Politik
Die Zukunft
aus eigener Kraft sichern
Pharmacon Davos
Das deutsche
Apothekenwesen ist nicht im Aus gelandet - trotz GRG und
GSG. Die Reformen im Gesundheitssystem hätten zwar
wirtschaftliche Einbußen gebracht, sie seien aber nicht
direkt gegen die Apotheker gerichtet gewesen. Gleiches
gelte auch für die laufende 3. Stufe der
Gesundheitsreform. Dr. Hartmut Schmall, Präsident der
Bundesapothekerkammer (BAK), führt dies auch auf die
Aktivitäten des Berufsstandes bei der praktischen
Umsetzung des ABDA-Konzeptes zurück. Viele Punkte seien
bereits realisiert, die Arbeit an anderen laufe auf
Hochtouren, betonte er am Sonntag bei der Eröffnung der
27. Internationalen BAK-Fortbildungswoche in Davos.
Ich denke, es war nicht zuletzt unser
Engagement, daß sich die Politik, insbesondere der
Bundesgesundheitsminister, bislang klar zur Institution
Apotheke bekannt hat. Dies bedeute jedoch nicht, daß
sich der Berufsstand jetzt in Sicherheit wiegen könne,
räumte Schmall ein. Gefahr drohe vor allem von den
Krankenkassen.
Deren Forderungen nach Versandhandel mit Arzneimitteln,
Aufhebung des Fremd- und Mehrbesitzverbots und
Einführung des Dispensierrechts für Ärzte lehnte der
BAK-Präsident ab. Gleiches gelte auch für den
Vorschlag, die Festbeträge um zehn Prozent zu senken und
den Kassenrabatt um durchschnittlich zehn Prozent
anzuheben. Schmall: "Es kann doch wohl nicht sein,
daß ein akademischer Heilberuf, dem vom Staat ein
Versorgungsauftrag übertragen worden ist, für dessen
Erfüllung noch Geld zu zahlen hat."
Keine Listenmedizin
Mit Skepsis betrachte der Berufsstand den
aktuellen Entwurf des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes. Er
sieht die Möglichkeit einer Staffelung der
Patientenzuzahlung nach Indikationsgebieten oder
Stoffgruppen vor. Bei über 600 gesetzlichen
Krankenkassen- und über 600 Arzneimittelstoffgruppen
seien theoretisch 360 000 verschiedene Zuzahlungen
möglich. Eine Realisierung dieser Regelungen sei
"der ideale Einstieg in die Listenmedizin" mit
allen Nachteilen für den Patienten. Schmall. "Es
wäre politisch blauäugig, wollten wir uns
kassenspezifischen Zuzahlungsregelungen verweigern."
Diese sollten dann jedoch zumindest kasseneinheitlich
sein. Eine Staffelung nach einzelnen Präparaten,
Stoffgruppen oder Indikationsgebieten lehne der
Berufsstand ab, betonte der BAK-Präsident.
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie ihren
Briefträger?
Ein europaweites Verbot des Versandhandels mit
Arzneimitteln forderte Schmall mit Blick auf die
Bestrebungen eines britischen Unternehmers, die deutsche
Bevölkerung auf dem Postweg mit Medikamenten zu
versorgen. Solche Angebote seien mit erheblichen Risiken
verbunden, die Abgabe von Arzneimitteln müsse aus
Gründen der Arzneimittelsicherheit auch zukünftig in
der Apotheke erfolgen. Zu dieser Überzeugung seien
inzwischen auch die Verbraucherschutzverbände gekommen,
sonst oft heftige Kritiker der Apotheker. Schmall:
"Es kann nicht angehen, daß die
verbraucherschützenden Bestimmungen des deutschen
Arzneimittel- und Apothekenrechts unter dem Deckmantel
eines freien Warenverkehrs in einem Binnenmarkt ohne
Grenzen ausgehöhlt werden."
Der Patient muß weiterhin individuell durch den
Apotheker beraten werden, so Schmall weiter. Telefonische
Gesundheitsratgeber wie Mediphone könnten dazu keine
Alternative sein. Die Versuche, Arzneimittelinformation
vom Band über die Apotheke im Markt zu positionieren,
sei dreist. "Unsere ureigenste Aufgabe, die
Patienten über Arzneimittel zu beraten, können wir
nicht anderen überlassen."
Ökonomische Mitverantwortung der Apotheker
Neben der pharmazeutischen Verantwortung des
Apothekers sieht das ABDA-Konzept auch eine ökonomische
Mitverantwortung für die Arzneimitteltherapie vor,
erinnerte Schmall mit Blick auf die
Budgetüberschreitungen im vergangenen Jahr. Der
Apotheker müsse versuchen, beispielsweise in Form von
Arzt/Apotheker-Gesprächskreisen, den Arzt im Hinblick
auf eine therapeutisch sinnvolle und gleichzeitig
wirtschaftliche Arzneimittelverordnung zu unterstützen
(siehe auch "Zur Diskussion gestellt" in PZ 3,
Seite 28). Die Forderung nach einer notwendigen Anpassung
der Budgets nach oben bleibe jedoch trotzdem bestehen.
Gleichzeitig kritisierte Schmall die schlechte
Patienten-Compliance, die nicht nur gesundheitliche,
sondern auch erhebliche volkswirtschaftliche Nachteile
mit sich bringe: Rund die Hälfte der Patienten nimmt die
verschriebenen Präparate nicht oder nicht
vorschriftsmäßig ein, so wird geschätzt. Durch
fachliche Information könne der Apotheker dazu
beitragen, dieses Manko zu reduzieren.
Neue Aspekte in der Ausbildung
Eine "Vertiefung der
klinisch-pharmakologischen Kenntnisse" forderte
Schmall sowohl für die Fort- und Weiterbildung als auch
im Hinblick auf eine Aktualisierung der
Apothekerausbildung, deren Beratung im Frühjahr in einer
Arbeitsgruppe des Bundesgesundheitsministeriums beginnen
soll. Auf die Einführung einer modifizierten
Ausbildungsordnung hofft der BAK-Präsident "noch
deutlich vor der Jahrtausendwende". Nicht zuletzt
werde dies auch zu einer weiteren Verbesserung der
Zusammenarbeit zwischen den Heilberufen beitragen.
PZ-Artikel von Bettina Schwarz, Davos
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