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Budgets haben wenige, aber einflussreiche Freunde

15.05.2000  00:00 Uhr

- Politik Govi-Verlag

Budgets haben wenige, aber einflussreiche Freunde

von Daniel Rücker, Berlin

Mit ihrem Festhalten an Budgets steht die Bundesregierung allein auf weiter Flur. Auf einer von Franz Alt moderierten Podiumsdiskussion während des DAV-Wirtschaftsforums in Berlin machten Oppositionspolitiker und Apotheker Front gegen die Deckelung der Arzneiausgaben. Lediglich die SPD-Gesundheitsexpertin Gudrun Schaich-Walch verteidigte halbherzig das allseits unbeliebte Kostendämpfungsinstrument.

Dabei hatte die SPD-Politikerin selbst vor wenigen Tagen in einem internen Diskussionspapier die Abkehr von der Budgetierung gefordert. Offensichtlich findet diese Position jedoch kaum Unterstützer in der Regierung. Schaich-Walch sah sich deshalb genötigt zurück zu rudern. Wie sie offen erklärte, sei eine Diskussion innerhalb ihrer Partei nach der Veröffentlichung des Papiers vorerst nicht mehr möglich.

Ihre neue Posistion verteidigte die SPD-Politikerin mit der Erkenntnis, dass eine schnelle Abschaffung des Budgets ohnehin schwierig gewesen wäre. Ein Ende der Deckelung sei nur möglich, wenn diese durch Richtgrößen ersetzt würde. Es sei aber nicht zu erwarten, dass Ärzte und Krankenkassen solche Richtgrößen schnell vereinbaren könnten. Im Prinzip hält Schaich-Walch an ihrem Ziel weiterhin fest, Budgets aus dem Gesundheitswesen zu verbannen. Einen realistischen Zeitrahmen wollte sie aber nicht nennen.

Bei den anderen Diskutanten stieß die Position der SPD-Politikerin auf wenig Verständnis. DAV-Vorsitzender Hermann S. Keller, der noch am Vortag die SPD-Politikerin für das richtungsweisende Positionspapier gelobt hatte, zeigte sich enttäuscht von Schaich-Walchs Rückzieher. Budgets seien ein Irrweg im Gesundheitswesen. Sie führten zwangsläufig zur Rationierung von Gesundheitsleistungen. Die SPD sei aber offensichtlich noch nicht so weit, wie man geglaubt habe.

Nach Ansicht von Dr. Frank Diener, Geschäftsführer Wirtschaft und Sozialpolitik bei der ABDA, stünde einer baldigen Abschaffung der Budgets grundsätzlich nichts im Wege. Wenn Ärzte und Krankenkassen einen klaren gesetzlichen Rahmen für die Vereinbarung budgetablösender Richtgrößen hätten, wäre es möglich, diese Aufgabe zügig anzugehen. Die ABDA wäre bereit, Ärzten und Krankenkassen die Daten der Apothekenrechenzentren zur Verfügung zu stellen. Dies könne die Vereinbarung von Kassen und Ärzten beschleunigen. Die ABDA hält Richtgrößen für weitaus flexibler als Budegts.

Auch die Oppositionspolitiker Wolfgang Lohmann (CDU), Detlef Parr (FDP), Wolfgang Zöller (CSU) zeigten keinerlei Sympathie für das statische Kostendämpfungsinstrument Arzneimittelbudget. Zöller sieht die Ärzte auch in diesem Jahr auf dem Weg in die Rationierung. Die Berechnungen der ABDA für das Jahr 2000 unterstützen diese Sorge. Wahrscheinlich werden die Ärzte das ökonomische Ziel um mehrere Milliarden DM verfehlen.

Lohmann und Parr bezeichneten Richtgrößen als wesentlich flexibleres Steuerungsinstrument. Sie warfen der Regierung vor, direkt nach dem Sieg bei der Bundestagswahl die damals gerade erst eingeführten Richtgrößen ohne Grund und Not abgeschafft zu haben. Wenn Schaich-Walch jetzt den langen Zeitraum beklage, bis neue Richtgrößen vereinbart seien, dann sei das ausschließlich auf Fehler der eigenen Regierungspolitik zurückzuführen.

Mit einiger Skepsis stehen Apotheker und Oppositionspolitiker auch der integrierten Versorgung gegenüber. Wenn Ärzte sich in Netzen zusammenschließen und von der Krankenkasse eine Behandlungspauschale für jeden Versicherten im Netz erhalten, dann besteht die Gefahr, dass Netzärzte manche notwendige medizinische Leistung nicht veranlassen, da sie so ihr eigenes Einkommen verbessern könnten.

Schaich-Walch hält diese Bedenken für unbegründet. Niemand plane Netze nach dem Vorbild der USA. Auch seien Einzelverträge zwischen den Krankenkassen und Leistungserbringern nicht vorgesehen. Dafür hätten erste Modellversuche in Deutschland gezeigt, dass die Compliance bei der Arzneimitteltherapie im Netz wesentlich besser sei als in der klassischen Versorgung. Auch für die Befürchtung, im Netz würde zu stark an Arzneimitteln gespart habe sich nicht erfüllt. Die Ausgaben für Arzneimittel lägen in den Modellvorhaben auf dem normalen Niveau. Diener wies aber darauf hin, dass die heute bestehenden Netze in der Regelversorgung angesiedelt seien. Die integrierte Versorgung biete völlige andere Voraussetzungen.

Angesichts der Dringlichkeit einer stabilen und verlässlichen Gesundheitspolitik schlägt Parr parteiübergreifende Gespräche. In der Rentenpolitik liefen solche Gespräche mittlerweile recht erfolgversprechend.

Ausklammern aus Konsensgesprächen könnten die Politiker die Arzneimitteldistribution, denn hier besteht ohnehin Konsens zwischen den Parteien. Die aktuellen Versuche von Krankenkassenvertretern, den Versandhandel wieder in die Diskussion zu bringen, stoßen bei Schaich-Walch, Parr, Lohmann und Zöller auf keine Zustimmung. Lohmann stellte klar, dass die CDU zu Fremd- und Mehrbesitzverbot, Apothekenmonopol, Versandhandelsverbot und Arzneimittelpreisverordnung steht. CSU, FDP und SPD teilen diese Position.

Schaich-Walch warnte aber davor, den Einfluss der Europäischen Union zu unterschätzen. Der deutsche Weg der Arzneimitteldistribution stoße bei einigen anderen Staaten auf Unverständnis. Dort würde Versandhandel als teil des Wettbewerbes um die beste Versorgungsform gesehen. Die Regierung werde die deutsche Position zwar verteidigen, der Druck von außen sei aber groß.

Nach den Aussagen aller anwesenden Politiker haben die Apotheker in ihrem Bestreben nach einer Substitutionserlaubnis gute Karten. Nachdem am Vortag bereits der Vorsitzende des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Professor Dr. Friedrich Wilhelm Schwartz für die Arzneimittelauswahl durch die Apotheker geworben hatte, stieß Zöller ins selbe Horn. In Zukunft sollte der Apotheker bei der Arzneimittelauswahl stärker berücksichtigt werden, forderte der CSU-Gesundheitsexperte. Schaich-Walch stimmte diesem Vorschlag zumindest zaghaft zu. Top

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