Politik

Kritik der fünf Weisen: GSG blieb ohne Erfolg
Mit deutlicher Kritik am Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) von 1992 verbindet der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, die "fünf Weisen", neue Empfehlungen für eine Reform der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). In seinem Jahresbericht hält das Expertengremium der Bonner Regierungskoalititon vor, mit dem GSG nicht den erhofften Erfolg gehabt zu haben.
Administrative Interventionen wie die Budgetierung von Arzneimittelausgaben sowie Negativlisten für Medikamente kurierten eben an Symptomen ohne die fundamentalen Steuerungsprobleme bei der medizinischen Versorgung zu beseitigen. Eine Ausgabendeckelung erschließe kaum die vorhandenen Einsparpotentiale, da der vorgegebene Finanzrahmen von den Beteiligten voll ausgeschöpft werde.
Auch die gegenwärtigen Reformen im Gesundheitswesen gehen den fünf Wirtschaftswissenschaftlern offenkundig nicht weit genug. Es bedürfe umfassender Eingriffe in das System der Krankenversicherung. Die gesetzlichen Kassen müßten sich unternehmerisch verhalten und ihr Leistungsspektrum an den vordringlichen Bedürfnissen der Versicherten orientieren. Dazu seien unter anderem "attraktive Leistungspakete" zu entwickeln. Auf keinen Fall dürfe sich die GKV noch länger als Verwaltungsorganisation der Solidargemeinschaft" verstehen. Den Bürgern seien mehr Möglichkeiten einzuräumen, sich individuell nach ihren Bedürfnissen gegen Krankheit abzusichern. Daraus resultiere ein Prozeß, bei dem Instrumente zur Kostensenkung vermehrt ausgenutzt würden.
Klar erkennbar wünschen sich die Mitglieder des Sachverständigenrates ein preisbewußteres Verhalten der Kassenmitglieder. Diesem Ziel dienten voll vom einzelnen Bürger zu finanzierende Zusatzversicherungen sowie eine gestaffelte Selbstbeteiligung im Krankheitsfall. Der bisher von Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu finanzierende Leistungskatalog sei auf eine "obligatorische Grundabsicherung" zu begrenzen.
Die Gutachter halten zwei Wege für geeignet, um die Lohnnebenkosten zu senken: Zum einen sei Abschied von der beitragsfreien Versicherung von Familienmitgliedern ohne eigenes Einkommen zu nehmen. Zum anderen sei der Versicherungsbeitrag für jeden Bürger unter Risikoaspekten individueller und einkommensunabhängig zu ermitteln. Solange in der gesetzlichen Krankenversicherung Beiträge nach dem bisherigen System erhoben würden, müsse der Schutz vor Krankheit auf jeden Fall vom Beschäftigungsverhältnis gelöst werden. Der bisherige Anteil der Arbeitgeber am Krankenkassenbeitrag sei einmalig in Löhne und Gehälter zu integrieren.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn © 1996 GOVI-Verlag
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