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Kannte Regierung tatsächliche Lastenverteilung?

03.02.2003  00:00 Uhr
Großhandelsrabatte

Kannte Regierung tatsächliche Lastenverteilung?

von Daniel Rücker, Eschborn

Bei der Bewertung des Beitragssatzsicherungsgesetzes (BSSichG) hat das Bundesgesundheitsministerium offensichtlich zwei Positionen: eine öffentliche und eine inoffizielle. Nach einem internen Papier gingen die Experten des Ministeriums wohl schon im Oktober davon aus, dass die Apotheker auch die Zwangsrabatte des Großhandels zahlen müssen.

Die Diskussion um die Verteilung der Belastungen der Apotheker durch das BSSichG ist älter als das Gesetz. Unmittelbar nachdem Bundessozialministerin Ulla Schmidt ihre Pläne vorgestellt hatte, rechnete die ABDA vor, dass Apotheker mit rund 70 Prozent den Löwenanteil der Einsparungen tragen müssten. Den Experten im Verband war sofort klar, dass der Großhandel seine Zwangsrabatte mit den Einkaufsrabatten verrechnen würde, die er seinen Kunden gewährt. Die Bundesregierung bestritt dies vehement. Es gebe keinen Grund zu der Annahme, dass der Großhandel seinen Zwangsrabatt auf die Apotheken abwälze.

Offensichtlich war diese Aussage aber stärker von politischem Kalkül als von Erkenntnis geleitet. Die Fachleute im Sozialministerium wussten offenbar ebenfalls schon im Oktober, dass die Vermutung der ABDA eintreffen würde. Das Ministerium hat dies wohl auch nicht nur billigend in Kauf genommen. In einem internen Papier vom Oktober 2002 begründet das Ministerium die Einführung des Großhandelsrabatts für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) mit der „Abschöpfung von Rationalisierungseffekten im Großhandel, die bislang beim Apotheker verbleiben“. Um 600 Millionen Euro sollten die Krankenkassen auf diese Weise entlastet werden.

Die Zeche zahlen die Apotheker, wie auch das Ministerium wusste: „Geht man davon aus, dass die Großhändler 0,6 Milliarden Euro an Rabattzahlungen, die bislang an die Apotheken gehen, nun an die GKV geben, wird bei circa 21.000 Apotheken jede Apotheke mit circa 28.800 Euro belastet“, heißt es in dem Papier.

Auch gegenüber Bundestagsabgeordneten wurden diese Zahlen verschwiegen. So erklärte der parlamentarische Staatssekretär Franz Thönnes im Dezember auf Anfrage des CDU-Abgeordneten Norbert Barthle, die Apotheker würden durch die Erhöhung des Kassenrabattes mit rund 350 Millionen Euro belastet. Die 600 Millionen Euro des Großhandels erwähnte er nicht.

Erwartungen an den Großhandel

Und selbst nach dem In-Kraft-Treten des Gesetzes hält das Bundessozialministerium an seiner öffentlichen Meinung fest. In einem Schreiben an den CDU-Bundestagsabgeordneten Dr. Wolf Bauer stellt die parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk noch am 31. Januar fest: „Das Beitragssatzsicherungsgesetz ist ausdrücklich nicht darauf angelegt, dass die Apotheken über die Erhöhung des Rabatts nach § 130 SGB V hinaus die Belastungen aus dem Großhandelsabschlag tragen ... Die Bundesregierung erwartet von dem pharmazeutischen Großhandel, dass dieser seinen Beitrag zur Verringerung der Arzneimittelausgaben erbringt.“

Es ist bewundernswert, mit welcher Hartnäckigkeit das Sozialministerium an der Opferbereitschaft der Großhändler festhält. Auch ohne das jetzt bekannt gewordene interne Papier des Ministeriums wäre es kaum nachvollziehbar, warum ausgerechnet die zuständige Behörde nicht über die Verteilung der Rabatte informiert sein sollte. Das BSSichG wird seit mehr als einem Monat angewendet. Der pharmazeutische Großhandel hat mehrfach darauf hingewiesen, dass die ihm abverlangten Rabatte den Ertrag der Branche überstiegen, weshalb er gezwungen sei, seinerseits den Apotheken Rabatte zu kürzen.

Und auch das Bundesverfassungsgericht hat den Eilantrag des Großhändlers Gehe gegen das BSSichG auch deshalb abgelehnt, weil „die pharmazeutischen Großhändler lediglich geringfügige finanzielle Einbußen erleiden“. Sie hätten „gegenüber den Apotheken angekündigt, dass sie den sie treffenden dreiprozentigen Abschlag mit den bisher gewährten Großhandelsrabatten verrechnen werden“.

Noch nicht absehbar ist, welche Konsequenzen das Auftauchen des internen Schreibens innerhalb der SPD hat. Schließlich haben mehr als 50 SPD-Bundestagsabgeordnete dem BSSichG nur unter der Voraussetzung zugestimmt, „dass im Laufe des Jahres 2003 eine Überprüfung der geplanten und tatsächlichen von Apotheken erbrachten Sparbeiträge erfolgt“.

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