Politik
GESUNDHEITSREFORM
2000
von Dieter Schütz, Bonn Die rot-grüne Koalition hat
sich in einem Verhandlungsmarathon zur Gesundheitsreform 2000 darauf geeinigt, daß es nur
eine Positivliste für erstattungsfähige Arzneimittel geben wird. Anthroposophische und
homöopathische Arzneimittel sollen in einem Anhang zur Positivliste aufgeführt werden.
Hersteller von Phytopharmaka können nach Angaben der SPD selbst wählen, ob sie
pflanzenheilkundliche Arzneien gemeinsam mit den chemischen Medikamenten oder lediglich im
Anhang aufgelistet haben wollen.
Für Phytopharmaka auf der "normalen" Positivliste sollen die gleichen
Kriterien bei der Wirksamkeitsprüfung gelten wie für chemische Medikamente. Für die
Arzneimittel im Anhang werden voraussichtlich weniger strenge Maßstäbe gelten. Für die
Aufstellung der Positivliste wird eine Kommission aus Vertretern der klassischen Medizin
und der Alternativmedizin gebildet.
Vor allem die SPD hatte sich dafür eingesetzt, daß nur eine Positivliste gebildet
wird. Im Arbeitsentwurf zur Gesundheitsreform hatte Bundesgesundheitsministerin Andrea
Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) noch eine Liste für die allgemeine
Arzneimittelverordnung und eine weitere Liste für Arzneimittel der besonderen
Therapierichtungen geplant.
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Gudrun Schaich-Walch,
zeigte sich zufrieden über die Ergebnisse der Verhandlungen mit dem grünen
Koalitionspartner. "Wir werden eine vernünftige und gute Reform bekommen, die in
allen Bereichen mehr Qualität bringt", betonte sie. Die SPD-Politikerin schloß
allerdings nicht aus, daß im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens aus finanziellen Gründen
Nachbesserungen an der Gesundheitsreform notwendig werden könnten, um die
Beitragssatzstabilität der GKV zu gewährleisten.
Am 23. Juni soll das Kabinett den Gesetzentwurf zur Gesundheitsreform beschließen.
Kurz vor oder unmittelbar nach der Sommerpause wird der Entwurf nach dem derzeitigen
Zeitplan in den Bundestag eingebracht. Zum Jahresbeginn 2000 soll die Gesundheitsreform
dann in Kraft treten.
Die rot-grünen Gesundheitspolitiker einigten sich in ihren Gesprächen auf folgende
Kernpunkte:
- Die Verantwortung für die Überschreitung der Globalbudgets war vor allem innerhalb der
Sozialdemokraten umstritten. Jetzt steht fest: Für die Aufstellung und die Finanzhoheit
der Budgets sollen die einzelnen Krankenkassen zuständig sein. Der jeweilige Landes- oder
Bundesverband der Kassen erhält jedoch ein Aufsichtsrecht mit entsprechenden
Controllingmechanismen. Bei Überschreiten des Budgets erhält die Kasse zwei Jahre Zeit,
das Minus auszugleichen. Nach Angaben von Schaich-Walch können Überschreitungen der
Budgets auch innerhalb der jeweiligen Kassenart ausgeglichen werden.
- Insgesamt bleibt es dabei, daß das Globalbudget jährlich nur so weit erhöht wird, wie
die beitragspflichtigen Einkommen der Versicherten steigen.
- Auf Druck der SPD werden die Kassenärztlichen Vereinigungen in die Vertragsgestaltung
der integrativen Versorgung mit eingebunden. Ursprünglich sollten die KVen nur in die
Rahmenplanung einbezogen werden. Jetzt sollen sie auch beim Abschluß der
Versorgungsverträge als Vertragspartner der Krankenkassen auftreten. Im Konfliktfall wird
eine Schiedsstelle angerufen. Wird dort keine Einigung erzielt, besitzt die KV jedoch kein
Vetorecht.
- Die Hausärzte sollen einen eigenen Honorartopf erhalten. Dafür hatte sich vor allem
die SPD stark gemacht. Einigkeit herrscht jetzt auch darüber, daß die Krankenkassen im
Rahmen von Modellversuchen einen Hausarztbonus an ihre Mitglieder weitergeben können. In
diesem Punkt setzten sich die Grünen weitgehend durch. Die Höhe des Rabatts richtet sich
nach den Einsparungen innerhalb eines Jahres.
- Die Reha-Einrichtungen sollen zur ambulanten Versorgung zugelassen werden. Auch ist ein
eigenes Budget für die Reha-Ausgaben vorgesehen.
- Die Zuzahlungen für Rehabilitationsmaßnahmen werden im Westen von 25 DM auf 17 DM und
im Osten von 20 DM auf 14 DM pro Tag gesenkt. Außerdem ist eine flexiblere Lösung für
Kuren geplant: Statt drei Wochen können Reha-Kuren jetzt auch kürzer oder länger
ausfallen.
- Die Grünen mußten Abstriche bei den von ihnen geforderten Finanzierung von
Selbsthilfegruppen durch die Krankenkassen machen. Diese Regelung ist nur noch als
Kann-Bestimmung vorgesehen.
Krankenhausfinanzierung
Die monistische Krankenhausfinanzierung wird um zwei Jahre vorgezogen. Die SPD konnte
in diesem Punkt in den Verhandlungen mit den Grünen wichtige Korrekturen durchsetzen. Zu
den Krankenhäusern wurde folgender Zeitplan beschlossen:
- Die Selbstverwaltung hat bis zum 31. Oktober 2000 Zeit, um über ein neues
Vergütungssystem mit Fallpauschalen für die Krankenhäuser zu entscheiden. Wird die
Frist überschritten, muß das Bundesgesundheitsministerium bis zum 31. Dezember 2000
selbst aktiv werden.
- Im Jahr 2002 läuft das neue Preissystem als Probelauf neben der bisherigen
Vergütungsregelung. Von 2003 an ist es grundsätzlich verbindlich für alle
Krankenhäuser.
- Kassen und Länder entwickeln im Jahr 2000 eine Krankenhausrahmenplanung. Im
Konfliktfall hat das zuständige Land das letzte Wort.
- Die Finanzierung von kurzfristigen Anlagegütern und kleinen Bauten geht mit dem neuen
Preissystem vom Jahr 2003 an - und damit zwei Jahre früher als von Ministerin Fischer
ursprünglich geplant - schrittweise auf die Kassen über. Zunächst erfolgt die
Finanzierung der Pauschalinvestitionsanteile für das Jahr 2003 noch durch die Länder
(zwei Milliarden DM). Der Anteil der Länder wird in den Folgejahren bis 2007 mit dem
Übergang der Finanzierung auf die Kassen um jeweils 20 Prozent abgeschmolzen.
- Vom Jahr 2008 an wird die vollständige Monistik erreicht. Dann werden die Kassen auch
für Einzelinvestitionen aufkommen. Die Zusatzbelastung für die Kassen (1998: 4,5
Milliarden DM) wird abgefedert, indem die Länder dauerhaft versicherungsfremde
GKV-Leistungen für Sterbegeld und Mutterschaftsgeld (1998: 2,76 Milliarden DM)
übernehmen.
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