Deutscher Apothekertag
1996
Bergmann-Pohl:
Apotheken gut,
aber nicht teuer
Bei ihrem Vorhaben, die
stationäre Therapie auf das Notwendige zu
begrenzen, setzt die Bundesregierung auf die
Unterstützung durch die Apotheker. Der Grundsatz
"soviel stationär wie nötig und soviel
ambulant wie möglich" eröffne den
öffentlichen Apotheken neue Chancen, ihr
pharmazeutisches Wissen einzubringen, sagte Dr.
Sabine Bergmann-Pohl auf der
Eröffnungsveranstaltung des Deutschen
Apothekertages. In ihrer Behörde werde zur Zeit
in Anlehnung an Pharmaceutical Care an einem
"pharmazeutischen Paket" gearbeitet, so
die Parlamentarische Staatssekretärin im
Gesundheitsministerium.
Es sehe vor, die bewährte Abgrenzung
zwischen stationärer und ambulanter
Arzneimittelversorgung beizubehalten, auch bei
einer Ausgliederung von Pflegestationen vom
stationären in den ambulanten Bereich.
Allerdings dürfen die in Krankenhausambulanzen
verwendeten Rezepturarzneimittel in begründeten
Ausnahmefällen auch von der Krankenhausapotheke
hergestellt werden. Die öffentlichen Apotheken
erhalten durch eine Änderung der
Arzneimittelpreisverordnung die Möglichkeit,
Rezepturen zum gleichen Preis wie
Krankenhausapotheken abzugeben.
Außerdem sei geplant, enge Kooperationen
zwischen auf die Herstellung von Zytostatika
spezialisierten Apotheken und Onkologen
zuzulassen, so Frau Bergmann-Pohl weiter. Dann
entspreche das Niveau der ambulanten Behandlung
der Therapie im Krankenhaus. Bei der
Arzneimittelversorgung von Altenheimen sollen
Apotheker nach den Vorstellungen des Ministeriums
in Zukunft stärker Pharmaceutical Care
betreiben, also Bewohner und Personal über die
richtige Einnahme und die sachgerechte Lagerung
von Arzneimitteln informieren.
Gute Noten für die Apotheker
Die Staatssekretärin wandte sich strikt
gegen Änderungen der bewährten
Arzneimitteldistribution, wie sie etwa von den
Krankenkassen gefordert werden. "Unsere
Arzneimittelversorgung in der Eigenverantwortung
freiberuflicher Apotheker gehört zu den besten
der Welt und, wie Vergleiche ergeben haben, nicht
zu den teuersten, so Bergmann-Pohl. Weder
Versandhandel noch eine Aufhebung des Fremd- und
Mehrbesitzverbotes haben die Sympathie der
Bundesregierung.
Ein Herausbrechen einzelner Teile aus dem
Versorgungsauftrag der Apotheker, etwa die
Versorgung chronisch Kranker, bringe den Kassen
nur vordergründig eine finanzielle Entlastung,
denn in der Konsequenz müßten die Versicherer
neue teuere Verwaltungsstrukturen aufbauen, um
die übernommenen Aufgaben zu bewältigen. Es sei
deshalb nicht vorstellbar, daß Krankenkassen
Arzneimittel kostengünstiger distribuieren
könnten als Apotheken.
Ebenso kurzsichtig sei die Forderung, das Fremd-
und Mehrbesitzverbot aufzuheben. Durch
Apothekenketten werde die Arzneimittelversorgung
stärker kommerzialisiert und die
flächendeckende Versorgung gefährdet. Ketten
würden sich auf die einträglichen
Geschäftslagen konzentrieren und die Apotheken
in dünner besiedelten Gebieten in finanzielle
Schwierigkeiten bringen.
Der gesundheitspolitische Auftrag, die sichere
Arzneimittelversorgung zu gewährleisten, stelle
höhere Anforderungen als ein rein
profitorientierter Anbieter leisten könne. Dies
werde von den Kassen und auch von Großhandel und
Industrie verkannt. Das Konzept der Apotheker,
ihr pharmazeutisches Wissen in den Vordergrund zu
stellen, werde vom Ministerium begrüßt.
Die Vorschläge der ABDA zur Modifikation der
Arzneimittelpreisverordnung bezeichnete Frau
Bergmann-Pohl als sehr konstruktiv. Die
Anregungen zur Drehung der Zuschläge und zur
Einführung der festbetragsgruppenspezifischen
Festzuschläge dokumentierten den Willen der
Apotheker, eine eigenständige und
verantwortungsvolle Rolle im Gesundheitswesen
einzunehmen. Die positive Reaktion von
Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer bedeute
jedoch keine uneingeschränkte Zustimmung, sagte
die Staatssekretärin. Ziel der Bundesregierung
sei es, auf diesem Gebiet einen Konsens mit den
Marktbeteiligten zu erreichen. Sie forderte die
ABDA dazu auf, bei Großhandel und Industrie für
ihr Konzept zu werben.
Artikel von der PZ-Redaktion
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