Lauterbach pöbelt gegen Apotheker |
25.07.2005 00:00 Uhr |
Ulla-Schmidt-Berater und SPD-Bundestagskandidat Professor Dr. Karl Lauterbach versucht, sich auf Kosten der Apotheker zu profilieren. In der Online-Ausgabe der Berliner Zeitung vom 20. Juli wirft er Apothekern vor, überteuerte Medikamente zu Lasten der Patienten abzugeben.
Mit hohen Rabatten an Apotheker sorgten Generikafirmen dafür, dass Patienten mit teureren Medikamenten versorgt würden, behauptet Lauterbach. Die Zeitung bezeichnet seine Ausführungen als »neuen Skandal im Gesundheitswesen«. Der Kölner SPD-Bundestagskandidat zielt mit seinen Einlassungen vor allem unter die Gürtellinie. Die Rabatte kommentiert er mit dem Zitat: »Es ist das schmutzige Geschäft der Apotheker, dass sie sich solche Geschenke machen lassen.« Den Schaden, den Apotheker und Generikafirmen anrichten, beziffert er auf 2 Milliarden Euro. Wie er zu diesen Zahlen kommt, verschweigt er allerdings.
Völlig krude wird es, wenn Lauterbach als Lösung vorschlägt, die Generikafirmen sollten direkt mit den Krankenkassen über Lieferkonditionen verhandeln. Der Kölner Gesundheitsforscher sollte wissen, dass die großen Generikafirmen wie Ratiopharm, Stada, Hexal oder Betapharm bereits Rabattverträge mit Krankenkassen geschlossen haben. Die ABDA hat diese Vereinbarungen begrüßt und die Kooperation der Apothekerschaft angeboten.
Generikaverband beteiligt
An der Geschichte in der Berliner Zeitung ist neben Lauterbach auch der im Sturzflug befindliche Generikaverband beteiligt. TAD-Vorstandsmitglied Peter Kraus, Vorsitzender des Verbandes, der nach Umsatz deutlich weniger als 10 Prozent des deutschen Generikamarktes repräsentiert, warf den Branchenführern Stada, Hexal und Ratiopharm vor, den Apothekern besonders hohe Rabatte zu gewähren. Damit dominierten die großen Unternehmen den Markt, obwohl die im Generikaverband verbliebenen Unternehmen ihre Präparates preiswerter anböten.
Anfang 2004 haben die Marktführer der Generikabranche auf Initiative von Ratiopharm mit »Pro Generika« einen eigenen Interessensverband gegründet. Mittlerweile gehören Pro Generika Unternehmen mit einem Anteil von mehr als 80 Prozent am Generikamarkt an. Entsprechend gering ist die Bedeutung des alten Generikaverbands, der zurzeit zu einer Abteilung des BPI mutiert. Bei den Apothekern fiel der Verband 2001 besonders negativ auf, weil er mit allen Mitteln eine Ausweitung der Aut-idem-Regelung verhindern wollte. Höhepunkt der Kampagne war ein Gutachten, in dem den Apothekern attestiert wurde, sie seien mit der Arzneimittelauswahl überfordert.
Verbandsvorsitzender Kraus hat sich mit seinen Aussagen unfreiwillig zu einer historischen Figur gemacht. Die Dauer seiner Amtszeit dürfte in negativem Sinn rekordverdächtig sein. Gut einen Monat nach seiner Wahl zum Verbandschef, reichte er am vergangenen Freitag seinen Rücktritt ein. Zu groß war der Druck, den Apotheker und Generikafirmen nach seinen Angriffen auf den Verband ausübten.
Der Konkurrenzverband Pro Generika distanziert sich unterdessen deutlich von den Behauptungen des Generikaverbandes. Sein Verband wolle mit der Konkurrenz »weder verwechselt noch verglichen werden«, stellte Pro-Generika-Geschäftsführer Hermann Hofmann gegenüber der Pharmazeutischen Zeitung fest.
Die ABDA hat Lauterbachs Vorwürfe postwendend zurückgewiesen. »Apotheker schädigen mit Einkaufsrabatten überhaupt nicht das Gesundheitssystem«, stellt ABDA-Präsident Heinz-Günter Wolf fest. Der ABDA-Präsident kritisiert, dass Lauterbach bislang der Aufforderung nicht nachgekommen sei, die Grundlage seiner Berechnungen darzulegen. Nach Berechnungen der ABDA sind Lauterbachs Zahlen vollkommen falsch. Danach erhalten die Apotheker von der Pharmaindustrie insgesamt lediglich rund 450 Millionen Euro Skonto und Rabatte, gleichzeitig gewährten sie den Kassen jedoch rund 1,2 Milliarden Euro Rabatt.
Ungewöhnlich deutlich wies auch das Bundesgesundheitsministerium Lauterbachs Behauptungen zurück. Die Summe von 2 bis 3 Milliarden Euro bezeichnete Ministeriumssprecher Klaus Vater als »nicht nachvollziehbar«. Die Rabatte, die Apotheker von der Industrie erhielten, seien im vergangenen Jahr stark zurückgegangen.
Wolf vermutet, dass hinter Lauterbachs Äußerungen auch der Bundestagswahlkampf steckt, bei dem der Schmidt-Berater als Kandidat für den Wahlkreis Leverkusen/Köln IV antritt. »Lauterbach kriminalisiert ohne Not einen ganzen Berufsstand. Er muss in Köln anscheinend schwer um seinen Einzug in den Bundestag kämpfen, wenn er zu solchen unfairen Mitteln greift.«
Wackelkandidat
In der Tat steht Lauterbach auf der SPD-Landesliste für die Bundestagswahl auf dem wenig ruhmreichen 78. Platz. Bei der Bundestagswahl 2002 erzielte die nordrhein-westfälische SPD 60 Mandate. Nach den aktuellen Prognosen ist es mehr als unwahrscheinlich, dass die Partei die Zahl in diesem Jahr erreichen wird. Den Einzug in den Bundestag kann man deshalb nur mit einem Direktmandat schaffen. 2002 gewann die SPD mit 49,8 Prozent der Erststimmen. Allerdings hat sich seitdem die Stimmung für die Sozialdemokraten in Nordrhein-Westfalen deutlich verschlechtert. So gewannen bei der Landtagswahl im Mai dieses Jahres sowohl in Leverkusen als auch im Wahlkreis Köln IV CDU-Kandidaten das Direktmandat.
Kommentar: Falsch und dumm Zum Rücktritt von Dr. Peter Kraus als Vorsitzender des Deutschen Generikaverbandes gab es keine Alternative. Kraus hat im Sog des wahlkämpfenden Professor Dr. Karl Lauterbach fahrlässig eine Debatte vom Zaun gebrochen, die für die deutschen Apotheken fatale Folgen haben könnte. Kraus, immerhin beim Generikahersteller TAD Pharma für den Bereich Gesundheitspolitik verantwortlich, treibt eine Sau durchs Dorf, die er nicht nur selbst gefüttert hat, sondern die ihn auch gut ernährt.
Man mag Verständnis haben dafür, dass sich der Vertreter eines kleineren Generikaherstellers gegen die drohende Oligopolisierung wehren will.
Die Machtverhältnisse im Generikabereich sind tatsächlich verschoben. Das hat auch die Gründung des Verbandes Pro Generika gezeigt. Der hat die Funktion des Deutschen Generikaverbandes faktisch übernommen. Und das konnte nur geschehen, weil die größten Generikahersteller mittlerweile eine enorme Marktmacht haben. Der Generikaverband vereinigt Hersteller, die insgesamt noch nicht einmal 10 Prozent des deutschen Marktes ausmachen.
In diesem Gefecht den Apothekerinnen und Apothekern vorzuwerfen, deren Einkaufsvorteile seien schädlich für die Volkswirtschaft, ist falsch. Wie peinlich die ganze Angelegenheit ist, wird noch deutlicher, wenn man weiß, dass der Deutsche Generikaverband und die an seiner Spitze handelnden Personen noch vor einigen Wochen gegen den Barmer-Hausapothekenvertrag wetterten. Nun wirbt auch TAD Pharma damit, der »erste mittelständische Kooperationspartner im Barmer-Hausarzt-/Hausapothekenvertrag zu sein«. So schnell ändern sich die Geschäftspolitik. Nur bitte nicht auf Kosten der Apotheken.
Thomas Bellartz
Leiter der Hauptstadtredaktion
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