Ein echter Preiskampf würde für Viele das Aus bedeuten |
10.11.2003 00:00 Uhr |
Das GKV-Modernisierungsgesetz verändert den Arzneimittelmarkt. Apotheker und Industrie müssen sich auf völlig neue Rahmenbedingungen einstellen. Den flexiblen Unternehmern wird dies gelingen, glaubt Dr. Thomas Strüngmann. Der Gründer von Hexal sieht auch für Apotheker Möglichkeiten, trotz der zu erwartenden Einschnitte weiter am Markt zu bestehen.
PZ: Am 1. Januar tritt die Gesundheitsreform in Kraft. Wie wird sich aus Ihrer Sicht die Apothekenlandschaft danach verändern?
Strüngmann: Ganz grundsätzlich denke ich, dass diejenigen gewinnen werden, die die Chancen nutzen, welche die Reform im Hinblick auf Qualitätssicherung, Qualitätsmanagement, Wettbewerb und Transparenz bietet. Für die Apotheken kann die Entwicklung trotz aller Widrigkeiten generell positiv bewertet werden, weil sich aus dem Gesetz direkt nutzbare Chancen ergeben – nehmen Sie zum Beispiel die generische Substitution und die Zuzahlung.
Die Apotheken werden sich aber immer mehr fragen müssen, welche Rolle sie im zukünftigen System spielen möchten – zum Beispiel beim Hausapothekenmodell und bei der integrierten Versorgung. Sie sollten Angebote für diese Versorgungsformen entwickeln. Frei nach dem Spruch „Wenn ein Sturm kommt, bauen manche Mauern – lassen Sie uns gemeinsam mit den Apotheken Windmühlen bauen.“
PZ: Wie werden sich die OTC-Preise nach der Freigabe entwickeln?
Strüngmann: Wir glauben, dass die OTC-Preise generell auf dem derzeitigen Niveau bleiben werden. Es ist allerdings nicht abzusehen, inwieweit Apotheken Dumping betreiben werden. Ich habe meine Zweifel, ob dieses sinnvoll ist. Auf Grund eines niedrigen Preises von ACC akut leiden nicht mehr Menschen an Husten. Trotzdem bieten sich für die einzelnen Apotheken mit der Preisfreigabe auch die Chance, durch bedachte Preis-Aktionen eine stärkere Kundenbindung zu erhalten.
PZ: Für welche Apotheker wäre eine preisaktive Strategie sinnvoll?
Strüngmann: Wir hören vom Markt, dass vor allem Apotheken mit hoher Laufkundschaft über OTC-Dumping-Preise Kunden in ihre Apotheke locken wollen. Es ist aber auch nicht auszuschließen, dass Apotheker die Preisfreigabe dazu nutzen werden, Preise zu erhöhen.
PZ: Welche Konsequenzen wird ein Preiskampf auf die Apotheken haben?
Strüngmann: Ein echter Preiskampf in den Apotheken würde natürlich die Margen reduzieren. Das kann auf mittlere Sicht, das „Aus“ vieler Apotheken bedeuten und das sollte nicht erstrebenswert sein.
PZ: Ein Preisverfall kann Ihnen als Hersteller kaum Recht sein. Wie wird sich Hexal, wie wird sich die Industrie allgemein verhalten?
Strüngmann: Wie die Industrie sich verhalten wird, kann ich nicht sagen. Hexal für seinen Teil hat den Apothekern sehr umfassende Services aufgestellt, um ihnen die bestmögliche Unterstützung für das Marketing, aber auch in Sachen Beratung zu geben. Wir bieten den Apotheken spezielle Aktionen an, mit dem Ziel gemeinsam die Umsätze anzukurbeln. Ganz wichtig aber ist die Unterstützung der fachlichen Beratungsfunktion des Apothekers und der Teams durch Inhouse-Training. Denn gerade die Beratung ist es, mit der der Apotheker sich beim Verbraucher von den beratungsfreien Verkaufsstätten wie zum Beispiel Drogeriemärkte abhebt.
PZ: Werden Sie für den Direktbezug neue Regeln aufstellen müssen?
Strüngmann: Der Direktbezug spielt bei Hexal keine dominante Rolle.
PZ: Welche Konsequenzen hat die Ausgrenzung der OTC-Produkte von der Erstattung für den Markt? Wie werden Sie darauf reagieren?
Strüngmann: Wenn man die Erfahrung aus anderen Ländern nimmt, haben die OTC-Produkte, wenn sie ganz aus der Erstattung fielen, zunächst einmal einen Rückgang erlebt. Nach einem halben bis einem Jahr haben sie sich aber wieder erholt. Ein ähnliches Kundenverhalten erwarten wir auch in Deutschland.
PZ: Der Deutsche Apothekerverband will in Zusammenarbeit mit den Kassenärzten ein grünes Rezept entwickeln. Darauf sollen die Ärzte ihren Patienten OTC-Produkte empfehlen. Was halten Sie davon?
Strüngmann: Das grüne Rezept halte ich für den richtigen Ansatz. Es ist wichtig, dass Ärzte und Apotheker gemeinsam die für den Patienten notwendige Therapie mit OTC-Produkten begleiten. Auch im Sinne der Patienten ist es wichtig, dass durch die Ausgrenzung der OTC-Produkte keine therapeutischen Defizite entstehen.
PZ: Hexal beteiligt sich an Konzepten zur integrierten Versorgung. In einem ersten Anlauf sind sie mit einer direkten Rabattvereinbarung mit einer Krankenkasse gescheitert. Kassen werden aber sicherlich mit Ihnen wieder ins Geschäft kommen wollen, wenn sie finanzielle Vorteile dabei haben. Werden Sie neue Rabattvereinbarungen mit Kassen treffen?
Strüngmann: Leider ist es uns nicht gelungen, die Vorteile unseres Vertrages mit der AOK für die Apotheken deutlich zu machen. Wir haben den Vertrag seinerzeit gekündigt und werden auch keine aktive Rolle bei derartigen Verhandlungen einnehmen. Auf Grund unserer Erfahrung werden wir jedoch die Veränderungen des Marktes beobachten und dann entsprechend reagieren.
PZ: Im Zusammenhang mit der integrierten Versorgung setzen Apotheker große Hoffnung auf das Hausapothekenmodell. Was halten Sie davon?
Strüngmann: Das Hausapothekenmodell kommt den Apothekern sehr entgegen. Es stärkt die Beraterfunktion des Apothekers, bindet die Kunden und ist damit eine der eingangs beschriebenen zukünftigen Chancen, die es zu ergreifen und auszubauen gilt.
PZ: Die Liberalisierung des Arzneimittelmarktes hat der Phantasie einiger Beteiligter zum Aufbau vertikaler Vertriebskonzepte neue Impulse gegeben. Ist dies auch für Hexal eine Option?
Strüngmann: Sicherlich nicht. Wir wollen das was wir können noch besser machen, wir wollen uns nicht in Bereichen engagieren, in denen andere besser sind. Ich halte den etablierten Vertriebsweg keinesfalls für renovierungsbedürftig.
Apropos Apothekenkooperationen: Jede Apotheke sollte sich sehr genau überlegen, ob und in welchem Apothekenverband sie sich engagiert. Die beschriebene Schwarzmalerei ist wenig konstruktiv und soll den Apotheker dazu verführen, seine unternehmerische Freiheit aufzugeben
PZ: In Barleben haben Sie neben dem Herstellungsbetrieb auch ein Schulungszentrum. Welche Schulungen werden Sie den Apothekerinnen und Apothekern jetzt in erster Linie anbieten?
Strüngmann: Wir werden mit den Angeboten der Hexal-Trainingsakademie noch mehr als bisher den Apotheker und sein Team auf die neuen Herausforderungen vorbereiten. Das Trainingskonzept umfasst heute 14 verschiedene Veranstaltungen, insbesondere in den Bereichen Organisations- und Verkaufsoptimierung sowie Kreativmaßnahmen, wie zum Beispiel Apothekenaktionen. Auch Einzel-Coachings in den Apotheken vor Ort sind Bestandteil dieses Konzeptes. Insgesamt sind die Seminare pragmatisch und zukunftsorientiert angelegt – und zeigen die eingangs erwähnten Chancen auf, wie wir den neuen „Sturm 2004“ für uns alle nutzbar machen können.
PZ: Wie sehen Sie die Entwicklung im Generikamarkt nach dem In-Kraft-Treten des GMG?
Strüngmann: Hexal wird unter dem Zwangsrabatt von 16 Prozent sehr stark leiden, weil viele besonders umsatzstarke Produkte betroffen sind. Generell aber werden die Maßnahmen insgesamt gesehen zu einer Ausweitung des Generikamarktes führen.
PZ: Für die Generika-Hersteller ist auch die Änderung der Aut-idem-Regelung von erheblicher Bedeutung. Mit welchen Konsequenzen rechnen Sie?
Strüngmann: Sie wird die Substitution noch verstärken. Außerdem wird die Abgabe von Generika gefördert.
PZ: Wie viele Generika-Hersteller wird es in fünf Jahren noch geben?
Strüngmann: Wie in allen Bereichen wird es auch im Generikamarkt zu einer Konsolidierung kommen. Natürlich kann niemand heute sagen, wie viele Hersteller es noch sein werden. Hexal ist aber sehr optimistisch.
PZ: Mit Biocur haben Sie eine Tochter, die Phytos herstellt. Lohnt sich das nach dieser Gesetzesänderung überhaupt noch?
Strüngmann: Einige Phytopharmaka werden in bestimmten Indikationen weiter erstattungsfähig bleiben. Für manche Hersteller wird es sicherlich schwieriger. Einen Phyto-Arzneimittel-Markt wird es auch in Zukunft geben.
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