Apotheker kämpfen für die Qualität der Patientenversorgung |
31.05.1999 00:00 Uhr |
Geliebter Treffpunkt Meran: Wieder einmal lockte der Fortbildungskongreß der Bundesapothekerkammer weit über 600 Apothekerinnen und Apotheker in die Passerstadt. Doch auch hier holte sie die Diskussion um den aktuellen Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform 2000 ein.
Die sich abzeichnenden Konsequenzen für die Apotheken, aber insbesondere für die Patienten seien katastrophal, kritisierte der Präsident der Bundesapothekerkammer, Dr. Hartmut Schmall, bei der Eröffnung des 37. Kongresses am 30. Mai.
Die massive Überschreitung des Arzneimittelbudgets im ersten Quartal um 600 Millionen DM habe vorwiegend systembedingte Ursachen, stellte Schmall fest. Die daraus hochgerechnete Überziehung um 2,4 Milliarden DM im ganzen Jahr werde aber "wohl nicht eintreten". Gleichwohl werde sich das Budget - auch ohne Grippewelle wie zum Jahresbeginn - nicht einhalten lassen. "Die Ursachen dafür sind nicht bei den Leistungserbringern zu suchen".
Mit immerhin einem Prozentpunkt schlage die Mehrwertsteuererhöhung zum 1. April 1998 bei der jetzigen Budgetüberschreitung zu Buche. So werde der Staat einer der Kostentreiber in diesem Sektor. Auch die Reduktion der Patientenzuzahlung belaste die Gesetzliche Krankenversicherung - gesprochen wird von einer Entlastung der Bürger um eine Milliarde DM per anno. "Bezogen auf die zum ersten Quartalsende konstatierte 7,1prozentige Budgetüberschreitung bedeutet dies, daß in etwa die Hälfte davon auf die Verringerung der Patientenzuzahlung zurückzuführen ist!" Last but not least sei das aktuelle Budget um eine Milliarde DM niedriger angesetzt worden als 1998. Die Leistungserbringer im Arzneimittelbereich dürften aber nicht für Konsequenzen verantwortlich gemacht werden, die de facto aus diversen interagierenden Maßnahmen des Staates resultieren. Salopp formuliert könne man von Taschenspielertricks sprechen.
Der Arzneimittelbereich ist laut Schmall mit ausreichenden Steuerungsinstrumenten versehen, die die gewünschte Wirtschaftlichkeit sicher gewährleisten. Ein weiteres Ansetzen des Rotstiftes würde keine vermeintlich vorhandenen Wirtschaftlichkeitsreserven erschließen, sondern ginge einzig und allein zu Lasten der Versorgungsqualität und somit der Patienten. Man könne sich des Eindrucks nicht erwehren, daß der Patient im Mittelpunkt der Einsparbemühungen stehe.
Hart ging der BAK-Präsident mit dem angestrebten Benchmarking-Modell ins Gericht. Das Modell à la Reformentwurf bedeute keine "Orientierung am besten", sondern eine "Orientierung am Billigsten". Nach Hochrechnungen der ABDA müßten die Budgetansätze für das Jahr 2000 insgesamt um etwa 3,5 bis 4 Milliarden DM gegenüber diesem Jahr zurückgefahren werden. Da die Istausgaben jedoch geradezu zwangsläufig bis zu 2 Milliarden DM über den Ansätzen liegen werden, dürften im Jahr 2000 etwa 5,5 bis 6 Milliarden DM weniger für Arzneimittel ausgegeben werden, als in diesem Jahr voraussichtlich aufzuwenden sind. "Die Konsequenzen für uns Apotheker, aber insbesondere für die Patienten wären katastrophal."
Zudem würden die Arzneimittelausgaben auf Jahre hinaus auf dem Niveau des Jahres eingefroren werden, in dem erstmals der Durchschnittswert ermittelt wird. Regelungen zur Anpassung des Budgets, zum Beispiel aufgrund veränderter Altersstruktur, vermehrter Verordnung von Innovationen oder von Spezialpräparaten, seien nicht vorgesehen. Damit werde die Arzneimittelversorgung in Deutschland abgekoppelt von der internationalen Entwicklung. "Der Fortschritt bleibt außen vor."
Schmall sicherte den Kollegen in Meran zu: "Wir werden uns in den nächsten Wochen mit allen Mitteln dafür einsetzen, daß dieses Modell nicht Bestandteil der Gesundheitsreform wird. Es wäre für uns Apotheker ruinös und würde die Versorgungsqualität der Patienten nicht nur gefährden, sondern ganz massiv einschränken."
Nichts Positives fand der Präsident an der Positivliste. Ein neu zu gründendes Institut für die Arzneimittelversorgung in der GKV solle eine "Zweitzulassung" von Arzneimitteln regeln. Die Behauptung, daß sich mit der Liste Kosten von mindestens sechs bis sieben Milliarden DM einsparen ließen, halte sich zwar hartnäckig, werde dadurch aber nicht richtiger. Vielmehr provoziere diese Liste Mehrausgaben durch Substitutionseffekte und Indikationslykrik. Auch die Qualität der Therapie werde nicht verbessert, denn diese hänge nicht vom Marktangebot, sondern vom sachgerechten Einsatz der Arzneimittel ab.
"Wir Apotheker haben unsere konstruktive Mitarbeit angeboten und wir haben schon eine ganze Menge unternommen," sagte Schmall mit Blick auf die Gesprächskreise Arzt/Apotheker oder die ökonomische Verordnungsberatung. Für ihn ist es nicht nur wünschenswert, sondern dringend erforderlich, daß der Sachverstand des Apothekers bei Fragen der Arzneimitteltherapie genutzt wird. Daß es möglich ist, mit dem Arzneimittel zu sparen, haben die Apotheker auch mit der Hamburger Studie zur Pharmazeutischen Betreuung von Asthmapatienten bewiesen.
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