Pharmazeutische Zeitung online

SPD rechnet mit Seehofer und der Reform ab

27.01.1997  00:00 Uhr

- Politik

  Govi-Verlag

SPD rechnet mit Seehofer und der Reform ab

  Der gesundheitspolitische Kongreß der SPD mit dem Thema "solidarische Gesundheitsversorgung für die Zukunft sichern" war der Abschluß einer bundesweiten Aktionswoche zum Thema Gesundheit. Auf der Veranstaltung am 24. Januar in der Berliner Charité äußerten zahlreiche Vertreter von Berufsverbänden und Selbsthilfegruppen ihre Sorgen über bestehende und künftige Versorgungslücken. Mit Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer und der Reform des Gesundheitswesens gingen Politiker und Funktionäre ins Gericht.

Nach Auffassung von Rudolf Dreßler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, stellt die Bundesregierung den Sozialstaat zur Disposition. Sie brauche die Krise, um sie anschließend zu mißbrauchen. "Erst wenn es ordentlich kriselt, kann man auch ordentlich abräumen", so Dreßler. Er nannte Seehofers Politik schamlos, weil er die Konflikte mit den Beteiligten im Gesundheitswesen scheue und statt dessen die Patienten zur Kasse bitten wolle, was als "Privatisierung der Krankheitsrisiken des Einzelnen" verbrämt werde. Das solidarische Finanzierungselement in der GKV solle zurückgedrängt werden. Wer der pharmazeutischen Industrie durch Streichung der vereinbarten Positivliste für Arzneimittel über zwei Milliarden DM hinterher werfe, wer den Ärzten durch Honorarerhöhung und Regreßverzicht per Gesetz zu Lasten der Sozialversicherung 840 Millionen DM zusätzlich in die Tasche stecke und 1992 vereinbarte, kostensparende Strukturreformen der Kranenkversicherung durch seine Politik systematisch sabotiere, habe kein Recht, über Kostenprobleme im Gesundheitswesen zu klagen.

Ellis Huber, Präsident der Berliner Ärztekammer, erwartet, daß die nächste Bundestagswahl an der sozialen Frage entschieden wird. Die Gesetzliche Krankenversicherung, "unser soziales Immunsystem", müsse in ein integratives Gesundheitswesen eingegliedert werden, wobei die Kultur des Helfens und Heilens eine neue Struktur bekommen müsse. Dies könne nicht über kosmetische Eingriffe, sondern nur über eine Kulturrevolution geschehen. Hubers Bitte an Bonn: eine Befreiung Berlins von monetären Zwängen, um der Hauptstadt die Möglichkeit zu geben, ein Modell eines sozial integrativen und finanzierungsfähigen Gesundheitswesens umzusetzen.

Herbert Rebscher, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Angestelltenkrankenkassen, hält für nicht glaubwürdig, wer Vorfahrt für die Selbstverwaltung will und gleichzeitig vor dem Marsch in den Kassenstaat warnt. Als "aggregierten Unsinn" bezeichnete er die Entwürfe der GKV-Neuordnungsgesetze, nachdem das Beitragsentlastungsgesetz ein Defizit von 1,5 Milliarden DM einbringe. Rebscher erwartet für 1997 ein Defizit von 15 bis 20 Milliarden DM in der GKV. Geradezu grotesk sei der Plan, Elemente aus dem privaten Versicherungsgewerbe in die GKV übernehmen zu wollen. Es könne keinen Sinn ergeben, jungen, gesunden Versicherten eine Beitragsrückgewähr zu geben und gleichzeitig alte und kranke Menschen noch höher zu belasten. Dies sei ein Rückschritt in der sozialpolitischen Diskussion. Seehofers Ankündigung zurückzutreten, wenn an den Neuordnungsgesetzen gerührt werde, zeige nach Rebschers Auffassung, "wie nervös er ist und daß kaum noch jemand hinter ihm steht".

Scharfe Kritik an der Regierung übte auch die Sozialministerin von Brandenburg, Regine Hildebrandt. Allein die Überschriften in den Gesetzentwürfen zur Gesundheitsreform - Ausweitung der Versichertenrechte oder Ausweitung der Gestaltungsleistungen der GKV - seien Blasphemie. Die Ministerin bedauerte, daß keine Einigung über den von der SPD vorgeschlagenen Gesetzentwurf eines zweiten Gesundheitsstrukturgesetzes erzielt werden konnte. An der Erhöhung der Zuzahlung sei abzulesen, daß die Entsolidarisierung im vollen Gange sei und der Übergang zur Selbstfinanzierung durch die Patienten begonnen habe. Eine Verhinderung der von der Regierung eingebrachten Gesetze sei jetzt am dringlichsten. Dann müßten neue Verhandlungen im Sinne von Lahnstein eingeleitet werden. Zur herrschenden Situation: Der Wettbewerb zwischen den Leistungserbringern lasse es zu, daß Patienten immer noch das bekommen, was sie wünschen anstelle der Therapien und Verordnungen, die sie brauchen.

PZ-Artikel von Gisela Stieve, Berlin    

© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail:
redaktion@govi.de

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.

Mehr von Avoxa