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Arzneimittelfälschungen, eine Geißel der Entwicklungsländer

07.04.1997  00:00 Uhr

- Titel

  Govi-Verlag

Arzneimittelfälschungen, eine Geißel der Entwicklungsländer

  Die Fälschung von Arzneimitteln und das bewußte Inverkehrbringen dieser Ware haben sich mittlerweile zu einem Problem mit manchmal tödlichen Folgen entwickelt. Der internationale Verband der Arzneimittelhersteller (IFPMA) geht davon aus, daß fünf bis sieben Prozent der weltweit gehandelten Medikamente gefälscht sind; das entspricht einem Marktwert von etwa 14 Milliarden US-Dollar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definierte 1992 umfassend: Gefälschte Medikamente können richtige, falsche oder nicht wirksame Wirkstoffe oder Wirkstoffe in nicht ausreichender Menge enthalten sowie in gefälschten Verpackungen gehandelt werden.

Betroffen sind hauptsächlich Entwicklungsländer, vor allem in Schwarzafrika. Bei einer Untersuchung von 112 Arzneimitteln in Laos 1995 war ein Drittel minderwertige Ware. In Kamerun, dem Tschad und auf Madagaskar stellte man zwischen 1991 und 1993 fest, daß 18 Prozent von 77 Medikamenten verfälscht waren. Die WHO sammelt seit der Konferenz von Nairobi 1985 Meldungen über Arzneimittelfälschungen. Von 492 dokumentierten Fällen betraf ein Drittel Antibiotika; in Europa werden vor allem Anabolika nachgemacht. Von den 492 Mitteln konnte die WHO 229 analysieren: 51 Prozent enthielten keinen Wirkstoff, 17 Prozent falsche Stoffe und 11 Prozent eine falsche Menge der Wirkstoffe. Wahrscheinlich dürfte das Problem aber noch weit größer sein. Man unterscheidet vier Gruppen von Fälschungen:
  • die perfekte Imitation eines Präparates;
  • die Herstellung eines Nachahmerpräparates in der identischen Verpackung wie das Markenprodukt und mit demselben Wirkstoff, jedoch meist in mangelnder Qualität und Menge;
  • Produkte ohne Wirkstoff(e) mit inerten Bestandteilen wie Traubenzucker oder Sägemehl,
  • Produkte mit gesundheitsschädlichen oder giftigen Stoffen, die zu körperlichen Schäden oder Tod führen können.

Ein günstiger Preis lockt arme Länder oftmals an. Sie haben hohen Bedarf an Arzneimitteln aber wenig Geld; zu Beginn der 90er Jahre standen in Entwicklungsländern durchschnittlich 20 DM pro Jahr und Einwohner für die Gesundheitsversorgung zur Verfügung (Deutschland 4721 DM). Ohne Kontrolle, Überwachung der Vertriebswege und Know-how in der Analytik haben es die kriminellen Fälscher leicht.

Die Arzneimittelsicherheit kann nur gestärkt werden durch internationale Zusammenarbeit. Der IFPMA hat 1990 erste praktische Vorschläge unterbreitet: Einrichtung von Basis-Kontrollaboratorien, Verbesserung der Qualitätsgarantien, Bekämpfung der gefälschten Produkte und des Schwarzmarktes unter finanzieller und personeller Beteiligung der Arzneimittelhersteller. Auch der German Pharma Health Fund, dem 24 Pharma-Unternehmen und der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) angehören, verpflichtet sich diesen Zielen. Seit 1994 arbeitet er an einem Modellprojekt zur Verbesserung der Arzneimittelsicherheit. Fälschungen erkennen und bekämpfen, ist Ziel des Projektes "Mini-Lab", sagte der Vorsitzende des GPHF, Dr. Reiner Welters, auch beim 5. GPHF-Dialog-Forum in Frankfurt.

Das Mini-Lab regt die Prüfung von festen, peroralen Fertigarzneimitteln in vier Schritten an. Zunächst soll die Warensendung im Empfängerland organoleptisch geprüft werden, also auf Fehler an Verpackung und Deklaration oder auf sichtbare Mängel an Tabletten oder Kapseln. Dann folgen einfache Zerfallsprüfungen. Farbreaktionen zeigen an, ob der deklarierte Wirkstoff in der Arzneiform enthalten ist. In der Regel muß die Arzneiform nur zerkleinert und gelöst werden. Die Farbreaktionen sind robust und liefern charakteristische Ergebnisse, die leicht ablesbar sind. Hat das Fertigarzneimittel auch diese Prüfung bestanden, folgt eine (semiquantitative) Dünnschichtchromatographie. Das Analytikprogramm umfaßt 15 der am häufigsten gefälschten Wirkstoffe in Fertigarzneimitteln, ausgewählt nach der Essential Drug List der WHO und aktuellen Verbrauchszahlen. Eine Arbeitsgruppe um Professor Dr. Peter Pachaly, Bonn, entwickelte die DC-Methoden. Auch hier war das Ziel, die Arbeitsgänge soweit zu vereinfachen, daß angelernte Mitarbeiter sie ausführen können.

Alle Testverfahren wurden in der Missionsärztlichen Klinik Würzburg unter Leitung von Professor Dr. Klaus Fleischer getestet und angepaßt, bevor die Laborausstattung zusammengestellt wird. Das fertige Minilabor enthält alle Laborgeräte, Chemikalien und Referenzproben; die Materialien reichen für etwa 300 Tests. Derzeit wird ein Handbuch erarbeitet mit einer für Laien verständlichen Gebrauchsanweisung, Prüfprotokollen und Nachbestellisten für Verbrauchsmaterialien. Das GPHF-Programm sieht auch die Schulung der einheimischen Mitarbeiter vor Ort vor. Die DC-Prüfung ist geeignet für angelernte Mitarbeiter in etablierten Laboreinheiten, zum Beispiel an Zentralkrankenhäusern. Im Herbst dieses Jahres startet die Testphase in Tansania und Namibia, weitere Tests und Schulungen sind 1998 in Ghana und Kamerun geplant.

Wirkstoffe im Mini-Lab-Program

Antibiotika und Chemotherapeutika

  • Amoxicillin
  • Ampicillin
  • Phenoxymethylpenicillin
  • Chloramphenicol
  • Erythromycin
  • Tetracyclin
  • Trimethoprim/Sulfamethoxazol
  • Chloroquin
  • Mebendazol
  • Metronidazol

Analgetika und Antiphlogistika

  • Acetylsalicylsäure
  • Metamizol
  • Paracetamol
  • Prednisolon
  • Dexamethason

PZ-Titelbeitrag von Dr. Reiner Welters, Darmstadt

       

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