Titel
Der weitaus größte
Anteil an Arzneimitteln wird nach wie vor peroral
verabreicht. Zubereitungen zur buccalen, sublingualen und
nasalen Applikation werden meist zur lokalen Therapie
eingesetzt. Die Applikationsorte eignen sich aber auch
zur systemischen Anwendung, da sie bestimmte
Eigenschaften des Gastrointestinaltraktes, die eine
enterale Medikation beeinträchtigen, nicht oder nur in
wesentlich geringerem Maße aufweisen.
Die Nasenschleimhaut ist intensiv durchblutet,
ihr Aufbau ermöglicht einen raschen Austausch von
Stoffen zwischen den Nasengeweben und den Blutgefäßen.
Der Nasenschleim wird von den Flimmerhaaren in der Nase
ständig rachenwärts bewegt und etwa alle zehn Minuten
erneuert.
Arzneiformen zur nasalen
Anwendung
Die gebräuchlichsten Arzneiformen zur nasalen
Anwendung sind Nasentropfen, Nasensprays und
Dosieraerosole als Lösung oder Suspension. In der
Dosierungsgenauigkeit unterscheiden sich diese
Darreichungsformen; am besten ist diese bei
Dosieraerosolen, bei Nasentropfen kann die Dosis nur
ungefähr über die Tropfengröße und beim Nasenspray
über die Dauer des Sprühstoßes bestimmt werden. Die
Teilchengröße der applizierten Tröpfchen entscheidet
über den Depositionsort, eine optimale Deposition auf
der Nasenschleimhaut wird bei einer Teilchengröße von
5µm bis 15µm erreicht. Die verschiedenen Formen der
Rhinitis sind typische Beispiele für eine lokale nasale
Therapie, wobei Arzneistoffe wie Antihistaminika,
Vasokonstriktoren sowie topische Corticosteroide
angewendet werden. Die Gefahr systemischer Nebenwirkungen
letzterer wird durch neuere Arzneistoffe wie
Fluocortinbutyl reduziert. Hier handelt es sich um ein
Corticosteroid mit einer inversen Anordnung der Säure-
und Alkoholkomponente. Das heißt, daß diese Substanz
systemisch zur freien Säure metabolisiert wird, welche
in vivo wirkungslos ist.
Schon seit langem ist bekannt, daß durch nasale
Applikation von Arzneistoffen auch systemische Wirkungen
erzielt werden können. Besonders Peptidarzneistoffe sind
durch ihre hohe Potenz und die deswegen erforderliche
geringe Einzeldosis für diese Art der Applikation
prädestiniert. Im allgemeinen werden Peptide um so
besser resorbiert, je weniger Aminosäuren sie enthalten.
Besonders interessant erscheint wegen des schnellen
Anflutens, der kurzen Wirkungsdauer und der angenehmen
Applikationsart die im Stadium der Erprobung befindliche
nasale Anwendung von Insulin, wobei noch einige
Sicherheitsaspekte hinsichtlich der individuellen
Unterschiede zu klären sind. Substanzen wie Calcitonin,
Buserelin und Protirelin sind als Zubereitung zur nasalen
Anwendung auf dem Markt.
Arzneiformen zur buccalen
und aublingualen Anwendung
Die wahrscheinlich älteste Form der
Arzneistoffapplikation in der Mundhöhle stellen
Lösungen zum Spülen und Lutschtabletten zur lokalen
Therapie dar, aber auch Nitroglyzerin-Zerbeißkapseln zur
systemischen Anwendung sind seit langem eingeführt. Das
Fehlen eines First-Pass-Effektes und die rasche
Resorption aus dem Mund- und Rachenraum sind positive
Aspekte dieses Darreichungsweges. Die zunächst
verwendeten FCKW-Treibgasaerosole werden heute durch
umweltfreundliche Pumpsprays ersetzt, die auf Ethanol
beziehungsweise Ethanol/Wasser-Mischungen beruhen. Die
Tröpfchengrößenverteilung entspricht ungefähr der der
FCKW-Sprays, durch die hyperämisierende Wirkung des
Ethanols auf der Mundschleimhaut werden die
Anflutungsgeschwindigkeit und der maximale Blutspiegel
des Wirkstoffes verbessert. Zubereitungen zum Einsprühen
in den Mundraum werden sowohl sublingual als auch buccal
resorbiert.
Dies gilt im Prinzip auch für die Gruppe von
Arzneistoffen, die als sofortlösliche Plättchen im
Handel sind. Bei der Herstellung wird über Dosierpumpen
der Arzneistoff in Lösung direkt in den Blisternapf der
Primärverpackung eingebracht und dann gefriergetrocknet.
Die so erhaltenen Plättchen lösen sich im Mund sehr
rasch auf, der Arzneistoff wird sowohl im Mund resorbiert
als auch mit dem Speichel verschluckt. Vor allem für
Patienten, die mit der Einnahme von Tabletten oder
Kapseln Schwierigkeiten haben, ist diese Darreichungsform
von Vorteil. Zur gezielt buccalen Resorption werden
buccoadhäsive Darreichungsformen erprobt, die auf der
Innenseite der Wange angebracht werden. Zur sublingualen
Anwendung existieren nur sehr wenige Zubereitungen,
obwohl der Applikationsort vorteilhaft ist. Besonders
für Buprenorphin spricht, daß der Wirkstoff bei
sublingualer Applikation nicht dem sonst zu erwartenden
starken First-Pass-Effekt unterliegt. Bei der Therapie
postoperativer und chronischer Schmerzen ist diese Art
der Darreichung sehr gut geeignet.
PZ-Titelbeitrag von Peter C. Schmidt und Hannes M.
Höltzel, Tübingen
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de