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Keine Sternstunde

10.11.2003  00:00 Uhr

Keine Sternstunde

von Thomas Bellartz, Berlin

Wieder einmal hat es die Zeitschrift „Stern“ geschafft, Apothekerinnen und Apotheker auf die Palme zu bringen. Der auf den ersten Blick tief gehende Beitrag der vergangenen Woche erweist sich als schwach recherchiert und offenbart viele inhaltliche Fehler.

Wo die inhaltlichen Schwächen und die vermeintlichen Insiderkenntnisse herrühren, offenbarte bereits Ende August ein mittlerweile altbekannter Apotheker. Dietmar Frensemeyer brüstete sich am 29. August im Apothekerforum damit, er habe eine Stunde lang mit dem „Stern“-Reporter gesprochen. Es „interessiert die schon, dass wir unsere Führung jetzt konsequent weghaben wollen“. Frensemeyer hat anscheinend dem dankbaren Reporter das Futter aus Halbwahrheiten geliefert und freute sich diebisch: „Darüber werden die berichten.“

Der Autor – Jürgen Steinhoff – beschreibt, dass sich in den Laboren „oft Zusatzgeräte wie Bratpfannen, Kochtöpfe, Kochlöffel, Teller, Messer, Gabeln“ fänden. Freilich bleibt Steinhoff schuldig, in wie vielen oder gar welchen Apotheken dies der Fall sei. Zahlen, Daten oder Fakten? Fehlanzeige.

Er behauptet, Apotheker würden ihr Lager „so knapp wie möglich halten“. Würde dies stimmen, dann hätten sie – bis auf einige Schnelldreher – faktisch keines, würden keine Kommissionierer kaufen oder überhaupt nur Schubladen ziehen. Denn jede Lagerhaltung erfordert eine Investition. Wenige Zeilen später schreibt er dann doch noch unverhofft von der „Kontrahierungspflicht“ der Apotheker. Und er bringt es auf den Punkt: Jede Apotheke habe durchschnittlich 10.000 Medikamente auf Lager.

Die Selbstständigkeit ist – anders als Steinhoffs Einschätzung – heutzutage kein Kinderspiel mehr. Startkredite von Großhändlern sind ein Märchen aus der Vergangenheit – von Finanzierungen durch Banken ganz zu schweigen.

Steinhoff berichtet beispielsweise über die Preise von Medikamenten. Die allerdings definiert, besonders wenn von der GKV erstattet, kein Apotheker, sondern der Hersteller und an dessen Seite mitunter auch der Gesetzgeber.

Ganze sechs Apotheken besuchten die angeblichen Tester des „Stern“, um die mangelnde Beratung aller deutschen Apotheken zu manifestieren und auf der Titelseite mit „Vorsicht, Apotheker!“ aufzumachen. Zuvor bezieht sich Steinhoff auf Untersuchungen der Beratungsqualität, die noch vor der deutschen Einheit stattfanden und vergleicht diese mit mehr als zwei Jahre alten Ergebnissen. Und so kommt Steinhoff zum Schluss, die neue Honorierung sei nicht besser als die alte Arzneimittelpreisverordnung. Schließlich werde die Beratung honoriert, und die sei schließlich schlecht. Überhaupt mache es nichts, wenn es ein Apothekensterben gebe. Wenngleich er angesichts dann noch mehr arbeitsloser Menschen die Meinung von ABDA-Präsident Hans-Günter Friese, die GKV habe kein Ausgaben- sondern ein Einnahmeproblem, als fragwürdig darstellt.

Wirklich durchschaut hat er nicht die Loslösung der Apotheke vom Großhandel und dessen Rabatten. Und er behauptet, ganz nebenbei, in den USA seien Medikamente „zehnmal billiger“ als in Deutschland. Dabei sind die Preise jenseits des Atlantiks um ein Vielfaches höher, die Medikamentenausgaben erheblich teurer als in Deutschland.

Bei der ABDA in Berlin reagierte man trotz der Polemik relativ gelassen. Steinhoffs Beitrag war angekündigt, seit Wochen schon die negative Tendenz bekannt. Denn der Autor hatte dies mehrfach angekündigt – bevor er seine Recherchen abgeschlossen hatte. Top

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