Ministerin Fischer will niemanden entemachten |
26.04.1999 00:00 Uhr |
BAYERISCHER APOTHEKERTAG
Gesundheitspolitische Perspektiven gab Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer bei einer Forum-Veranstaltung auf dem Petersberg bei Bonn. Dabei ließ sie keinen Zweifel daran, daß sie entschlossen das Gesundheitsstrukturgesetz 2000 trotz engen Zeitplans durchbringen will. Vor allem wolle sie keine "aufgeregten Diskussionen, die mit der eigentlichen Debatte nichts zu tun haben". Die Qualität einer Reform stehe nicht in Proportion zu ihrer Entwicklungsdauer.
Die Ministerin skizzierte in groben Linien die bekannten Inhalte des Eckpunktepapiers und verwies auf einen Referentenentwurf, der Ende Mai vorliegen soll. Darüber hinaus erläuterte sie Motivation und Hintergründe der Veränderungen, wobei sie nicht das ganze System auf den Kopf stellen und niemanden entmachten wolle.
Erklärtes Ziel müsse mehr Effizienz und Effektivität im Gesundheitswesen sein. Jeder Versicherte müsse zur richtigen Zeit am richtigen Ort die richtige Behandlung nach dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft bekommen können. In einem modernen Gesundheitswesen müßten "Patienten und Ärzte die gleiche Augenhöhe" haben. Deshalb das Plädoyer für den Ausbau von Patientenschutz und -rechten. Das Wohl der Patienten dürfe nicht aus dem Blickfeld geraten. Die Mittel müßten zielgenau unter Qualitätskriterien eingesetzt werden.
Gesetzliche Krankenversicherung heißt für die Bundesgesundheitsministerin nicht, daß Patienten alles bekommen, was sie gerne wollen. Es heißt auch nicht, daß ein Arztbesuch nur dann erfolgreich ist, wenn der Patient mit einem Rezept die Praxis verläßt. Unter dem Globalbudget sollen die Türen zwischen den einzelnen Sektoren des verkastelten Systems geöffnet werden.
Die Zukunft sieht Fischer in integrierten Versorgungsformen, wobei Modellvorhaben nicht gleich in die Regelversorgung übernommen werden sollen. Dafür seien es Modelle, daß man auch Fehler machen und diese korrigieren könne. Daß Praxisnetze kostengünstig arbeiten können, dafür gebe es inzwischen gute Beispiele.
Unbegründet sie die Angst der Ärzte, Spielball der Krankenkassen zu werden. Ebensowenig bedrohe die Positivliste ihre Therapiefreiheit. Die Positivliste sei kein Instrument zur Kostenreduktion, sondern der Qualitätssicherung. Ziel sei auch nicht, möglichst viele Arzneimittel von der Liste fernzuhalten. Sie solle auch nicht das Arzneimittelgesetz ersetzen, sondern ergänzen.
Die Ministerin appellierte mit Nachdruck an die Selbstverwaltung. Es sei die "verdammte Pflicht und Schuldigkeit der Selbstverwaltung", nicht nur Budgets festzulegen, sondern auch zu sagen, wie man damit umgeht. Der Arzneimittelanstieg des ersten Quartals sei mit der Grippewelle nicht mehr zu erklären.
Die Beteiligten sollten sich bemühen, einen gemeinsamen Weg zu suchen, bei dem jeder Zugeständnisse machen müsse. Gerade im Gesundheitswesen werde es immer gegenläufige Interessen geben. Sie wolle aber eine möglichst große Schnittmenge erzielen. Damit sprach Fischer die Vertreter der Pharmaindustrie an, die ihr Unverständnis kundtaten, weil die Ministerin die Arzneimittelrichtlinien nicht beanstandet habe. Fischer: "Als sie sich entschlossen haben, in die Pharmaindustrie zu gehen, haben sie gewußt, daß der Markt anders funktioniert als die Automobilbranche".
Für Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Bundesverband der AOK, ist das Globalbudget nur die
zweitbeste Lösung. Die beste wäre, wenn die Kassen mit Ärzten und Krankenhäusern
Verträge schließen könnten, meint er. Die größte Sorge bleibe der Ausgabenblock
Krankenhaus. Solange hier nichts geregelt würde, verdiene das Werk nicht den Namen
Strukturreform. Wenn das aber gelinge, bleibe der Beitragssatz stabil. Gerhard Schulte,
BKK-Landesverband Bayern, stellte in Bonn die Frage nach der Tauglichkeit der Instrumente.
Die Eckpunkte seien vom Optimismus des Anfanges geprägt.
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