Ignoranz birgt Gefahr |
22.08.2005 00:00 Uhr |
Alle Zuständigen sehen das Problem, doch fehlt der Weg, es zu bekämpfen. Und dies nicht, weil hier eine neue bedrohliche Krankheit wie die Vogelgrippe um sich greift, sondern die Ignoranz gegenüber einer Seuche, die noch lange nicht gebannt ist: Aids.
HIV ist keine Meldung mehr wert zumindest nicht als furchterregende todbringende Krankheit. Zu viel wurde bereits über das Acquired Immuno Deficiency Syndrome berichtet und von Prävention möchte nach 20 Jahren effektiver Aufklärungsarbeit auch niemand mehr lesen. Immer mehr Menschen in den Industrienationen wiegen sich mittlerweile in Sicherheit. Denn über eines ist zu lesen: Die ständig verbesserte antiretrovirale Therapie. So berichteten Forscher erst vor wenigen Wochen im Wissenschaftsmagazin »The Lancet«, dass die hochaktive antivirale Therapie (HAART) die Progressionsrate zur Aids-Erkrankung oder zum Tod verglichen mit unbehandelten Patienten um 86 Prozent senken könne.
Dieser Fortschritt in der Behandlung von HIV-Infektionen ist unbestritten ein Erfolg. Dennoch wird die Infektion dadurch nicht harmlos und heilbar ist sie auch nicht. Dies denken jedoch offenbar viele Deutsche und handeln leichtfertig oder ignorant: Die Absatzzahlen von Kondomen sinken und parallel dazu steigen laut Robert-Koch-Institut die Inzidenzraten seit Mitte 2002 wieder an, wobei immer mehr heterosexuelle Menschen betroffen sind (2004 waren es 45 Prozent). Und was kaum einem mehr bewusst zu sein scheint: »Jeden Tag sterben in Deutschland zwei Menschen an den Folgen ihrer Aids-Erkrankung«, sagte Kai-Uwe Merkenich von der Berliner Aids-Hilfe auf einer Pressekonferenz anlässlich der Reminders Day Aidsgala am vergangenen Samstag.
Nicht kopflos handeln
Mit Hilfe einer provokativen Plakat- und Werbekampagne will die Aktion »Vergessen ist ansteckend« den Deutschen das Risiko einer HIV-Infektion sowie ihre Leichtfertigkeit vor Augen halten. Als Motiv dafür dienen Paare, die ohne Kopf beim Geschlechtsverkehr abgebildet sind. Mehr Verantwortung wird allerdings auch von der Politik gefordert. In Zeiten knapper Kassen erhält die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung nicht mehr die Mittel, die vor Jahren die erfolgreichen Aufklärungskampagnen ermöglicht haben. Hier konnte das Institut Anfang des Monats allerdings die private Krankenversicherung als weiteren Geldgeber gewinnen, der die Aids-Präventionsarbeit der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung künftig mit jährlich 3,4 Millionen Euro unterstützen wird.
Andere Länder wie Australien sind in der Prävention sehr aktiv. In Thailand gibt es für die Bekämpfung von HIV und Aids sogar ein Regierungsprogramm. Innerhalb von zwölf Jahren konnte die jährliche Infektionsrate um 83 Prozent gesenkt werden. Zu verdanken ist dies auch dem Einsatz von Dr. Krisana Kraisintu, wofür die thailändische Pharmazeutin in diesem Jahr den Reminders Day Award erhält.
Sie entwickelte für die thailändische Regierung das antiretrovirale Kombinationsmedikament GPO-Vir, das Lamivudin, Nevirapin und Stavudin enthält. Dies stellt das thailändische Gesundheitsministerium seit 2002 kostenlos zur Verfügung, nachdem die jährlichen Kosten einer Behandlung mit dem Generikum nur noch 320 gegenüber ehemals 7000 US-Dollar betragen. Nach dem Erfolg mit dem Präparat, von dem die Patienten zweimal täglich eine Tablette schlucken müssen, engagiert sich die Apothekerin seit 2002 in Afrika.
© 2005 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de