Niederländer gehen neuen Weg |
07.11.2005 00:00 Uhr |
Während sich CDU und SPD noch über Bürgerversicherung und Gesundheitsprämie streiten, machen die Niederländer Nägel mit Köpfen. Ab Januar wird die Krankenversicherung verändert. Die bisherigen Versicherungen werden ungültig. Der Unterschied zwischen gesetzlicher und privater Versicherung wird abgeschafft.
Alle Menschen, die in den Niederlanden wohnen und dort lohn- oder einkommenssteuerpflichtig sind, müssen ab dem 1. Januar 2006 eine individuelle Krankenversicherung abschließen. Kinder unter 18 Jahren sind bei ihren Eltern kostenfrei mitversichert. Von der Versicherungspflicht ausgenommen sind Zivil- und Wehrdienstleistende. Die Krankenversicherer sind verpflichtet, jeden Interessenten zu einer einheitlichen Prämie in die neue Krankenversicherung aufzunehmen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Gesundheit.
Das neue Gesetz hat folgendes Grundprinzip: Eine einheitliche Basisversicherung wird die Kosten der Grundversorgung abdecken. Das neue Basispaket stimmt im Wesentlichen mit dem derzeitigen gesetzlichen Versicherungsschutz überein. Ein Paket mit weiteren Wahlmöglichkeiten sichert kostenpflichtig zusätzliche Leistungsansprüche ab. Die Prämie hängt vom Umfang des gewünschten Zusatzpakets ab. Da sich die einzelnen Anbieter in Qualität, Service und Prämie unterscheiden, muss jeder Niederländer die für ihn geeignete Krankenversicherung auswählen.
Jedem Niederländer steht es frei, bei seiner bisherigen Versicherung zu bleiben oder zu einer anderen zu wechseln. Die Krankenversicherer müssen ihren Versicherten vor dem 16. Dezember ein neues Angebot, gegebenenfalls mit weiteren Zusatzversicherungen, machen. Ab dem kommenden Jahr wird es zwei Hauptformen der Krankenversicherungspolicen geben: die »Naturapolice« (das Basispaket) und die »Restitutiepolice«, die der früheren Privatversicherung gleicht. Die Naturapolice entspricht der derzeitigen gesetzlichen Krankenversicherung. Das Basispaket oder Basisangebot deckt alle Kosten für die Hausärzte, den Krankenhausaufenthalt, die zahnärztliche Grundversorgung, Hilfs- und Heilmittel, den Krankentransport und die medizinische Versorgung durch Physiotherapeuten, Logopäden, Ergotherapeuten und Diätberater ab.
Bereits beim Basistarif kann sich der Versicherte für eine Eigenbeteiligung zwischen 100 und 500 Euro pro Jahr entscheiden. Jeder Versicherungsnehmer wählt, welches Risiko er selbst tragen möchte, und abhängig von der Eigenbeteiligung sinkt die monatliche Versicherungsprämie.
Jede Krankenversicherung schließt mit den Leistungsanbietern Verträge ab und rechnet direkt mit diesen ab. Jeder über die Naturapolice Versicherte kann alle Dienstleister seines Anbieters aufsuchen. Wenn der Versicherte ein Krankenhaus oder einen Arzt wählt, mit dem kein Vertrag besteht, erstattet die Versicherung möglicherweise nicht alle Kosten. Die zweite Form der Police ist die so genannte Restitutiepolice. Sie stimmt weitgehend mit den Privatversicherungsregelungen überein. Jeder Versicherte kann sich auch für diese Police entscheiden.
Die Prämie der neuen Krankenversicherung besteht aus zwei Teilen: Zum einen aus der Prämie, die an die Krankenversicherung zu bezahlen ist. Diese muss jeder Niederländer über 18 Jahre im Rahmen des gesetzlichen Basispakets bezahlen. Die Höhe ist vom Krankenversicherer, dem Leistungsumfang und der Höhe der Selbstbeteiligung abhängig. Schätzungen gehen bei einer Versicherung ohne Zusatzleistungen von einer Durchschnittsprämie von 1100 Euro pro Jahr aus.
Außerdem muss jeder, der ein Einkommen hat, an die Steuerbehörde einen einkommensabhängigen Beitrag für die Krankenversicherung zahlen. Dieser beträgt 6,5 Prozent des Einkommens und soll bis zu einer Grenze von etwa 30.000 Euro erhoben werden. Der Arbeitgeber oder die Auszahlungsinstanz sind verpflichtet, den Arbeitnehmern den Beitrag vollständig zu vergüten. Vom möglichen sonstigen Einkommen müssen 4,4 Prozent an die Steuerbehörde gezahlt werden. Unternehmer erhalten von der Steuerbehörde eine Beitragsschätzung.
Beihilfe beantragen
Vor allem für bisher Pflichtversicherte wird die zukünftige Prämie höher sein als jetzt. Daher wird es einen Versorgungszuschlag geben, der als Beihilfe zur Krankenversicherung gedacht ist und abhängig von persönlicher Situation und Einkommen bezahlt wird. Dadurch soll die neue Krankenversicherung für jeden bezahlbar bleiben. Wer für eine staatliche Beihilfe infrage kommt, hat von der zuständigen Steuerbehörde ein Antragsformular erhalten.
Alle Berechtigten sollen die erste monatliche Beihilfezahlung bereits Ende Dezember erhalten, also noch bevor die erste Prämie bezahlt werden muss. Die Beihilfe für 2006 kann noch bis zum April 2007 beantragt werden. Alleinstehende haben bis zu einem Nettoeinkommen von maximal 25.000 Euro im Jahr Anspruch auf maximal 400 Euro Beihilfe. Personen aus einem Mehrpersonenhaushalt mit einem gemeinsamen Nettoeinkommen von maximal 40.000 Euro jährlich bekommen maximal 1150 Euro.
Zeitplan steht
Das neue Gesetz tritt am 1. Januar 2006 in Kraft. Es schreibt enge zeitliche Grenzen vor, in denen sich der Einzelne für eine neue Krankenversicherung entscheiden muss. Das Angebot der bestehenden Krankenversicherung ist bis zum 1. März 2006 gültig. Bis dahin kann jeder Niederländer die Versicherung kündigen, wenn er sich für einen anderen Anbieter entschieden hat. Wer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf das Angebot seiner Krankenversicherung reagiert hat, bleibt bei seiner Kasse pflichtversichert.
Auch muss die Kasse Zusatzversicherungen akzeptieren. Diese Regelung sorgt dafür, dass jeder Inländer versichert ist. Wer mit dem Angebot seiner Versicherung nicht einverstanden ist, muss sich bis. Mai einen neuen Versicherer suchen. In den Informationsbroschüren wird mehrfach darauf hingewiesen. Wer bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht versichert ist, kann bestraft werden. Die gewünschten Zusatzleistungen kann der Versicherte bei einer anderen Versicherungsgesellschaft abschließen.
Wer in einem Jahr keine Kosten verursacht hat, erhält 255 Euro zurück;
wer geringere Kosten als 255 Euro verursacht hat, erhält die Differenz
nach Ablauf des Jahres. Besuche beim Hausarzt, die Inanspruchnahme der
Geburtshilfe oder Kreissaalkosten fallen nicht unter diese Regelung. Für
Kinder unter 18 Jahren gilt die Rückerstattungsregelung nicht.
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