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Gemeinsam gegen das Reformwerk angehen

31.05.1999  00:00 Uhr

-PolitikGovi-Verlag

BÜNDNIS GESUNDHEIT 2000

Gemeinsam gegen das
Reformwerk angehen

von Dieter Schütz, Bonn

Die Apotheker befürchten durch die geplante Gesundheitsreform eine "dramatische Rationierung" in der Arzneimittelversorgung. Die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) schloß sich deshalb jetzt mit zahlreichen anderen Verbänden von Ärzten und Pflegeberufen dem "Bündnis Gesundheit 2000" an, das in einer Kampagne im Namen von mehr als einer Million organisierten Mitgliedern gegen das Reformwerk mobil macht.

ABDA-Vizepräsident Werner Trockel sprach bei einer Pressekonferenz des Bündnisses in Bonn von "erheblichen negativen Konsequenzen" für die Arzneimittelversorgung. Er kritisierte vor allem das geplante Benchmarking-Modell, bei dem sich das Arzneimittelbudget an den drei KV-Regionen mit den niedrigsten Ausgaben orientieren soll. Nach Berechnungen der ABDA ergebe sich dadurch bundesweit eine Absenkung der Budgetansätze in Höhe von 3,5 bis vier Milliarden DM gegenüber dem Budgetansatz für 1999. "Dies steht der Tatsache gegenüber, daß das Budget für dieses Jahr geradezu zwangsläufig um bis zu zwei Milliarden DM überschritten werden muß, weil es nicht in dem Maße angepaßt worden ist, wie es das bestehende Gesetz eigentlich vorsieht", betonte Trockel.

Der ABDA-Vizepräsident sieht auch keine geeignete Datengrundlage für das Benchmarking-Modell. Nach den derzeitigen Möglichkeiten seien buchungsbedingte Fehlerquoten von bis zu 20 Prozent möglich.

Der Gesetzentwurf bedeutet nach Einschätzung Trockels eine Verlagerung der Datenkompetenz auf die Krankenkassen und deren medizinischen Dienst. Dadurch würden die Kassen nicht nur eine bislang nicht dagewesene Machtfülle erhalten, sondern zusätzlich würde auch ein gläserner Patient geschaffen, "der schon Orwellsche Dimensionen erreicht".

Spielwiese für Dogmatiker und Dilettanten

Eine Rationierung im Gesundheitswesen befürchtet auch Bundesärztekammer-Präsident Dr. Karsten Vilmar. Er ging mit Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) scharf ins Gericht. "Wenn die Pläne der Gesundheitsministerin Wirklichkeit werden, müssen Patienten mit drastischen Leistungseinschränkungen rechnen und viele Beschäftigte im Gesundheitswesen um ihren Arbeitsplatz bangen", betonte Vilmar. Die Gesundheitspolitik sei zu einer "politischen Spielwiese für Dogmatiker und Dilettanten" geworden. "Wir hatten noch nie einen Minister, der so ahnungslos in die Dinge hineingegangen ist und so hartnäckig einen Dialog verweigert hat", sagte er.

Der Bundesärztekammer-Präsident befürchtet, daß die Mediziner nach der Gesundheitsreform intimste Patientendaten offenlegen müssen und das Arztgeheimnis "faktisch ausgehöhlt wird". Die Krankenkassen würden mit ihrer Allein-Verfügungsgewalt über die geplanten Globalbudgets zwangsläufig um leistungsstarke gesunde Beitragszahler konkurrieren. "Auf der Strecke bleibt der Kranke", sagte Vilmar. Qualität und Leistungsfähigkeit des deutschen Gesundheitswesens seien ernsthaft gefährdet.

Vilmar forderte, die GKV von versicherungsfremden Leistungen zu befreien und die Finanzierungsbasis über das Arbeitsgehalt hinaus auf weitere Einkommensarten auszudehnen. Außerdem habe die geplante Finanzierung fachfremder Verbraucherberatung in der GKV nichts zu suchen.

Vor dem Verlust von Arbeitsplätzen im Zuge der Budgetierungspolitik warnten die Heilmittelverbände. Der Arbeitsmarkt in diesem Bereich sei sichtbar angespannt und mit jährlich zehntausenden von Ausbildungsabsolventen "hoffnungslos überfüllt", erklärte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft der Heilmittelverbände, Clara Scheepers.

Der Berufsverband der Arzt-, Zahnarzt- und Tierarzthelferinnen wies darauf hin, daß die Zahl der arbeitslosen Zahnarzthelferinnen bereits von März 1997 bis März 1999 von knapp unter 10.000 auf fast 14.000 gestiegenen sei. Die Zahnärzte wollten weitere Mitarbeiterinnen entlassen. Die Ärzte hätten schon öffentlich angekündigt, jeder vierten Arzthelferin zu kündigen.Top

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