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Der Dienst am "Herren, Armen und Kranken" war zentrale Aufgabe des Johanniterordens und genoß höchste Wertschätzung und Priorität. So war die Sacra Infermeria, das große Hospital auf Malta, ein Symbol des Ordensstaates und wurde mit großem Aufwand betrieben. Bis zum 18. Jahrhundert und dem Niedergang des Ordens entsprach die Krankenversorgung höchstem europäischen Niveau.
Nach dem Ende des Ordensstaates auf Malta 1798 und den Verlusten durch französische Plünderungen diente der Gebäudekomplex in der Periode der britischen Besatzung (1800 bis 1964) zunächst als Militärhospital, dann als Reparaturhalle. Die deutschen Bombenangriffe während des Zweiten Weltkrieges beschädigten die Gebäude schwer. Heute beherbergt es das Mediterranean Conference Centre, ein Prestigeobjekt des maltesischen Staates. Gegründet wurde der Johanniterorden Ende des 11. Jahrhunderts in Jerusalem als Hospitalbruderschaft. Auch als er sich im 12. Jahrhundert in einen militärisch sehr aktiven Ritterorden wandelte, blieben Kranken-, Armen- und Pilgerversorgung ein zentraler und konstitutionell verankerter Teil des Ordenlebens. So hatte es sich der Orden zur Aufgabe gemacht, an jedem Hauptsitz seiner Residenz ein großes Hospital zu errichten. 1530 erhielt der Orden die maltesische Inselgruppe von Kaiser Karl V. Doch die Ritter hofften auf eine Rückkehr nach Rhodos.
Erst nach überstandener Türkenbelagerung 1565 und der Errichtung einer neuen befestigten Hauptstadt La Valletta wurde klar, daß Malta für lange Zeit das Domizil der Johanniter bleiben würde. So wurde im November 1574 der Bau eines großen Hospitals beschlossen, und schon ein Jahr später wurde es in Betrieb genommen. Vorbild war das Hospital von Santo Spirito in Rom. Der Bau direkt an der dem offenen Meer zugewandten Seite von La Valletta sollte eine möglichst rasche Aufnahme von per Schiff eintreffenden Verwundeten und Kranken erleichtern.
Der Ruf der Sacra Infermeria war in der damaligen Welt legendär. Das Hospital blieb stets an den neuesten medizinischen Entwicklungen orientiert, die Versorgung fand auf höchstem Niveau statt. Mediziner aus europäischen Ländern kamen zu Studienbesuchen auf die Insel. Ab 1679 verfügte die Infermeria über eine spezielle Abteilung für Patienten mit ansteckenden Krankheiten, eine Aufnahmestelle für ausgesetzte Kinder, über eine Kapelle, medizinische Bibliothek, Apotheke, Wäscherei und Wohnräume für das medizinische Personal. Die weitläufigen unterirdischen Räume dienten als Gerätelager und als Hospiz für Geisteskranke.
Absolute Priorität genossen die Kranken. Sie erhielten ihr Essen auf Silbergeschirr, auf ausreichende und gesunde Ernährung wurde strikt geachtet. Jeder Kranke hatte sein eigenes Bett, damals eine absolute Ausnahme. So lange die Ordensritter im Einklang mit ihren Statuten lebten, war ihr turnusmäßiger Dienst im Krankenhaus ein vertrautes Bild. Dabei legten sie alle Zeichen von Rang und Autorität ab. Alle Patienten wurden versorgt, unabhängig von Nation, Konfession und Stand. So nahm das Krankenhaus trotz Intervention der päpstlichen Inquisitionsbehörde auch protestantische, jüdische und moslemische Kranke auf. Der Gedanke einer umfassenden Caritas spiegelte sich im gesamten Gesundheitswesen des Ordensstaates wider, wenn auch die Behandlung und Verweildauer im Hospital de facto unterschiedlich waren.
Auch in der Rechtsprechung und verwaltungstechnisch hatte das Krankenhaus eine Sonderstellung. Es fiel unter die Verwaltung der französischen Ordenszunge, die auch den Grand Hospitalier und damit den Hauptverantwortlichen stellte. Das Personal bestand neben etwa zwanzig Ärzten und dem Fachpersonal aus zwei "technischen Direktoren", zwei Sekretären und 14 Krankenwärtern. Am Ende des 17. Jahrhunderts beschäftigte die Apotheke acht Personen. Der Unterhalt war aufwendig: Die Ausgaben für die Infermeria waren nach denen für die Flotte und die Landstreitkräfte der drittgrößte Posten im Staatshaushalt. Aber die Sacra Infermeria stellt auch den einmaligen Fall dar, daß ein Hospital Symbol und Raison d'etre eines ganzen Staates ist.
PZ-Titel von Thomas Freller, Wiesbaden und Rabat/Malta
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