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Deutsche oft im Wartezimmer

27.10.2003  00:00 Uhr
Studie

Deutsche oft im Wartezimmer

von Christian Lahm, Berlin

Warum ist Deutschlands Gesundheitssystem so teuer? Zum Beispiel deshalb, weil nirgendwo anders in Europa das Versorgungssystem so häufig in Anspruch genommen wird wie hier. Eine Vergleichsstudie in acht europäischen Ländern belegt, dass es weder in Großbritannien, Italien, der Schweiz, Schweden, Slowenien und Spanien noch in Polen so viele Arztkontakte gibt wie in der Bundesrepublik.

So erklärten 42 Prozent der in Deutschland Befragten, dass sie in den vergangenen vier Wochen einmal beim Arzt waren. In Schweden waren es gerade mal 14 Prozent. Auch über die Zeit von zwölf Monaten führt Deutschland die Statistik mit den meisten Arztbesuchen mit großem Vorsprung an.

Die Ergebnisse der europäischen Vergleichsstudie unter Federführung des Picker-Instituts in Oxford basieren auf der Auswertung repräsentativer Telefonumfragen und gezielter Gruppen-Diskussionen in 2002 und 2003.

Danach nehmen die Deutschen das Gesundheitssystem am häufigsten in Anspruch: 83 Prozent der Befragten suchten innerhalb eines Jahres mindestens einmal eine Versorgungseinrichtung auf. In der Schweiz waren es 69 Prozent, in Großbritannien 53, in Italien 48 Prozent.

Die im europäischen Vergleich starke Inanspruchnahme gesundheitlicher Versorgungseinrichtungen in Deutschland korrespondiert mit der Furcht der Befragten, dass sich die Qualität mangels Geld „weiter negativ entwickeln und die Tendenz zur Zwei-Klassen-Medizin zunehmen wird“. Die Versorgung sei qualitativ bereits schlechter und die Eigenbeteiligung der Versicherten erhöht worden, so die Klage.

Entlarvend

„Unterhalb einer vordergründigen Zufriedenheit mit dem System wird ein hohes Misstrauen gegenüber den Versorgungseinrichtungen und den darin Handelnden formuliert“, analysiert die Patientenexpertin der Abteilung Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover, Marie-Luise Dierks, die Studienergebnisse. Für Deutschland sind sie entlarvend: So gaben etwa auf die Frage nach den kommunikativen Kompetenzen von Medizin-Professoren nur 29 Prozent der Patienten in Deutschland an, ausreichend Erklärungen und Zeit für eigene Fragen bekommen zu haben. Ganz anders in Großbritannien und der Schweiz: Dort äußerten knapp die Hälfte der Befragten (48 Prozent beziehungsweise 47 Prozent) positive Erfahrungen mit professoraler medizinischer Aufklärung.

Da verwundert es nicht, dass am deutlichsten in Deutschland die Forderung nach aktiver Beteiligung an Entscheidungen auf allen Ebenen der Gesundheitsversorgung artikuliert wird: Mehr als 80 Prozent der Bürger wollen als Patient partnerschaftlich in alle Entscheidungsprozesse eingebunden werden.

Sie verlangen nicht nur ausreichende Informationen über Krankheit und Therapie, sondern vor allem über Qualität und Strukturen der Versorgung, Zuständigkeiten, Patientenrechte und Beschwerdemöglichkeiten. Realisiert sehen dies bisher lediglich 45 Prozent der Befragten in Deutschland.

Freiwillig

Freie Arztwahl und die Option, bei Bedarf eine Zweitmeinung einzuholen, werden als zentrale Aspekte der Entscheidungsfreiheit gesehen. Nur freiwillig sind die Versicherten in Deutschland bereit, sich an neue Versorgungsmodelle (Hausarzt als Gate-Keeper) zu binden.

Patienten erwarten mehr Kooperation der beteiligten Leistungserbringer, die Vermeidung von Doppeluntersuchungen und eine schnellere Befundübermittlung. Sie wünschen sich mehr Transparenz im gesamten Gesundheitssystem - einschließlich Fortbildung - und wollen in Strukturentscheidungen stärker als bisher stimmberechtigt eingebunden werden.

Auffällig ist, dass alle Mitspracherechte in Spanien und Polen deutlich seltener artikuliert werden, obwohl dort - wie laut Studie in allen acht untersuchten europäischen Ländern - die Weiterentwicklung des Gesundheitssystems hinsichtlich Qualität und Finanzierbarkeit skeptisch bis pessimistisch eingeschätzt wird. Top

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