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03.03.1997  00:00 Uhr

- Politik

Govi-Verlag

Einigkeit über Selbstmedikation in der EU


Die europäischen Vertretungen von Ärzten, Apothekern und pharmazeutischer Industrie haben in Brüssel ein gemeinsames Dokument vorgestellt, in dem einheitliche Richtlinien für die Selbstmedikation in den EU-Staaten festgeschrieben sind.

Das Dokument definiert Selbstmedikation als eigenverantwortliche Einnahme von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln mit beratender Unterstützung durch die Apotheker oder andere Heilberufler. Ausdrücklich wird erwähnt, daß Selbstmedikation nur zur symptomatischen Behandlung leichter Erkrankungen geeignet sei und eine Diagnose nur durch den Arzt erfolgen könne. Selbstmedikation sei auf die Dauer von drei bis sieben Tagen zu begrenzen, bei länger anhaltenden Beschwerden müsse in jedem Fall ein Arzt konsultiert werden. Außerdem müsse die Werbung für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel den jeweiligen nationalen Richtlinien entsprechen.

Weiterhin weist das Papier darauf hin, daß Selbstmedikation bei schweren Schmerzen, zu erwartenden Wechselwirkungen mit anderen eingenommenen Arzneimitteln und gleichzeitig bestehenden psychiatrischen Problemen ungeeignet sei. Bei Kindern und stillenden oder schwangeren Frauen sei besondere Aufmerksamkeit notwendig. Zu den für die Selbstmedikation geeigneten Indikationen gehören nach Ansicht von Ärzten, Apothekern und Industrie: Husten und Erkältung, allergische Rhinitis, Durchfall und Erbrechen, Hämorrhoiden, Sonnenbrand sowie leichte Schmerzen und moderate Hautprobleme.

Abgabe durch den Apotheker unverzichtbar

Vertreter der Apotheker, Ärzte und Industrie betonten, das Papier werde von allen Parteien getragen, verantwortungsvolle Selbstmedikation sei nur möglich, wenn alle Beteiligten zur Kooperation und zum Informationsaustausch bereit seien. Gérard Lupus, Präsident der Pharmazeutischen Gruppe in der Europäischen Union (PGEU), stellte fest, sichere Selbstmedikation erfordere in jedem Fall die qualifizierte Abgabe der Arznei durch den Apotheker.

Auch die Ärzte sehen keine risikolose Alternative zum Vertriebsweg Apotheke. Cormac Macnamara, Präsident der europäischen Vereinigung der Allgemeinmedziner warnte davor, Arzneimittel im Supermarkt oder an der Tankstelle zu verkaufen. Hier seien Medikamentenmiß- oder -fehlgebrauch programmiert. Die sichere Arzneimittelabgabe sei nur in der Apotheke gewährleistet.

Professor Dr. Ernst-Dietrich Ahlgrimm, stellvertretender PGEU-Präsident betonte, bei der Selbstmedikation nehme der Apotheker eine zentrale Rolle ein, die von ihm weitreichende Fähigkeiten bei der Beratung der Patienten erfordere. Deshalb habe der beratende Ausschuß bei der EU initiiert, daß bei der pharmazeutischen Ausbildung in allen Mitgliedsstaaten die Bereiche Kommunikation und Pharmakologie in Zukunft stärker berücksichtigt werden. Das gemeinsame Dokument der drei Parteien sei ein wesentlicher Schritt, einen EU-einheitlichen Standard für die Selbstmedikation aufzubauen, so Ahlgrimm weiter. Im nächsten Schritt sollten auch die Verbraucher- und Patientenorganisationen in den Prozeß einbezogen werden.

Patienten: Selbstmedikation kein Kostendämpfungsinstrument

Die anwesenden Vertreter dieser Organisationen begrüßten eine Förderung der Selbstmedikation im Grundsatz, weil sie die Eigenverantwortlichkeit des Patienten stärke. Das Bild vom passiven Kranken als ein Objekt medizinischer Behandlung sei obsolet, betonte Christina Funnell von der britischen Vereinigung zur Qualitätssicherung im Gesundheitswesen. Heute wüßten viele Menschen sehr genau über ihre Erkrankung Bescheid, sie bräuchten Ärzte und Apotheker vor allem als Partner und nicht als Autoritäten. Gleichzeitig warnten sie und andere Patientenvertreter aber davor, die Selbstmedikation als reines Kostensenkungsinstrument zu mißbrauchen.

Selbstmedikation könne nur dann sicher und effizient sein, wenn die Menschen in der EU ausreichend über die einzunehmenden Arzneimittel informiert seien, so Funnell weiter. Zusammen mit anderen Patientenvertretern kritisierte sie die für Laien schwer verständlichen Beipackzettel. Hierbei versprach Hugues Lanrezac, Präsident des europäischen Verbandes der Arzneimittelhersteller, Abhilfe. Es sei das erklärte Ziel der Industrie, Beipackzettel so zu gestalten, daß der Patient eine Arznei auch ohne Erläuterungen von Arzt oder Apotheker einnehmen könne.

Bei den europäischen Behörden und Politikern stößt die Selbstmedikationsvereinbarung auf viel Sympathie. Die stellvertretende Präsidentin des Europäischen Parlaments, Ursula Schleicher (EVP/CSU), bezeichnete die Erklärung zur Selbstmedikation als einen Beitrag zur Sicherstellung eines hohen Gesundheitsschutzes. Erstmalig hätten sich damit die drei wichtigen Gruppen im Gesundheitsbereich auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt, das den Bürgern mehr Verantwortung für ihre eigene Gesundheit übertrage. Mehr Selbstmedikation bedeute auch mehr Verantwortung für die eigene Gesundheit, sagte Pádraig Flynn, Mitglied der EU-Kommission. Dies stehe im Einklang mit dem EU-Programm zur Förderung des Gesundheitszustandes der Menschen in den Mitgliedsstaaten.

PZ-Artikel von Daniel Rücker, Brüssel

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