Titel
Eine Selbstmedikation
mit Hämorrhoidalpräparaten kann eine rasche, aber nur
begrenzte Linderung der Beschwerden bringen. Sie wirken
ausschließlich symptomatisch und keinesfalls heilend.
Daher sind diese Präparate nicht unumstritten.
Gefährlich wird es, wenn ihre unkritische Anwendung die
ärztliche Abklärung der Beschwerden hinauszögert, denn
auch schwere Erkrankungen wie Dickdarmkrebs können
Symptome wie Blutungen, Nässen und Juckreiz auslösen.
Der Apotheker muß die Eigendiagnose des Patienten
hinterfragen. Grundsätzlich sollte er den Patienten
auffordern, die Ursache seiner Beschwerden beim Arzt
klären zu lassen.
Eine Hyperplasie des analen Schwellkörpers und
eine Schädigung des verankernden Bindegewebes führt zu
Krankheitsbildern, die als Hämorrhoidenbeschwerden oder
als innere Hämorrhoiden bezeichnet und je nach
klinischem Bild in drei bis vier Stadien eingeteilt
werden. Dabei manifestiert sich eine angeborene
Bindegewebsschwäche im Verbund mit äußeren Faktoren,
zum Beispiel Veränderung der Stuhlkonsistenz oder
Schwangerschaft. Hauptursachen der ständigen
Überdehnung des analen Schwellkörpers sind eine
Behinderung des transsphinkteren Blutabflusses oder eine
erhöhte Blutzufuhr. Ein erhöhter Tonus des
Schließmuskels behindert den Blutabfluß. Bei
Erkrankungen des äußeren, am Ausgang des Analkanals
gelegenen venösen Gefäßbündels spricht man korrekt
von Analthrombosen oder -hämatomen, nicht von äußeren
Hämorrhoiden.
Symptome anorektaler
Erkrankungen
Blutungen sind stets ernst zu nehmen und
ärztlich abzuklären, da sie auch Darmpolypen oder
Tumoren anzeigen können. Dem Stuhl aufgelagertes Blut
stammt meist aus dem Analkanal; Blut aus Hämorrhoiden
ist hellrot. Juckreiz ist das häufigste Symptom bei
proktologischen Erkrankungen und meistens Ausdruck einer
entzündlichen Hautveränderung im Analkanal oder an der
perianalen Haut. Juckreiz und Brennen entstehen aber auch
als Folge ungenügender Hygiene. Nässen und Schmieren
zeigen eine Störung der Feinkontinenz an und können -
neben Hämorrhoiden zweiten bis vierten Grades - auch bei
schweren Erkrankungen auftreten. Schmerzen entstehen bei
Läsionen oder Reizungen der Schleimhaut jenseits der
Linea dentata, im Bereich der Analkanalhaut oder der
perianalen Haut. Bei anhaltenden Durchfällen sollte
stets eine entzündliche Darmerkrankung ausgeschlossen
werden.
Allgemeine Maßnahmen wie Stuhlregulierung oder schonende
Analhygiene spielen eine wichtige Rolle bei Behandlung
und Prophylaxe von Hämorrhoidalbeschwerden und können
weder durch Medikamente noch andere Verfahren ersetzt
werden. Analdehner werden bei Analfissuren oder
schmerzhaftem Stuhlgang zur Erweiterung des Analkanals
eingesetzt.
Medikamentöse Therapie
Alle Präparate sind nur zur adjuvanten,
symptomatischen Therapie geeignet. Die topische Anwendung
birgt einige Risiken wie Allergisierung, irreversible
Hautveränderungen oder die Gefahr von Pilzinfektion.
Eine ärztliche Überwachung ist daher sinnvoll und
nötig. Lokalanästhetika werden als Salben oder
Zäpfchen in der Perianalregion und im Analkanal
angewandt. Sie können Juckreiz und Brennen rasch
lindern, daneben aber auch allergische Reaktionen
hervorrufen. Benzocain und Procain gelten daher als
Mittel der zweiten Wahl.
Glucocorticoide (alle verschreibungspflichtig) wirken
antiallergisch, antiphlogistisch, antiexsudativ,
juckreizlindernd und antiproliferativ. Die Indikation
muß im Hinblick auf mögliche Nebenwirkungen streng
gestellt werden und umfaßt das Analekzem sowie
Krankheitsbilder mit unstillbarem Juckreiz. Andere
Antiphlogistika wie Bufexamac oder Azulene werden als
Salben, Suppositorien oder Sitzbäder angewandt.
Adstringentien wie Metallsalze und pflanzliche Gerbstoffe
bewirken eine oberflächliche Denaturierung von Haut- und
Schleimhautproteinen und wirken so antiexsudativ, lokal
hämostyptisch und abschwellend. Wegen der austrocknenden
Wirkung sind Adstringentien und feststoffreiche
Zubereitungen bei nässenden Beschwerden angezeigt; bei
Blutungen ist die gefäßabdichtende Wirkung günstig.
Emollientien sollen harten Stuhl erweichen;
Vitamin-A-haltige Zubereitungen sollen die
Reepithelisierung anregen. Nutzen und Wirksamkeit von
wundheilungsfördernden Stoffen sind schlecht
dokumentiert. Antiseptika sollen antibakteriell und
antimykotisch wirken; ihr therapeutischer Wert ist
angesichts der Keimzahl in den Faezes
umstritten.Antiinfektiva werden bei oberflächlichen
Infektionen der Haut und Schleimhaut eingesetzt; sie sind
teilweise verschreibungspflichtig.
Zu den Arzneistoffen von fraglichem, unzureichend
dokumentiertem oder begrenztem Wert zählen
Antikoagulantien (Heparine), Venenmittel, direkte und
indirekte Sympathomimetika sowie eine Vielzahl weiterer
Stoffe, die immer noch in Hämorrhoidenmitteln
verarbeitet werden.
Pharmazeutische Aspekte
Hämorrhoidalpräparate stehen als
Suppositorien, Zäpfchen mit Mulleinlagen
(Tampositorien), Rektalschäume und Salben zur
Verfügung. Zäpfchen sollten nach dem Einführen noch im
Analkanal tastbar sein und hier möglichst einige Minuten
gehalten werden. Tampositorien sind daher günstiger.
Salbentuben sollten Applikatoren enthalten; diese werden
aufgeschraubt und sollten nach Möglichkeit eine flexible
Spitze und seitliche Öffnungen für eine großflächige
Verteilung der Salbe im Analkanal haben.
Aus der Fülle von Präparaten kann der Apotheker nur
solche mit Wirkstoffen empfehlen, deren Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit nachgewiesen ist. Die Arzneimittel
sollten bei hinreichender Dosierung möglichst wenige
Stoffe enthalten und wegen der Allergisierungsgefahr
nicht parfümiert oder gefärbt sein.
PZ-Titel von Dr. Eric Martin, Marktheidenfeld
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