Schmidt drängt zur Eile |
01.04.2002 00:00 Uhr |
DISEASE MANAGEMENT
von Lisa Braun, Berlin
Gesundheitsministerin Ulla Schmidt will die Disease-Management-Programme (DMP) noch vor der Wahl durchpeitschen. "Ich werde alles dransetzen, damit wir fristgerecht zum 1. Juli starten können", sagt sie auf einem Symposium der Barmer Ersatzkasse (BEK) in Berlin.
Sollten sich die Selbstverwaltungsorgane nicht einigen können, "gibt es noch die Ersatzvornahme des Staates", mahnt die Ministerin. Doch das ist gar nicht nötig. Denn die Hauptakteure bei der Umsetzung der Chroniker-Programme, die Krankenkassen und Vertragsärzte, arbeiten beide auf Hochtouren daran und dies in ungewohnter Harmonie. Gesundheitsökonom Professor Dr. Karl Lauterbach sieht mit den DMP nicht nur ein besseres Zeitalter für chronisch Kranke anbrechen, sondern gleichzeitig auch "das Ende des Klassenkampfes zwischen Ärzten und Krankenkassen". Das nicht alles in der Vorbereitung so gelaufen ist, wie gewünscht, muss Ulla Schmidt zugeben. Die Krankenhäuser beispielsweise sind nicht mit von der Partie. "Da klemmt es noch", räumt die Ministerin beiläufig ein.
Betroffen von den strukturellen Behandlungsprogrammen sind auch die Apotheken. "In den Programmen sollen nur Arzneimittel eingestellt werden, die medizinisch wirksam und kostengünstig sind." Auf die Frage, ob Apotheker denn auch in die Planungen mit einbezogen werden, sagt Schmidt: "Die Disease-Management-Programme erzwingen die integrierte Versorgung und natürlich gehören auch nicht medizinische Leistungserbringer mit dazu. Wie genau, das kommt auf die Umsetzung der Verträge an."
Der DMP-Fahrplan Mit vier Krankheitsbildern beginnen die DMP:
Evidenzbasierte Leitlinien gibt es noch nicht. Der Koordinierungsausschuss will bis zum 10. Mai über die evidenzbasierten Grundlagen entscheiden. Eine Rechtsverordnung des Bundesgesundheitsministeriums muss vorliegen. Dann werden erste Programme ausgelobt.
Mit dem Beispiel eines schlecht eingestellten Diabetikers führt die Ministerin ihre Einsparziele vor: Dieser Patient verursachte im Jahr 1991 Kosten von rund 6000 Euro, ein gut eingestellter nur 500 Euro. Die direkten Kosten von Diabetes lagen 1994 bei rund 3,1 Milliarden Euro. Der Arzneiverordnungsreport weist für 1994 allein für Antidiabetika 600 Millionen Euro aus. Vermeidbare Kosten gebe es bei der Verordnung von Medikamenten, deren Wirksamkeit nicht gesichert ist. Wer sich in Zukunft in ein Programm einschreiben kann, soll der Arzt entscheiden.
Über den Sinn von strukturierten Behandlungsprogrammen wird nicht mehr ernsthaft gestritten. Selbst die Befürchtung von Ärztekammerpräsident Professor Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, eine Behandlung nach Leitlinien würde eine Checklisten-Medizin beschwören wird von den DMP-Machern als "falsch verstanden" abgetan. "Eine Leitlinie ist keine Richtlinie", entgegnet der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Manfred Richter-Reichhelm. Man könne davon abweichen. Diskussionswürdig scheint einzig noch der Name "Disease Management" selbst. Gerade bei betagten Patienten kein ansprechender Begriff. Warum nicht "Schmidt-Programm" - analog zur Riester-Rente?
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