Politik
Reaktionen auf die
festgeschriebenen Eckpunkte
Die dritte Stufe der
Gesundheitsreform sieht keine gesetzgeberischen
Eingriffe in die Arzneimittelversorgung vor.
Modellversuche auf diesem Gebiet müssen sich
weiterhin an die bestehenden gesetzlichen
Rahmenbedingungen orientieren. Darauf haben sich
Union und Liberale in einem Eckpunktepapier
verständigt. Dagegen sind bedeutende
Veränderungen bei der gesetzlichen
Krankenversicherung geplant. Die Krankenkassen
sollen ihren Leistungskatalog künftig stärker
in eigener Regie ausgestalten können.
Zu den möglichen
Gestaltungsleistungen" der
gesetzlichen Krankenversicherung gehören unter
anderem häusliche Krankenpflege, die Höhe der
Fahrtkosten mit Ausnahme der Notfallrettung sowie
Leistungen bei Kuren und Rehabilitation. Die
Krankenkassen sollen nach dem Willen der
Koalition im Rahmen ihrer Satzung das Recht
erhalten, Leistungen über den gesetzlichen
Rahmen hinaus zu erweitern. Es werden Angebote
zur Prävention und Gesundheitsförderung ebenso
erlaubt sein wie ein Katalog ausgewählter
Hilfsmittel. In diesen Bereichen haben jedoch
ausschließlich die Versicherten die anfallenden
Leistungen zu finanzieren, sie werden im
Risikostrukturausgleich nicht berücksichtigt.
Beitragssatzanhebungen sollen erschwert werden.
Hier bestimmt das Gesetz zukünftig, daß in
diesem Fall zeitgleich eine höhere
Selbstbeteiligung von den betroffenen
Versicherten abzuverlangen ist: Erhöht sich der
Beitragssatz einer Kasse, steigt auch die
Patientenzuzahlung. Das würde bei der
Arzneimittelversorgung ein besonderes Gewicht
erhalten.
Union und FDP ernteten für ihre
gesundheitspolitische Initiative nahezu
einhellige Kritik. In einem gemeinsamen Statement
warfen die Spitzenverbände der Koalition vor,
nicht die Kraft zu wirklichen Reformen gefunden
zu haben. Die jetzt verabredeten
Gesetzesinitiativen belasteten einseitig die
Versicherten. Der erleichterte Kassenwechsel nach
Beitragssatzanhebungen sei kein Weg, die
explodierenden Kosten im Gesundheitswesen
einzudämmen.
Für die Sozialdemokraten bewertete
Präsidiumsmitglied Rudolf Dreßler das
Gesetzeswerk als krasse soziale
Einseitigkeit". Das Kostenrisiko im
Gesundheitswesen werde endgültig auf die Kranken
übertragen. Sparbeiträge von Ärzten sowie
pharmazeutischer Industrie seien dagegen nicht zu
erkennen. Zu den wenigen positiven Stimmen zählt
die Reaktion des Hartmannbundes. Hans-Jürgen
Thomas, Chef des freien ärztlichen
Berufsverbandes, lobte die Pläne der Bonner
Koalition. Sie entsprächen einer realistischen
Einschätzung der finanziellen Situation der
Kassen.
PZ-Artikel von Jürgen Becker, Bonn
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