Politik

Solidarisch finanziertes Paradies vor dem Aus
Den Plan der Bonner Regierungskoalition, Beitragssatzanhebungen mit Zuzahlungserhöhungen zu verknüpfen und den Versicherten zugleich ein sofortiges Kündigungsrecht einzuräumen, hält Professor Dr. Michael Arnold von der Universität Tübingen für kontraproduktiv. Denn der Versicherte könne leicht in eine Rationalitätenfalle geraten. Dies sei der Fall, wenn der Versicherte wegen einer höheren Selbstbeteiligung eine Kasse verläßt, deren angehobener Beitragssatz aber trotzdem noch unter dem Durchschnitt liege. Selbst wenn sich die GKV-Mitglieder rational verhalten würden, führten die Neuregelungen kaum zu Einsparungen, sondern nur zu mehr Bürokratie: Wechsle der Versicherte innerhalb eines Quartals die Kasse, müßten die Ausgaben mühsam unterschiedlichen Kostenträgern zugerechnet werden. Um das Gesundheitswesen finanzierbar zu halten, müßten alle Beteiligten umdenken.
Die Kassen versuchten vor allem, Mitglieder durch eine allzu großzügige Leistungsgewährung zu gewinnen. Künftig sollten sie eine hohe Versorgungseffizienz anstreben, was nur durch Leistungsverweigerung möglich sei. Leistungserbringer müßten Leistungsverzicht üben und die daraus entstehenden Einkommensverluste hinnehmen. Sprechende Medizin" müsse endlich als Instrument der Aufklärung des Patienten über tatsächlich notwendige Leistungen verstanden werden. Der Versicherte müsse lernen, daß die Medizin kein Allheilmittel für die Wechselfälle des Lebens, sondern nur eine Hilfe bei zweifelsfrei festgestellten Krankheiten sei. Die Sozialgerichte sollten das Leistungsrecht sehr viel restriktiver auslegen. Die Politik müsse Abschied nehmen von der Idee eines solidarisch finanzierten Paradieses.
PZ-Artikel von Hans-Bernhard Henkel, Bonn © 1996 GOVI-Verlag
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