Keine Belastung für Arbeitgeber |
01.11.2004 00:00 Uhr |
Die Belastung der Arbeitgeber durch deren Beteiligung an den Gesundheitskosten ist eine der häufigsten Begründungen für Gesundheitsreformen. Ein von der Techniker Krankenkasse (TK) vorgestelltes Gutachten widerlegt jetzt den Zusammenhang zwischen der Höhe der Gesundheitskosten und der Beschäftigungsentwicklung.
Den Autoren der Studie zufolge bezahlten die Arbeitgeber 41 Prozent der insgesamt 283 Milliarden Euro, die im Jahr 2000 für gesundheitliche Belange ausgegeben wurden. Damit waren etwa zehn Prozent der Arbeitskosten auf die Beiträge der Arbeitgeber zu den Gesundheitsausgaben zurückzuführen. Konzipiert wurde die Untersuchung vom Berliner Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) gemeinsam mit dem Augsburger BASYS-Institut für die TK.
Die größten Posten bildeten dabei mit 39 Prozent die Beitragszahlungen zur Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie mit 31 Prozent die Lohnfortzahlungen. Gemessen an den Gesamtkosten der Unternehmen, also dem Produktionswert, machte die gesundheitsbezogene Arbeitgeberbelastung rund drei Prozent aus. Bei den Betrieben des Gesundheitssektors lag dieser Wert mit sechs Prozent deutlich über dem Durchschnitt.
Kein Zusammenhang erkennbar
Einen Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Gesundheitskosten und den Beschäftigungszahlen konnte der Direktor des IGES-Instituts, Professor Dr. Bertram Häussler, nicht erkennen: „Zwischen 1995 und 2000 haben alle Kostengrößen stärker zugenommen als die gesundheitsbedingten Belastungen der Arbeitgeber. Damit hat das Gesundheitssystem den Anstieg der Arbeitskosten sogar abgebremst.“
In fünf unterschiedlichen Branchen hatten die Wissenschaftler die Entwicklungen detailliert untersucht und keine Beziehung der untersuchten Kenngrößen festgestellt. So waren in der Textilindustrie zwar die Arbeitskosten um 16 Prozent gesunken, doch auch die Beschäftigungszahlen entwickelten sich im Untersuchungszeitraum rückläufig. Andererseits wuchs im Gesundheitssektor trotz steigender Arbeitgeberbelastungen der Arbeitsmarkt um etwa 15 Prozent. Die Entwicklung der Beschäftigungszahlen scheint demnach von anderen Faktoren abzuhängen, schlussfolgerten die Gutachter.
Kein Einfluss auf Konkurrenzfähigkeit
Auch das gerne vorgebrachte Argument, der Wirtschaftsstandort Deutschland sei auf Grund seiner hohen gesundheitsbedingten Arbeitgeberbelastung nicht konkurrenzfähig, widerlegten die Wissenschaftler. Im internationalen Vergleich lag Deutschland unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei der Finanzierung des Gesundheitswesens hinsichtlich des Anteils der Arbeitgeberbelastung am Produktionswert im Mittelfeld. So sei etwa das bessere Abschneiden Großbritanniens auf die insgesamt geringeren Ausgaben und die Steuerfinanzierung des Systems zurückzuführen. In Polen sei vor allem das niedrigere Lohnniveau für die geringere Arbeitgeberbelastung verantwortlich. In Frankreich und den Niederlanden lag der Anteil sogar höher, in den USA genauso hoch. Die Kosten der Gesundheitsversorgung sind in allen untersuchten Ländern stärker gestiegen als in Deutschland.
Einen Zusammenhang zwischen den Gesundheitskosten der Arbeitgeber und der Entwicklung der Beschäftigung konnten die Gutachter in keinem Land feststellen. Die gesundheitssystembedingte Arbeitgeberbelastung beinhalte kein großes Potenzial zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, lautete daher ihre Schlussfolgerung. In ihren Berechnungen attestierten sie darüber hinaus der aktuellen Gesundheitsreform eine maximale Reduktion der Arbeitskosten um 0,7 Prozent.
Demgegenüber mahnten die Wissenschaftler explizit eine effizientere Gestaltung des Gesundheitswesens an. Insbesondere die Anstrengungen zur wirtschaftlicheren Gestaltung des Leistungsgeschehens dürften nicht nachlassen, schlossen die TK-Gutachter.
Der Vorstandsvorsitzende der TK, Professor Dr. Norbert Klusen, forderte die Politik auf, Entscheidungen nicht länger auf der Grundlage falscher Annahmen zu treffen. Klusen: „Deutschland hat ein leistungsfähiges Gesundheitssystem, das wir trotz des erheblichen Reformbedarfs erhalten müssen. Der Weg kann nicht sein, in der Hoffnung auf mehr Beschäftigung wichtige Leistungen der Kassen zu streichen.“
Arbeitgeber widersprechen
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände wies die Schlussfolgerungen aus der Studie zurück und kritisierte die Berechnungsmethode. Es dränge sich der Verdacht auf, dass durch die Wahl der Bezugsgröße „Produktionswert“ die Arbeitgeberbelastung bei den Gesundheitskosten „verniedlicht werden soll“, hieß es in einer BDA-Stellungnahme. Diese Berechnungsbasis sei als Maßstab ungeeignet, da auch Vorleistungen, Abschreibungen, Subventionen und indirekte Steuern darin enthalten seien. Üblich sei, das Bruttoinlandsprodukt oder das Volkseinkommen für solche Berechnungen zu Grunde zu legen.
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