Politik
Dienstleistung
sorgt für Individualität
"Auch gegen Ende
dieses Jahres sind die gesundheitspolitischen und
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weitestgehend
unklar." Der Präsident der
Landesapothekerkammer Hessen, Jürgen Funke,
eröffnete den 6. Hessischen Apothekertag am
vergangenen Wochenende in Gießen nicht gerade
mit Worten, die die Apotheker aufatmen lassen.
Für viele hänge die Zukunft von politischen
Entscheidungen ab, die das ärztliche Budget und
die Selbstverwaltung von Krankenkassen betreffen.
Welche Gegenakzente die Apotheker setzen können,
darüber informierten sich rund 600 in Gießen.
Eine Reihe von guten Ansätzen lieferten
die ABDA-Thesen, sagte Funke. Sie formulieren,
wie die apothekerliche Kompetenz in das
Gesundheitswesen einzubinden ist. Verschiedene
Dienstleistungen anzubieten, ist eine weitere
Möglichkeit, sich eine gute Visitenkarte zu
verschaffen. "Mit Dienstleistung ist die
Individualisierung und Spezialisierung der
Apotheke verbunden." Betreuungsoffensiven
können beispielsweise für Allergiker,
Asthmatiker oder Diabetiker gestartet werden. In
der Spezialisierung liege die Stärke der
Apotheke. Der Mensch brauche die individuelle
Ansprache; die bekomme er in der Offizin.
Auf den Einwand "Diabetiker-Apotheke? Da
kommen ja nur noch die Diabetiker hin"
entgegnete Funke: Schulungen für Pen-Patienten,
Handzettel für Kurse an der Volkshochschule oder
eine extra Ecke für die Beratung von
Zuckerkranken störten keineswegs den allgemeinen
Betrieb in der Offizin. Im Gegenteil: Es bewirke
einen Imagegewinn, da es auch andere Kunden
neugierig mache.
Werbefreiheit für Apotheker: Mehr Steine als
Brot?
Rechtsanwalt Ulrich Laut, Geschäftsführer Recht
und Verwaltung der LAK Hessen, referierte über
die Werbemöglichkeiten für Apotheker und wies
auf die Tücken des Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 22. Mai
1996 hin. Eines vorweg: Die Aufgabe des BVerfG
war nicht, die Stellung der Apotheker im Gefüge
der Heilberufe hervorzuheben. Die Aufgabe war
vielmehr nachzuforschen, ob die Werbeverbote in
den Berufsordnungen mit den Grundrechten, vor
allem mit dem Grundrecht der
Berufsausführungsfreiheit, vereinbar sind.
Für das BVerfG seien Werbeverbote immer an
folgender Überlegung zu messen: Die Menschen
müssen darauf vertrauen können, daß die freien
Berufe wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Apotheker
nicht vom Gewinnstreben geleitet werden, nicht
rein wirtschaftlich ausgerichtet sind. Im Falle
der Apotheker muß die optimale Versorgung der
Bevölkerung mit Arzneimitteln im Vordergrund
stehen. Deshalb hat das BVerfG entschieden, daß
Werbeverbote für Apotheker dann gegen das
Grundrecht der Berufsfreiheit verstoßen, wenn
bestimmte Werbeträger ohne Rücksicht auf den
Inhalt der Werbung von vornherein verboten
werden.
Das bedeute aber nicht, daß Werbung in Zeitungen
generell zulässig sei, mahnte Laut. Denn: Jede
Werbeaussage müsse nun einzeln auf ihre
Seriosität hin abgeklopft werden. Ob eine
Werbung übertrieben erscheint, lasse sich nur
aus "einer Gesamtschau" von
Werbeträger, Werbeaussage unter
Berücksichtigung von Gestaltung und Häufigkeit
der Werbung entscheiden. Das BVerfG ist der
Meinung, daß Apotheker werben dürfen, solange
dies nicht übertrieben und marktschreierisch
ist. Schließlich seien die Apotheker auch
Kaufleute, und deshalb dürften sie sich beim
Randsortiment der Methoden bedienen, die anderen
Kaufleuten auch zustehen. "Da die Grenze
seriös/übertrieben auch für Juristen äußerst
schwer zu erkennen ist, liegt der Schluß nahe,
daß mit dieser Entscheidung mehr Steine als Brot
verkauft worden sind", kommentierte Laut.
PZ-Artikel von Elke Wolf, Gießen
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