviele Moleküle pro Zeiteinheit durch die Membran diffundieren, an die Hautoberfläche gelangen und weiter permeieren können. Bei der Matrixkontrolle steuern Anzahl und Größe der Poren innerhalb der Matrix die Freigabe. Neu sind TTS, die nur noch aus einer transparenten Abdeckfolie und einer als Matrix konzipierten, gleichzeitig adhäsiven und mit Arzneistoff imprägnierten Schicht bestehen. Diese Pflaster sind transparent, dünn und unauffällig.
Topika zur Behandlung von an die Haut angrenzenden Bereichen
Fertigarzneimittelgele sind in der Regel Hydrogele, wobei ein hydrophiles Polymer, zum Beispiel Polyacrylsäure oder Celluloseether, ein hochdisperses Gerüst aufbaut, in das Wasser eingelagert ist. Nichtsteroidale Antiphlogistika wie Diclofenac werden häufig als Hydrogele konzipiert. Eine dreiphasige Zubereitung entsteht, wenn die kontinuierliche Hydrogelphase eine disperse ölige Phase umschließt, die ihrerseits durch eine mehrschichtige flüssigkristalline Grenzfläche stabilisiert ist. Die Grenzfläche bildet ein Depot, aus dem der Wirkstoff Diclofenac-Diethylamin in die hydrophile Phase umverteilt wird.
Auch Tenside werden zur Gelbildung eingesetzt. Ausreichend polare Tenside wie ethoxylierte Fettalkohole bilden hydratisierte Mizellen, die dicht gepackt eine regelmäßige Struktur aufbauen; diese flüssigkristallinen Tensidgele heißen auch Brummgele. Der hohe Tensidgehalt beeinflußt die Struktur der Hautlipide und erhöht die Permeabilität durch das Stratum corneum, wie mit Ibuprofen-haltigen Zubereitungen gezeigt werden kann. Untersuchungen mit fluoreszenzmarkierten Diclofenac-Diethylamin-Zubereitungen zeigen, daß der Wirkstoff aus der mischmizellaren Lösung bis in die tiefe Dermisschichten vordringt, während er aus einer liposomalen Dispersion nur ins Stratum corneum eindringt.
Topika zur Behandlung von Hautkrankheiten
Zur Behandlung von Hautinfektionen werden neben Desinfizientien auch Antibiotika, Antimykotika, Virustatika und Chemotherapeutika eingesetzt. Beispiel für eine ungewöhnliche Gelvariante ist ein Oleogel mit Metronidazol zur Behandlung von Parodontiden. Das Oleogel wird in die entzündete Zahnfleischtasche eingebracht, schmilzt und spreitet gleichmäßig über die Schleimhautoberfläche. Dank des Emulgators nimmt die Schmelze Wasser auf und transformiert in eine inverse Hexagonalphase. Aus dieser hochviskösen flüssigkristallinen Struktur wird der Arzneistoff langsam freigesetzt.
Relativ neu sind Mikroemulsionen, zum Beispiel zur Therapie des atopischen Ekzems. Eine Mikroemulsion ist dünn und transparent, obwohl sie zu gleichen Teilen Wasser und Öl enthält. Tenside und Cotenside sorgen für die Mikrostruktur; die Systeme sind einphasig und thermodynamisch stabil. Sie haben ein hohes Solubilisierungsvermögen und fördern die Permeation von Arzneistoffen durch die Haut.
Hinweise zur Rezeptur von Dermatika
Jede Rezeptur erfordert gründliches Know-how. So sollte ein Fertigarzneimittel möglichst nur mit der wirkstofffreien Basisgrundlage verarbeitet werden, da andernfalls larvierte oder manifeste Inkompatibilitäten auftreten können. Die Verarbeitung der wasserhaltigen hydrophilen Salbe DAB 1996 mit Corticosteroiden, zum Beispiel Betamethason-17-valerat, birgt häufig Probleme. Ein Zusatz von Ethanol beschleunigt die Bildung eines schlechtlöslichen Arzneistoffhydrats, so daß bereits nach kurzer Lagerzeit Kristalle entstehen. Ohne Ethanol ist die Hydratbildung vermeidbar, nicht unbedingt jedoch ein Wachstum von Kristallnadeln des Betamethason-17-valerats.
PZ-Titelbeitrag von Christel C. Müller-Goymann © 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de