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Einfluss der Galenik auf die Therapie von Hauterkrankungen

26.05.2003  00:00 Uhr

Pharmazeutische Technologie

Einfluss der Galenik auf die Therapie von Hauterkrankungen

von Werner Weitschies, Christiane Schiller und Ulrike Adam, Greifswald

Bei der Lokaltherapie von Hautkrankheiten kommt der Grundlage des verwendeten Dermatikums eine besondere Bedeutung für den Therapieerfolg zu. Neben seiner unter Umständen erheblichen Eigenwirkung auf die Haut bestimmt das Vehikel wesentlich die Akzeptanz der Zubereitung durch den Anwender, die Freisetzung von Wirkstoffen, die Penetration und Permeation durch die Haut und gegebenenfalls die Resorption.

In der Regel werden Wirkstoffe zur lokalen Therapie von Hauterkrankungen nicht direkt angewendet, sondern als flüssige, halbfeste oder feste pharmazeutische Zubereitungen in Form von Lösungen, Emulsionen, Suspensionen, Pasten, Salben, Gelen, Schäumen oder Pulvern auf die erkrankte Haut aufgebracht. Das Vehikel bestimmt die anwendungsbezogenen Eigenschaften der Zubereitung, das subjektive Empfinden sowie die Wechselwirkungen mit der Haut, die je nach Areal und insbesondere der vorliegenden Erkrankung unterschiedlich reagiert. Darüber hinaus wird die pharmazeutische Verfügbarkeit eines Arzneistoffs wesentlich durch Wechselwirkungen zwischen Vehikel und Wirkstoff bestimmt.

Die Bandbreite der möglichen Auswirkungen des Vehikels auf den therapeutischen Erfolg ist außerordentlich groß und wird in der dermatologischen Therapie daher aufmerksam beobachtet. In der klinischen Praxis wird zudem häufig die Wirkung der pharmazeutischen Zubereitung durch weitere Maßnahmen, beispielsweise okkludierende Verbände, beeinflusst.

In Schichten aufgebaut

Die Haut bietet als äußere Oberfläche des Körpers einen sehr effektiven Schutz gegenüber mechanischen, physikalischen, chemischen und mikrobiellen Einwirkungen. Als Sinnesorgan ist sie mit Schmerz-, Berührungs-, Druck-, Vibrations- und Temperatursensoren ausgestattet. Da sie zelluläre Komponenten der Immunabwehr wie Antigen präsentierende Langerhans-Zellen, B- und T-Lymphozyten sowie Mastzellen enthält, ist sie auch ein immunkompetentes Körperorgan. Zudem ist die Haut durch die Regulation der Wasserverdunstung, die Fähigkeit zur Schweißsekretion und die gesteuerte Durchblutung, die unter extremer Belastung um den Faktor 15 bis 20 gegenüber dem Normalwert ansteigen kann (1), maßgeblich an der Wärmeregulation des Körpers beteiligt.

Die Oberhaut (Epidermis) besitzt keine Blutgefäße und wird aus den Keratinozyten gebildet, die den Hornstoff (Keratin) produzieren. Die Keratinozyten der Oberhaut sind in fünf Lagen übereinander geschichtet (von innen nach außen):

  • Basalschicht (Stratum basale),
  • Stachelzellschicht (Stratum spinosum),
  • Körnerschicht (Stratum granulosum),
  • Glanzschicht (Stratum lucidum) und
  • Hornschicht (Stratum corneum).

In der Basal- und der Stachelzellschicht werden die Keratinozyten gebildet, die an die drei darüber liegenden Schichten abgegeben werden. In beiden Schichten befinden sich zusätzlich noch Melanozyten und Langerhans-Zellen. Eine Vorstufe des Keratins, das Keratohyalin, wird in der Körnerschicht synthetisiert. Zusammen mit lipoiden Substanzen, vor allem Ceramiden, werden die nun keratinisierten Zellen weiter in Richtung Hornschicht geschoben, wo sie fortlaufend abgestoßen werden. Die Oberhaut erneuert sich damit durchschnittlich alle 27 Tage.

Auf der Hornschicht befindet sich zusätzlich ein sehr dünner Hydrolipidfilm, der mit seinem sauren pH-Wert (pH 5 bis 5,5) und den enthaltenen ungesättigten Fettsäuren den Bakterienstoffwechsel hemmt und somit bakteriostatisch wirkt. Mit Ausnahme der Leistenhaut an den Fußsohlen und Handinnenflächen ist das Stratum corneum mit einer Dicke von 10 bis 20 µm extrem dünn (2). Dennoch stellt die Hornschicht die wesentliche Barriere für die Wasserverdunstung sowie einen effektiven Speicher für Fremdstoffe dar, die von ihr nur langsam wieder abgegeben werden. Bei der topischen Therapie bildet sie die primäre Barriere für den Übertritt von Wirkstoffen in die Haut.

Die extreme Barriereeffektivität des Stratum corneum entsteht durch den schichtweisen Aufbau, der einer Mauer ähnelt. Hydrophile keratinreiche abgestorbene Zellen fungieren als Mauersteine, dazwischen liegen dicht gepackte, sehr lipophile Schichten, die vorwiegend aus Ceramiden gebildet werden. Die Hornschicht hat eine erstaunliche Aufnahmefähigkeit für Wasser. In vitro kann sie innerhalb kurzer Zeit bis zu 500 Prozent ihres Trockengewichts an Wasser aufnehmen und dabei auf das Vier- bis Fünffache ihrer ursprünglichen Dicke aufquellen (3). Über den Ort dieser extremen Wasseraufnahme gibt es unterschiedliche Befunde. Es werden sowohl die Bildung von Wassernestern in der Lipidmatrix mit einem Aufbrechen der Lipidstruktur (4) als auch das Aufquellen der Keratinozyten diskutiert (5).

Die Basalschicht trennt Oberhaut und Lederhaut voneinander. Sie stellt aber nicht nur eine Barriere, sondern gleichzeitig durch die Anwesenheit von Zytoplasmafortsätzen eine Verbindung zwischen beiden Hautschichten dar. Die Lederhaut, auch Dermis genannt, grenzt an die Unterseite der Oberhaut und dient hauptsächlich der Versorgung der gefäßfreien Epidermis. Sie setzt sich zusammen aus dem Stratum papillare (Zapfenschicht), das in Form von Papillen hoch in die Epidermis hinaufragt, und dem Stratum reticulare (Netzschicht), das unmittelbar an das Stratum papillare angrenzt. Im oberen Bereich der Lederhaut befinden sich Zellen, Nerven und Gefäße, eingebettet in eine gelartige Grundsubstanz. Im Anschluss daran liegen jedoch deutliche kollagene und retikuläre Fasern vor. Das Stratum papillare ist im Gegensatz zum Stratum reticulare reich an feinen Fibrillen und Zellen. Letzteres hingegen enthält nur wenige Zellen und besteht aus miteinander verflochtenen, kräftigen Kollagenfaserbündeln, die wiederum von netzartig verflochtenen, elastischen Fasern durchwirkt sind. Außerdem sind hier viele Plasmazellen und Mastzellen anzutreffen.

Die Papillen der Zapfenschicht werden von feinen Blutgefäßen durchzogen, die der Nährstoffversorgung der Epidermis dienen. Dieses oberflächliche Blutgefäßsystem ist mit einem tiefen Gefäßnetz verbunden, das an der Grenze zur Unterhaut (Subcutis) liegt. In der Zapfenschicht sind auch Lymphgefäße vorhanden, die in ein tief gelegenes Lymphkapillarnetz münden.

Die Muskeln des Hautbindegewebes können zwei verschiedenen Systemen zugeordnet werden. So findet man quergestreifte Muskulatur ausschließlich im Gesicht und am Hals, wodurch dem Menschen das Mienenspiel ermöglicht wird. Glatte Muskeln dagegen liegen in allen Hautbereichen vor. Sie lassen sich dem Haar-Talgdrüsen-Apparat zuordnen und führen unter anderem zum Erscheinungsbild der "Gänsehaut".

Die Lederhaut kann deutliche Mengen an Wasser aufnehmen. Sie geht ohne eindeutige Begrenzung in die Unterhaut (Subcutis) über. Diese besteht aus lockerem Bindegewebe mit eingelagerten Fettzellen. Neben Haarfollikeln und Schweißdrüsen, die in die Unterhaut hineinreichen, werden besonders an Stellen, an denen die Haut oft mit harten Unterlagen in Berührung kommt, Schleimbeutel ausgebildet. Die Unterhaut wird zusätzlich von Teilen der festen Fasern der Lederhaut durchzogen. Diese verbinden die Haut mit der darunter liegenden Körperfaszie. Je nachdem, wie stark diese Verbindung ausgeprägt ist, lässt sich die Haut auf ihrer Unterlage mehr (Handrücken) oder weniger (Fußsohlen) verschieben.

In Abhängigkeit von nutritiven, hormonellen und nervalen Faktoren ist die Subcutis unterschiedlich stark ausgeprägt. Sie dient vorrangig dem Kälteschutz, der Speicherung von Nährstoffen und Wasser und dem Schutz vor übermäßiger mechanischer Beanspruchung.

Im Alter verändern sich die einzelnen Hautschichten deutlich. Die Fettschichten, die kollagenen und elastischen Fasern nehmen ab, die Haut wird dünner. Durch das schwindende Wasserbindevermögen der Lederhaut, die Verringerung des Hautbindegewebes und den Mangel an elastischen Fasern entstehen irreversible Falten. Die Altershaut erscheint trocken und fettarm. Die Durchblutung und somit die Versorgung der Haut mit Nährstoffen verschlechtern sich, was den Heilungsprozess von Wunden erheblich verzögern kann.

Hauttyp und Vehikel

In der Dermatologie hängt die Effektivität der Behandlung nicht nur von der Fähigkeit ab, das erkrankte Hautareal über einen bestimmten Zeitraum mit einer ausreichenden Menge an Wirkstoff zu versorgen, sondern ebenso von der Wahl des richtigen Vehikels. Dessen Eigenwirkung auf die Haut beeinflusst eine Heilung oder Linderung häufig erheblich. Daher sollten bei der Auswahl der Grundlage sowohl der Hauttyp als auch der Grad der Erkrankung berücksichtigt werden.

 

Tabelle 1: Hautbeschaffenheit in Abhängigkeit vom Hauttyp (nach 19, 20)

Hautzustand Charakteristika Normalhaut Glatt, kleinporig, gleichmäßig in Transparenz und Reflektion, gut durchblutet, ohne Fettglanz, wenig empfindlich Mischhaut Fett-feuchte Hautstellen, häufig an Stirn und Nase, wechseln mit trocken-fettarmen Partien, häufig an den Wangen; Charakteristika wenig ausgeprägt Fett-feucht (Seborrhoe) Grobporig, Mitesser (Komedonen), starker Fettglanz, Ölfilm, Hauttalg von fester, wachsartiger Konsistenz, widerstandsfähig Trocken-fettarm (Sebostase) Schuppig, rau, trocken, Neigung zu Hautrissen, einzelne entzündete Areale, Neigung zur „vorzeitigen“ Alterung, hoch empfindlich

 

Für die Abstimmung von Vehikel und vorliegendem Hauttyp (Tabelle 1) gelten einige Faustregeln. So wird bei einem fett-feuchten Hautzustand (Seborrhoe) die Verwendung einer fettfreien oder fettarmen Grundlage empfohlen. Hierzu zählen zum Beispiel Lösungen und hydrophile Gele. Liegt ein trocken-fettarmer Hautzustand (Sebostase) vor, sollten fettende Grundlagen wie hydrophobe Salben oder W/O-Emulsionen verwendet werden. Bei Mischhaut ist eine fettarme Grundlage, zum Beispiel eine O/W-Emulsion, günstig. Da Altershaut in ihren Charakteristika dem trocken-fettarmen Zustand entspricht, sollten auch hier fettende Grundlagen bevorzugt werden.

Akut oder chronisch krank?

Die Auswirkungen gebräuchlicher Vehikel auf die erkrankte Haut sowie ihr Einsatz in Abhängigkeit von der Akuität der Erkrankung sind in der Tabelle 2 (aus technischen Gründen nur in der Druckausgabe) zusammengefasst. Auf erkrankter Haut nimmt die Eigenwirkung der Grundlage mit steigender Akuität zu, während die Bedeutung des Arzneistoffs abnimmt (6). Im akuten Stadium stehen kühlende, trocknende und entzündungshemmende Eigenschaften des Vehikels im Vordergrund. Als Grundlagen sollten bevorzugt Lösungen oder hydrophile Gele ausgewählt werden.

Im chronischen Stadium gewinnt der Einsatz von Wirkstoffen zunehmend an Bedeutung. Daher werden in erster Linie Grundlagen eingesetzt, die die Penetration des Wirkstoffs im erkrankten Hautareal begünstigen. Dies kann oft durch okkludierende Bedingungen erreicht werden, wie sie hydrophobe Salben oder lipophile Gele zumindest teilweise herstellen können.

Vehikel und Wirkstoff

Wie die Zusammensetzung des Vehikels und die Technologie der Zubereitung die Freigabe von Wirkstoffen (Liberation) aus Dermatika beeinflussen, ist intensiv untersucht. Für das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Liberation sind der Verteilungskoeffizient, die Löslichkeit des Wirkstoffs in der Grundlage und die Wirkstoffkonzentration insbesondere bei Lösungssalben entscheidend. Als Faustregel kann angenommen werden, dass polare Wirkstoffe in der Regel besser aus unpolaren Grundlagen und unpolare Wirkstoffe besser aus polaren Grundlagen liberiert werden. Ebenso gilt in der Regel, dass die Liberation aus gesättigten oder noch besser übersättigten Lösungen am schnellsten erfolgt.

Wenn der Wirkstoff in suspendierter Form vorliegt, kann dies von Vorteil sein: Da die Sättigungskonzentration auch bei Entzug des Wirkstoffs, zum Beispiel durch Penetration in tiefere Hautschichten, über lange Zeiträume aufrecht erhalten werden kann, bestehen damit gute Voraussetzungen für eine effektive und kontinuierliche Freigabe. Allerdings sollte die Partikelgröße der suspendierten Wirkstoffe eine ausreichend schnelle Lösungsgeschwindigkeit sicher stellen. Es wird deshalb empfohlen, für Suspensionssysteme Wirkstoffe mit einer Partikelgröße unter 50 µm einzusetzen (7).

Penetration verbessern

In der dermatologischen Therapie wird üblicherweise empfohlen, die wirkstoffhaltigen Externa dünn aufzutragen, so dass Schichtdicken von wenigen Mikrometern (5 bis 10 µm) resultieren. Das in der Praxis geübte Vorgehen, die Zubereitung "messerrückendick" aufzutragen, ist in den meisten Fällen nicht wissenschaftlich begründet (8).

Der aus dem Vehikel liberierte Arzneistoff trifft zunächst auf das Stratum corneum. Um in tiefere Zonen der Haut zu gelangen und diese zu durchdringen (Permeation), muss er zuerst in die Hornschicht eindringen (Penetration). Als treibende Kraft wirkt dabei die Diffusion. Daher werden Geschwindigkeit und Ausmaß der Penetration von Arzneistoffen wesentlich durch Parameter bestimmt, die die Diffusion beeinflussen. Dazu gehören die Konzentration des Arzneistoffs auf der Hornschicht, die Dicke der Hornschicht, ihr Diffusionswiderstand (Viskosität) sowie die Größe der Arzneistoffmoleküle.

Arzneistoffe penetrieren hauptsächlich auf transzellulärem und interzellulärem Weg in die Hornschicht. Dabei müssen sie verschiedene Mikrostrukturen überwinden: die hydrophilen, dicht gepackten Keratinschichten der Hornhautzellen und die sehr lipophilen Ceramidschichten der Interzellularräume. Eine Penetration durch Haarfollikel (transfollikulär) oder Drüsengänge (transglandulär) wird auf Grund des Anteils dieser Poren von etwa 1 Prozent an der gesamten Hautfläche als gering angesehen und kann daher nur für Wirkstoffe mit höherem Molekulargewicht wie Nystatin oder Neomycin diskutiert werden (9).

Vehikeleffekte können die Penetration erheblich beeinflussen. So erleichtert eine Erhöhung der Hydratation der Hornschicht die Diffusion vieler Wirkstoffe. Dies gilt insbesondere für wenig polare Arzneistoffe (10). So konnte beispielsweise für Clobetasol-17-propionat und Minoxidil unter okkludierenden Bedingungen eine gesteigerte therapeutische Effektivität beobachtet werden (11, 12).

Vehikel mit einem höheren Anteil an apolaren Verbindungen wie Lipiden und insbesondere Kohlenwasserstoffen behindern die Wasserverdunstung der Haut und erniedrigen damit den transepidermalen Wasserverlust. Sie wirken somit hydratisierend auf die Hornschicht. Dies kann bei Vehikeln mit einem hohen Gehalt an Kohlenwasserstoffen soweit gehen, dass nahezu Verhältnisse wie unter Okklusionsverbänden, also dampfundurchlässigen Folien, erreicht werden. Fettkomponenten enthaltende Vehikel können zusätzlich mit Lipidbestandteilen der Haut interagieren, was zu einer erhöhten Fluidität der Hautlipide und damit ebenfalls zu einer verbesserten Penetration führen kann. Umgekehrt können Vehikel mit einem hohen Gehalt an Tensiden Wasser entziehend auf die Haut wirken; entsprechend kann die Penetration durch derartige Zubereitungen behindert werden.

Die oft beobachtete Penetrationsverbesserung unter okkludierenden Bedingungen ist nicht immer ohne unerwünschte Wirkungen zu erreichen. Eine Okklusion kann das Wachstum von Mikroorganismen, bis hin zur Induktion von Wundinfektionen, fördern (13). Außerdem wurde gezeigt, dass unter Okklusion viele Hautreaktionen wie Veränderungen der Zusammensetzung der epidermalen Lipide, der DNA-Synthese in der Haut, des pH-Wertes der Haut, der epidermalen Erneuerungsrate und Stress auf die Langerhans-Zellen auftreten können (14).

Die in die lebenden Schichten der Haut gelangten Wirkstoffe erreichen dort die Blutgefäße und somit die Blutzirkulation (Resorption). Über die Beteiligung der Lymphgefäße bei der Resorption von Arzneistoffen aus der Haut ist bisher sehr wenig bekannt. Es ist jedoch zu vermuten, dass die Lymphe bei der Resorption von Wirkstoffen nach kutaner Gabe eine gewisse Rolle spielt. Im Tierversuch war die lymphatische Aufnahme zumindest bei der Resorption von subkutan injiziertem Insulin von erheblicher Bedeutung (15).

Enhancer und neue Technologien

Die Penetration lässt sich durch den Einsatz von Penetrationsförderern (Enhancern) steigern. So wirken Substanzen, die die polaren Komponenten der Hautlipide solvatisieren, zum Beispiel Wasser, Dimethylsulfoxid (DMSO) und Ethanol, durch die resultierende Erhöhung des Volumens der Lipidschichten der Haut sowohl für hydrophile als auch lipophile Wirkstoffe penetrationsfördernd. Stoffe, die mit den unpolaren Komponenten der Hautlipide interagieren, können die Mikrofluidität der Membranen beeinflussen und damit ebenfalls die Penetration verbessern. Dazu zählen Isopropylmyristat, Isopropylpalmitat und Ölsäure. Höhere Alkohole wie Propylenglykol, Glycerol und Sorbitol können sich direkt in die Wasserschichten zwischen den Lipiddoppelmembranen einlagern und verbessern hier die Löslichkeit vieler Wirkstoffe, was häufig ebenfalls die Penetration erhöht.

 

Gebräuchliche Penetrationsförderer (nach 21)
  • Dimethylsulfoxid (DMSO)
  • Ethanol
  • Glycerol
  • Isopropanol
  • Isopropylmyristat, -palmitat, -laurylsulfat
  • Ölsäure
  • Propylenglykol
  • Sorbitol

 

Auch eine Übersättigung der Wirkstofflösung im Vehikel fördert die Aufnahme in die Hornhaut. Eine derartige Übersättigung kann beispielsweise durch die Verwendung flüchtiger Lösungsmittelkomponenten, zum Beispiel Ethanol und Isopropanol, erreicht werden.

Die Anwendung von Mikroemulsionen kann ebenfalls positive Effekte auf die Penetration zeigen. Darüber hinaus sind Mikroemulsionen auf Grund ihrer Zusammensetzung aus hydrophilen und lipophilen Komponenten nahezu universelle Lösungsmittel für Wirkstoffe. Nachteilig kann der hohe Anteil an oberflächenaktiven Substanzen sein, der unter Umständen zu Irritationen der Haut führt (16). Derzeit versucht man, das Problem durch Verwendung hochmolekularer Tenside, die nicht in die Haut eindringen können, zu umgehen.

Eine interessante Möglichkeit, Wirkstoffe gezielt in obere Schichten der Haut einzuschleusen und hier eventuell sogar über längere Zeiträume zu halten, scheint deren Einkapselung in partikuläre Träger zu eröffnen. Heute stehen Systeme wie Liposomen, Solid Lipid Nanospheres (SLN), Niosomen (Non Ionic Surfactant Vesicles) oder Transfersomen zur Verfügung. Während man zunächst annahm, dass Liposomen in die Haut penetrieren können, erscheint dies inzwischen wenig wahrscheinlich (17). Vielmehr wird zumeist vermutet, dass insbesondere durch die Verwendung von fluiden Lipidkomponenten bei der Herstellung der vesikulären Träger die Penetration von Wirkstoffen in obere Hautschichten gefördert wird und sich dort durch Interaktion mit körpereigenen Lipiden entweder wiederum Vesikel bilden oder Kanäle entstehen. Zudem können die Lipidkomponenten der Vesikel durch Filmbildung auf der Haut vermutlich auch okkludierend wirken (17).

Aut-idem bei Dermatika?

Die Aut-idem-Regelung des Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetzes (AABG) von 2002 (18) sieht vor, dass die Apotheker ein preisgünstiges wirkstoffgleiches Arzneimittel statt des verordneten Arzneimittels abzugeben haben, das "mit dem verordneten in Wirkstärke und Packungsgröße identisch sowie für den gleichen Indikationsbereich zugelassen ist und ferner die gleiche oder eine austauschbare Darreichungsform besitzt", sofern der Arzt nicht bereits ein Arzneimittel des unteren Preisdrittels verschrieben hat.

Auf Grund der Komplexität der Wechselwirkungen zwischen Vehikel, eingesetzten Wirkstoffen und erkrankter Haut erscheint der Gedanke absurd, eine Substitution auf der Basis des Preises ohne therapeutische Konsequenzen vornehmen zu können. Folgerichtig lehnen viele beteiligte Institutionen die vom Gesetzgeber gewünschte Anwendung der Aut-idem-Regelung auf Dermatika ab.

Aus Sicht der Verfasser ist zudem kritisch anzumerken, dass die im Europäischen Arzneibuch vorgenommene Einteilung von Dermatika nach physiko-chemischen Gesichtspunkten, die sehr gut geeignet ist, die Wirkung des Vehikels auf die Haut zumindest grob einzuschätzen, von den pharmazeutischen Unternehmen leider sehr häufig nicht übernommen wird. Derzeit herrscht vielmehr bei den Produktbezeichnungen eine nahezu babylonische Begriffsvielfalt. Allein schon deshalb ist aus praktischen Erwägungen eine Umsetzung der Aut-idem-Regelung bei Dermatika nicht realisierbar, da es sich beispielsweise bei einer so bezeichneten Salbe ohne weiteres im Sinne des Europäischen Arzneibuchs um eine hydrophile Creme oder sogar um ein hydrophiles Gel handeln kann. Im Interesse des Patienten besteht hier ohne Zweifel dringender Handlungsbedarf.

 

Literatur

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  2. El Gammal, S., Altmeyer, P., Ohne Schnitt unter die Haut. MedRubin (2001) 16 - 20.
  3. Klingman, A. M., Hydration injury to human skin: A view from the horny layer. In: Kanerva, L., et al. (Hrsg.), Handbook of occupational dermatology. Springer Berlin 2000, S. 76 – 80.
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  5. Bouwstra, J. A., et al., Water distribution and related morphology in human stratum corneum at different hydration levels. J. Invest. Dermatol. 120 (2003) 750 - 758.
  6. Nasemann, T., Sauerbrey, W, Hautkrankheiten und venerische Infektionen. Springer Berlin 1981.
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  9. Müller, B. W., Penetrationsförderer und Arzneistoffträgersysteme. In: Korting, H. C., Sterry, W. (Hrsg.), Therapeutische Verfahren in der Dermatologie: Dermatika und Kosmetika. Blackwell Berlin 2001, S. 87 – 92.
  10. Bucks, D., Maibach, H. I., Occlusion does not uniformly enhance penetration in vivo. In: Bronaugh, R. L., Maibach, H. I. (Hrsg.), Percutaneous absorption: drugs - cosmetics - mechanisms - methodology. Marcel Dekker New York 1999, S. 81 – 105.
  11. van der Vleuten, C. J. M., et al., Clobetasol-17-propionate lotion under hydrocolloid dressing (Duoderm ET) once weekly versus unoccluded clobetasol-17-propionate ointment twice daily in psoriasis: An immunohistochemical study on remission and relapse. Arch. Dermatol. Res. 291 (1999) 390 – 395.
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  18. BGBl I, 2002, Nr. 11 vom 22. 2. 2002.
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Die Autoren

Werner Weitschies arbeitete nach dem Pharmaziestudium in Berlin und der Promotion bei Professor Dr. Rüdiger Gröning zunächst in der Kontrastmittelforschung bei der Schering AG in Berlin. Von 1996 bis 1998 war er Projektleiter am Institut für Diagnostikforschung an der Freien Universität Berlin. 1999 habilitierte er sich an der Universität Münster für Pharmazeutische Technologie. Er ist Professor für Pharmazeutische Technologie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald. Seine Hauptarbeitsgebiete sind das Verhalten von Arzneiformen im Gastrointestinaltrakt, die Entwicklung oraler Arzneiformen sowie der Einsatz von Nanosonden für die molekulare Diagnostik und physikalische Therapie.

Christiane Schiller studierte Pharmazie an der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in Greifswald. Nach der praktischen Ausbildung in einer öffentlichen Apotheke und einer Krankenhausapotheke erhielt sie Anfang 2001 ihre Approbation. Nach einer Tätigkeit in einer öffentlichen Apotheke arbeitet sie seit Oktober 2001 als Doktorandin im Arbeitskreis von Professor Weitschies.

Ulrike Adam studierte ebenfalls in Greifswald Pharmazie. Ihr praktisches Jahr verbrachte sie in einem Pharmaunternehmen und einer öffentlichen Apotheke. Im September 2002 erhielt sie ihr Diplom und im Dezember die Approbation. Seit März 2003 ist sie als Doktorandin im Arbeitskreis von Professor Weitschies tätig.

 

Für die Verfasser:
Professor Dr. Werner Weitschies
Institut für Pharmazie der Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Friedrich-Ludwig-Jahn-Straße 17
17487 Greifswald
werner.weitschies@uni-greifswald.de

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