Politik 3 |
11.03.2002 00:00 Uhr |
TELEMATIK
Alle Akteure im Gesundheitswesen wollen es, über die Umsetzung besteht jedoch nach wie vor Dissens: Kommt das elektronische Rezept allein, wie es Krankenkassen und Ärzteschaft favorisieren? Oder wird es gleichzeitig mit einem Arzneimittelpass eingeführt, wie von Apothekern und dem Bundesgesundheitsministerium gewünscht?
"Leider halten die Kassen nach wie vor an ihrer Idee fest, zunächst nur das elektronische Rezept umzusetzen", beklagte Dr. Frank Diener, ABDA-Geschäftsführer für Wirtschaft und Soziales, auf einem Telematik-Kongress in Bonn. Diener bekräftigte nochmals seine bereits auf dem Pharmacon in Davos geäußerte Strategie der Multifunktionalität: "Die Infrastruktur ist im Wesentlichen die gleiche, egal ob elektronisches Rezept oder Arzneimittelpass. Warum dann nicht gleich eine Chipkarte mit vielen Fächern - administrativen und heilberuflich relevanten - einführen?" Das elektronische Rezept erfasse nur einen Teil der Gesamtmedikation des Patienten: Der Bereich der Selbstmedikation werde damit aber nicht abgedeckt.
Diener stützt sich auf ein Gutachten der Debold & Lux Beratungsgesellschaft vom vergangenen Mai zu Wirtschaftlichkeitsreserven des elektronischen Rezepts: Danach würde sich die Einführung des E-Rezepts ohne Arzneimitteldokumentation nicht amortisieren. Nur durch einen Verbund ließe sich das jährliche Netto-Einsparpotenzial von mehr als 400 Millionen Euro erreichen.
Der Ärzteschaft ist das relativ egal: "Warten auf den Arzneimittelpass bringt uns gar nichts", machte Dr. Rainer Hess, Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Druck. "Wir haben große Probleme mit der Telematik." Ohne Telematik könnten keine Disease-Management-Programme umgesetzt werden. "Aber wir sind noch gar nicht dafür gerüstet. Wir brauchen das elektronische Rezept und zwar schnell." Den Kassen kommt diese Forderung gelegen: Noch in diesem Jahr, kündigte VdAK-Chef Herbert Rebscher auf dem Kongress an, sollen die ersten Projekte für das elektronische Rezept anlaufen. Wenn dies erfolgreich sei, könnte das E-Rezept in drei bis fünf Jahren flächendeckend eingeführt werden.
Die ABDA favorisiert dagegen einen Modellversuch mit dem von ihr entwickelten Arzneimittelpass-Prototypen. Geeignete Regionen wären Wolfsburg oder Trier, so Diener. Wie es weitergehen soll, ist ungewiss. Das Aktionsforum Telematik im Gesundheitswesen (ATG) hat jetzt einen Kompromissvorschlag vorgelegt: Danach soll es weder eine reine Kartenlösung geben noch den von den Kassen gewünschten zentralen Server. Gedacht ist an eine neue Krankenversicherten-Karte mit vielen freiwilligen Elementen. Darüber soll nun diskutiert werden.
Hinterfragt werden müssen aber auch die zahlreichen rechtlichen Änderungen, die erforderlich sind, um überhaupt die Rahmenbedingungen für telematische Anwendungen zu schaffen. Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium hat jetzt ein Gutachten über offene rechtliche Fragen und Lösungsmöglichkeiten in Auftrag gegeben. Dieses wird voraussichtlich Ende Juni vorliegen. "Die Praxis zeigt, dass telematische Anwendungen mit bereichsspezifischen Regelungen bei der Gesundheitsversorgung oft nicht in Einklang gebracht werden können", erläuterte Rechtsanwalt Dr. Christian Dierks von der Deutschen Gesellschaft für Medizinrecht. Ein Beispiel sei der § 300 SGB V, der noch von einem Verordnungsblatt in Papierform ausgehe. Problematisch werde es auch, wenn sich ein Patient mit dem E-Rezept nicht einverstanden erkläre und das Rezept auf herkömmliche Weise haben wolle: "Für den müsste dann alles doppelt vorgehalten werden."
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