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Turbulenzen begleiten Gesundheitskarte

01.11.2004  00:00 Uhr

Turbulenzen begleiten Gesundheitskarte

von Patrick Hollstein, Berlin

Obwohl Krankenkassen und Leistungserbringer ihre Differenzen zur Gesundheitskarte beigelegt hatten, wurde es vergangene Woche erneut eng. Mit einer gemeinsamen Erklärung verhinderten die Beteiligten am Telematik-Vorhaben eine drohende Ersatzvornahme des Gesundheitsministeriums (BMGS).

Ab 2006 soll die elektronische Gesundheitskarte – zunächst in Modellversuchen – eingeführt werden. Die äußerst komplexe Organisation des Vorhabens, hat der Gesetzgeber der Selbstverwaltung übertragen. Seit mehreren Monaten streiten die 15 Parteien mitunter heftig über die Details der Umsetzung. Nachdem die Finanzierungsfrage nach langem Ringen geklärt wurde – die Vorfinanzierung durch die Leistungserbringer wird nach der Einführung durch so genannte Transaktionszuschläge abgegolten – geht es in der aktuellen Diskussion vor allem um die Lagerung und damit den Zugriff auf die Versichertendaten. Zwar legitimieren laut Dr. Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im BMGS, allein die zu erwartenden medizinischen Erfolge, beispielsweise durch neue Möglichkeiten beim Interaktions-Check von Arzneimitteln, das Projekt. Dabei attestiert Schröder den Veränderungen der Datenströme aber durchaus auch ökonomische Konsequenzen - beispielsweise für die Apothekenrechenzentren.

Missbrauch sensibler Daten

Diesen Veränderungen sehen nicht alle Beteiligten derart gelassen entgegen. Dr. Manfred Richter-Reichhelm, Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), mahnte auf einer Diskussionsveranstaltung erneut den möglichen Missbrauch sensibler Daten, etwa zur Risikoselektion gegenüber Patienten und Ärzten, als größten Vorbehalt der Ärzteschaft an. Auch Dr. Frank Diener, Geschäftsführer Wirtschaft und Soziales bei der ABDA, befürchtet steuernde Einflüsse der Kassen, sofern diese beispielsweise Zugriff auf Rezeptdaten bereits vor der Belieferung in der Apotheke erhielten. Wer hat wann den Zugriff auf welche Daten? Das ist nicht nur aus Dieners Blickwinkel die zentrale Frage, vor deren Hintergrund die Diskussion um Server- oder Kartenlösung lange geführt worden war. Zumindest dieser Streitpunkt wurde mittlerweile geklärt: Im Feldversuch soll sich herausstellen, welches Verfahren das praktikablere ist.

BMGS kritisiert Tempo

Im Gesundheitsministerium erwägen Politiker unterdessen immer wieder, das gelegentlich bereitwillig verschleppte Verhandlungsgeschehen der Selbstverwalter zu beschleunigen – oder das gesamte Projekt komplett an sich zu ziehen. Wie ernst solche immer wieder vorgebrachten Androhungen tatsächlich gemeint sind, lässt sich nur schwer nachvollziehen. Dass man im Ministerium aber nicht bereit ist, die Konzeption vollständig aus den Händen zu geben, belegt die neuerliche Androhung einer Ersatzvornahme. Streitpunkt war die Besetzung eines neu zu schaffenden Instituts, das auch langfristig die Einführung und Anwendung der Telematik im Gesundheitswesen koordinieren und beaufsichtigen soll.

In dieser gewichtigen Behörde sähe sich das Ministerium nämlich auch gern repräsentiert. Das wiederum wurde – ebenso wie die geforderte stärkere Einbeziehung der Industrie – bislang von Leistungserbringern und Kassen unter Berufung auf den Gesetzestext abgelehnt. Eine gemeinsame Erklärung (siehe Kasten) beschreibt die Einigung zwischen den Interessensgruppen in der Gemeinsamen Selbstverwaltung und dem BMGS einigen. Damit ist eine Ersatzvornahme verhindern - zumindest vorerst.

 

Gemeinsame Erklärung zur Einführung der Gesundheitskarte Von der Gemeinsamen Selbstverwaltung und dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung

Alle Beteiligten sind sich über folgende Prozessschritte einig:

  1. Auf der Grundlage eines gemeinsamen Architekturboards wird ein gemeinsames Forschungs- und Entwicklungsprojekt des BMGS und der Selbstverwaltung zur Schaffung der Lösungsarchitektur durchgeführt. Das formale Verfahren wird durch das BMGS wahrgenommen. Beginnend innerhalb von zwei Wochen.
  2. Bis Montag, den 1. November 2004, legt die gemeinsame Selbstverwaltung ein Eckpunktepapier für eine Betriebsorganisation vor.
  3. Bis Anfang Dezember gründet die gemeinsame Selbstverwaltung diese Betriebsorganisation. Die Selbstverwaltung benennt einvernehmlich mit dem BMGS einen Gründungsgeschäftsführer bis zu diesem Termin.
  4. Das BMGS hat Sitz aber keine Stimme in dieser Organisation. Insbesondere Industrie, Wissenschaft, Patientenorganisationen und Länder werden über einen Beirat einbezogen.
  5. Entsprechend der gesetzlichen Vorschrift (§ 291 a SGB V) muss das BMGS die Vorschläge der Betriebsorganisation genehmigen.
  6. Das BMGS wird sofort ein Gesetzgebungsvorhaben zur Verankerung dieser Organisation und der Finanzierungsvereinbarung einleiten. Hierbei wird das Einstimmigkeitsprinzip durch ein qualifiziertes Mehrheitsprinzip ersetzt.

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