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Ursachenforschung wird fortgesetzt

24.05.1999  00:00 Uhr

-Politik

AUSGABENANSTIEG

Ursachenforschung wird fortgesetzt

von Karl H. Brückner, Bonn

Die Debatte über Ursachen der über 14prozentigen Steigerung der GKV-Arzneimittelausgaben im ersten Quartal 1999 geht weiter. Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses Klaus Kirschner hielt der Ärzteschaft "nicht zu rechtfertigendes Verordnungsverhalten" vor. Andererseits verdichten sich die Hinweise, daß dabei ein saisonaler Morbiditätsschub eine wesentliche Rolle gespielt hat.

So war der Krankenstand im ersten Vierteljahr um mehr als zehn Prozent gestiegen und hat sich im April fast ebenso stark wieder zurückentwickelt. Das stützt die Vermutung der ABDA, auch die ungewöhnlich heftige Grippewelle des Frühjahrs habe bei den Arzneiausgaben zu Buche geschlagen.

Der Berufsverband der Allgemeinärzte Deutschlands (BDA) nennt harte Zahlen. Demnach haben akute Atemwegserkrankungen zu rund sieben bis acht Millionen zusätzlichen Arztkontakten geführt. Das ergibt sich nach BDA-Angaben aus statistischen Erhebungen der Arbeitsgemeinschaft für Influenza in Marburg (AGI), der bundesweit zirka 650 Meldepraxen angeschlossen sind. Für den Hausärzteverband bestätigt sich damit auch, daß die Arzneimittelbudgets für das laufende Jahr nicht ausreichen und deshalb aufgestockt werden müßten. Für Medikamente wollen die Kassen in diesem Jahr 33,7 Milliarden DM ausgeben (1998 waren es 33,37 Milliarden DM).

Der Vorwurf des SPD-Bundestagsabgeordneten Kirschner, die "Ärzte verordnen immer mehr Arzneimittel" ist vor diesem Hintergrund wohl kaum noch aufrecht zu erhalten. Dasselbe gilt für eine neue Schuldzuweisung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV): Der abrupte Trendwechsel im Januar 1999, so KBV-Chef Winfried Schorre, sei ein Beleg dafür, daß die Politik der Zuzahlungsabsenkung "die Nachfrage nach Gesundheitsleistungen anregt und damit unmittelbar zu Ausgabensteigerungen führt".

Hinzu kommt, daß die 14prozentige Ausgabensteigerung im ersten Quartal wahrscheinlich nur zu etwa 5,5 Prozentpunkten durch Mengenexpansion bedingt war, wie die ABDA berichtet hat. Weitere drei Prozentpunkte waren demnach rein politisch bedingt, sie gehen auf das Konto der Anfang 1999 reduzierten Selbstbeteiligung der Patienten. Drittens schlugen Preissteigerungen mit etwa 0,9 Prozentpunkten zu Buche. Bliebe noch die Strukturkomponente, die mit geschätzt 5,5 Prozentpunkten an der Ausgabenexpansion beteiligt war (Wechsel zu größeren Packungen und neuen Medikamenten).

Da alle Hochrechnungen über drohende Überschreitungen der Arzneibudgets von bis zu 4,2 Milliarden DM (so zuletzt Kirschner) auf der Fortschreibung des Expansionstrends im ersten Vierteljahr beruhen, bewegen sie sich auf dünnem Eis. Zumindest müßte der Mengeneffekt herausgerechnet werden. Überschreitungen des Budgets in geringerem Umfang sind wohl dennoch programmiert, wobei wahrscheinlich die Strukturkomponente wichtigster Treibsatz der GKV-Arzneiausgaben bleiben wird. Für die Ärzte wird es dennoch gefährlich: Für Budgetüberschreitungen von bis zu 1,7 Milliarden DM, also fünf Prozent der Arzneiausgaben, haften sie gesetzlich mit ihren Behandlungshonoraren. Mit weiteren Versuchen, in den Praxen hart auf die Verordnungsbremse zu treten, ist deshalb fest zu rechnen. Top

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