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Apotheker zu Gast bei Ulla Schmidt

10.11.2003  00:00 Uhr
ABDA

Apotheker zu Gast bei Ulla Schmidt

von Thomas Bellartz, Berlin

Wenige Wochen, nachdem Bundestag und Bundesrat die Gesundheitsreform verabschiedet haben, kam es in der letzten Woche zu einem langen Meinungsaustausch zwischen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) und den Verbandsspitzen der Apothekerschaft.

Weit mehr als eine Stunde diskutierte Schmidt am vergangenen Dienstag in ihrem Ministerium mit dem Präsidenten der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Hans-Günter Friese, dem Präsidenten der Bundesapothekerkammer, Johannes M. Metzger, und dem Vorsitzenden des Deutschen Apothekerverbandes, Hermann Stefan Keller. Neben der Ministerin selbst nahm auch ihr Staatssekretär Dr. Klaus-Theo Schröder an dem Gespräch teil.

Kurz nachdem der Bundesrat die Konsensreform durchgewunken hatte, war von der ABDA Kontakt mit dem BMGS aufgenommen worden, um gemeinsam mit dem Ministerium an die Umsetzung der Reform zu gehen. Friese stellte zwar nach dem Gespräch klar: „Natürlich finden wir auch heute noch, dass vieles in dem Gesetzeswerk falsch ist.“ Aber es sei der falsche Weg, auf stur zu schalten. „Wir sind bewusst auf die Ministerin zugegangen und haben ein Gesprächsangebot unterbreitet“, so Friese. Innerhalb kürzester Zeit sei es zu dem Treffen gekommen. Es sei wieder Zeit, eine „vernünftige Arbeitsatmosphäre für alle Beteiligten zu schaffen“. Das ist auch gelungen. Schließlich müsse man klären, wie das Gesetz gemeinsam umgesetzt werde.

Denn in den kommenden Wochen wird die Reform für weitere Unruhe in den Apotheken sorgen. Schmidt wurde von dem Apotheker-Trio darüber aufgeklärt, wie die Patientinnen und Patienten auf die neuen Zuzahlungen reagieren werden. Es sei nicht fair, die Kommunikation ausschließlich den Apotheken zu überlassen. Schmidt sagte zu, die Krankenkassen mit ins Boot zu holen und auch seitens des Ministeriums aktiv zu werden.

Im Gespräch mit Schmidt und Schröder wiesen die Apotheker zudem auf die Auswirkungen von Beitragssicherungsgesetz und Herstellerrabatt auf die Vorfinanzierung durch die Rechenzentren hin. Das Problem säumiger Hersteller steige zusehends und werde sich wohl mit dem neuen Rabatt verschärfen – alleine die Zinsbelastung sei erheblich. Die Ministerin will sich nun direkt an die säumigen Pharmahersteller wenden, um an dieser Front für Unterstützung zu sorgen.

Ein weiteres Thema war die honorierte Wirtschaftlichkeit, Aut idem und die Importregelung. Mit Interesse verfolgt Schmidt auch die Entwicklungen rund um das Hausapothekenmodell. Auch aus ihrer Sicht sei es wünschenswert, wenn man sich zukünftig noch intensiver über die Entwicklung innerhalb des Berufsstandes und die Innovationen austausche.

Wenige Stunden später konnte sich Staatssekretär Schröder von dem Hausapothekenmodell persönlich überzeugen. Bei einem Parlamentarischen Abend war der Staatssekretär einer von vielen Gästen, darunter auch die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Gudrun Schaich-Walch und zahlreiche andere Abgeordnete aus den Regierungsfraktionen und der Opposition.

In der Landesvertretung Sachsen-Anhalt demonstrierten ABDA-Vizepräsident Heinz-Günter Wolf und der Vorstandsvorsitzende des BKK-Landesverbandes Niedersachsen-Bremen, Ingo Werner, dass Kassen und Apothekerverbände durchaus eine gemeinsame Basis für die Zusammenarbeit finden können. Beide präsentierten die Vorzüge des Hausapothekenmodells, über das beide bereits vor einigen Monaten einen Vertrag geschlossen hatten. Neben den Patienten profitieren nach Ansicht beider auch die Apotheken und die Betriebskrankenkassen von dem Vertrag.

Werner warnte die Apotheken davor, einfach nur das kopieren zu wollen, was andere, beispielsweise DocMorris, machten. Es gebe bessere Möglichkeiten, sich zu profilieren. Man solle sich auf seine Kompetenzen konzentrieren. Karl Hermann Haack, Behindertenbeauftragter der Bundesregierung, hatte als Schirmherr gemeinsam mit Wolf zu der Veranstaltung eingeladen. Auch dies erklärt sicherlich die große Resonanz seitens der SPD-Abgeordneten.

Haack, selbst Apotheker, ließ keinen Zweifel daran, dass es an den Apothekerinnen und Apothekern sei, Angebote an die Politik zu machen und nicht umgekehrt. Er betonte auch die für behinderte Menschen positive Ausrichtung der Hausapotheke. Schließlich funktioniert dort die Versorgung bis ans Krankenbett und dies mit einer noch qualifizierteren und intensiveren Betreuung. Haack lobte das Modell als zukunftsweisend; deswegen sei es ihm leicht gefallen, diesen parlamentarischen Abend mit zu gestalten.

Vor der Veranstaltung hatte es eine aus Apothekersicht bislang einmalige Veranstaltung gegeben. DAV-Chef Keller und der Vorstand der Barmer Ersatzkasse (BEK), Klaus H. Richter, unterzeichneten den ersten bundesweiten Vertrag zur Einrichtung einer Hausapotheke unter dem Dach der Barmer Service Apotheke.

Mit einem eigenen Logo geben sich die teilnehmenden Apotheken ab dem 1. Januar 2004 den Barmer-Versicherten zu erkennen. Nach monatelangen Verhandlungen freuten sich Keller und auch Richter sichtlich über den gemeinsamen Vertrag, der in den kommenden Wochen mit Leben gefüllt werden muss. Mit acht Millionen Versicherten und rund 60 Millionen Verordnungen jährlich ist die BEK die größte deutsche Krankenkasse und für die Apotheken ein großer Partner.

Zudem gilt der Vertrag als Weiterentwicklung der bereits bestehenden Hausapothekenverträge. Umso schwieriger war es in den vergangenen Wochen, die verschiedenen Landesverbände unter einen Hut zu bekommen. Doch das war wenige Tage vor dem Vertragsabschluss am 4. November dann gelungen.

Gegenüber der PZ stellte Richter klar, dass man „den Vertrag mit dem DAV würdigen werde“, wenn man sich mit Einsparmöglichkeiten beim Arzneimittelvertrieb auseinander setze. Konkret geht es dabei um die Verträge der Barmer mit Arzneiversendern. Dank des Service-Apotheken-Vertrages hat der DAV einen Fuß in der Tür. Und so betonte Keller, dass man auch in anderen Bereichen gerne mit der BEK stärker zusammenarbeiten wolle. Für die Barmer geht es dabei nicht nur darum, dass ihre Patienten Rabatte bekommen oder bestimmte Leistungen zu Sonderkonditionen abfragen können. Vielmehr wolle man in Kooperation mit den Apotheken die Versorgung der Chroniker weiter ausbauen und optimieren.

Richter setzt auf die Lenkungsfunktion der Barmer Service Apotheke. Die Freiwilligkeit des Modells sei der Schlüssel für den Erfolg. Damit dürfte der BEK-Vorstand Recht behalten. Denn mittlerweile zeigt das Modell in Niedersachsen, was möglich ist. Mehr als die Hälfte der niedersächsischen Apotheken beteiligen sich am Hausapothekenmodell. Und je Apotheke sind bereits zwischen zehn und 75 Patientinnen und Patienten eingeschrieben. Vor der Unterzeichnung des Vertrags im Frühjahr hatten viele Kritiker bezweifelt, dass das Projekt derart erfolgreich laufen könnte.

Dass es durchaus einen Wettbewerb der Hausapothekenmodelle geben kann, verdeutlichte Keller während des parlamentarischen Abends. Er nutzte die Öffentlichkeit, um neben dem dort präsentierten BKK-Hausapothekenmodell auch den gerade unterzeichneten BEK-Vertrag kurz vorzustellen. Die Gäste sollten selbst entscheiden, welches Logo sie besser fänden.

Aus Sicht der ABDA war die vergangene Woche sehr erfolgreich. Friese: „Nachdem nun das GMG durch ist, müssen wir nach vorne schauen und uns mit unseren Stärken profilieren. Der Vertrag mit der BEK und die Hausapothekenmodelle sind Schritte in die richtige Richtung.“ Man spüre, dass die Politik bereit sei, über solche Innovationen nicht nur nachzudenken, sondern sich offensiv einzubringen. Top

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