Katastrophen aus Geldmangel |
12.03.2001 00:00 Uhr |
INFEKTIONEN
Angesichts immer wieder neuer Infektionskrankheiten darf die öffentliche Gesundheitsvorsorge - auch in Deutschland - nicht vernachlässigt werden. Das forderten Experten aus Politik, Medizin und Pharmaindustrie bei einer Podiumsdiskussion in Berlin.
Professor Reinhard Kurth, der Leiter des Berliner Robert-Koch-Instituts (RKI), bezeichnete Prävention als "das billigste Instrument um Infektionskrankheiten zu verhindern. Wo kein öffentlicher Gesundheitsdienst existiert, wo keine Prävention durchgeführt wird, kommt es zu medizinischen Katastrophen", wie sie seit Jahren in den Entwicklungsländern zu beobachten seien.
In den vergangenen 30 Jahren, so berichtete der RKI-Chef, seien 50 neuartige Infektionskrankheiten aufgetreten und altbekannte Krankheiten würden eine Renaissance erleben. Man könne heutzutage keinesfalls von einem Verschwinden der Seuchen sprechen. Nur durch eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes und der Prävention (sauberes Trinkwasser, Abwasserbeseitigung, Verfügbarkeit von Arzneimitteln) in armen Ländern werde man die neuartigen Infektionskrankheiten eindämmen können.
Was andererseits passiere, wenn ein funktionierendes Gesundheitssystem wegen Geldmangel degeneriere, könne man derzeit in Ost-Europa sehen, sagte Kurth. Gerade Deutschland als Land der Reiseweltmeister sei anfällig für eingeschleppte Infektionskrankheiten.
Peter Firmenich von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" übte Kritik an der Pharmaindustrie, die in armen Ländern Medikamente nicht billiger verkaufe. So seien etwa Aids-Medikamente in der Dritten Welt unbezahlbar. Firmenich: "Es stehen Geschäftsinteressen gegen das Menschenrecht auf Gesundheit."
Aids-Präparate helfen in den betroffenen Ländern wenig, wenn das medizinische System fehlt, das die Versorgung trägt, entgegnete Cornelia Yzer, Hauptgeschäftsführerin des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller.
RKI-Chef Kurth sagte dagegen, dass man nicht über Jahre hinweg die Entwicklungshilfe kürzen dürfe und dann wegen fehlender Strukturen keine Medikamente liefern wolle. Natürlich sei Infrastruktur kein Vorwand dafür, Arzneimittel nicht zu liefern, räumte Yzer ein. Man dürfe sich aber mit Arzneimitteln auch nicht einfach "freikaufen". Die lokale Verwendung der Produkte müsse sichergestellt sein. Deshalb seien gemeinsame Projekte von Regierungen und Pharmaindustrie wichtig.
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