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KV Hessen will Thema endlich versachlichen

16.08.1999  00:00 Uhr

-PolitikGovi-Verlag

ARZNEIMITTELBUDGET

KV Hessen will Thema endlich versachlichen

von Gisela Stieve, Frankfurt am Main

Zur Versachlichung der Diskussion über das Arzneimittelbudget hat die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Hessen in Zusammenarbeit mit IMS Health die Arzneikostenexplosion 1999 analysiert. Für Hessen sei die Lage nach den Worten des KV-Vorsitzenden Dr. Jürgen Bausch, einigermaßen ausgewogen. Er hoffe allerdings, dass keine teuren Innovationen zugelassen werden und keine neue Grippewelle im Herbst kommt. Das würde das Budget sprengen.

Das Arzneimittelbudget, das ohne Sachkenntnis und ohne Berücksichtigung der Marktbesonderheiten festgesetzt worden sei, stelle die Ärzte vor schier unlösbare Aufgaben, wenn sie ihren Versorgungsauftrag nicht massiv verletzen wollten. Die Vertragsärzte in Hessen hätten nachweislich preisbewusst und nach rationalen sowie rationellen Kriterien der Pharmakotherapie verordnet. Mit der Analyse wollten die Kassenärzte in Hessen Politik und Krankenkassen auffordern, gemeinsam über sinnvolle Wege nachzudenken, wo und wie Wirtschaftlichkeitsreserven im System ausgeschöpft werden können und dennoch die fortschrittlichen therapeutischen Konzepte für die Behandlung kranker Menschen zur Verfügung stehen.

Wenn die Kassenärzte in Hessen das Arzneimittelbudget überschreiten, haften sie mit maximal fünf Prozent des Überschreitungsbetrages. Dies könne 15.000 DM pro Arzt bedeuten. Die Ärzte könnten aber am allerwenigsten die Ursachen der Kostenexplosion beeinflussen, erklärte Bausch.

Als Haupttreibsatz für die Kostenexplosion hat Bausch Spezialpräparate ausgemacht. Die Verordnungskosten pro Tag stiegen in Hessen seit Januar 1997, als sie noch 600.000 DM betrugen, auf 900.000 DM im April 1999. Hierbei handle es sich unter anderem um onkologische Therapeutika, um die expansive Immuntherapie bei Multipler Sklerose, Hepatitis B und C sowie die Behandlung von Aids. Diese Spezialpräparate seien hochpreisig und würden das Budget sprengen, da es keine preiswerten Alternativen gebe. "So viele Ginkgotropfen und Venensalben kann man nicht weglassen, um Aids, Krebs und die Transplantationsnachsorge budgetneutral therapieren zu können", so Bausch.

Die Kostenentwicklung sei vielmehr von politischen Vorgaben negativ beeinflusst worden. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer 1998 um ein Prozent, die Senkung der Zuzahlungen bei Arznei- und Verbandmitteln und die Verbesserung der Regelung für chronisch Kranke führten zu einem Ausgabenschub von drei Prozent. Ferner sei bisher die Umsetzung der Festbetragsregelung und der Arzneimittel-Richtlinien von der Bundesregierung nicht ermöglicht worden. Dies habe zu einer weiteren Belastung der Budgetsituation für die niedergelassenen Ärzte geführt.

Die Analyse der KV Hessen zeigt nach Bauschs Worten, dass die Politik mit ihrer Global- und Sektoralbudgetierung die Ärzte in ein ethisches und rechtliches Dilemma bringt. Die Ärzte aber könnten bei innovativen Produkten, bei der Beseitigung von Versorgungsdefiziten und bei der Verordnung von Spezialpräparaten ihren Versorgungsauftrag nur dann erfüllen, wenn ihnen der notwendige Spielraum gegeben wird. Das Budget sei das falsche Instrument. Es bestrafe im Überschreitungsfall wirtschaftlich und unwirtschaftlich verordnende Ärzte gleichermaßen.Top

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