Politik
Trotz der
Zusicherung, das Arzneimittel werde nicht im Mittelpunkt
der dritten Stufe der Gesundheitsreform stehen, könnten
die beiden NOGs mehr Unordnung als Neuordnung stiften. So
sind die Apotheker nicht ohne Sorgen angesichts der
drohenden Gefahren für die Arzneimittelversorgung zum
Bayerischen Apothekertag nach Schweinfurt gekommen.
"Wir Apotheker werden es nicht zulassen, daß unser
gesetzlicher Auftrag - wie, wo und von wem auch immer -
in Frage gestellt wird", rief Dr. Hermann Vogel,
Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, den
mehr 400 Apothekerinnen und Apothekern bei der Eröffnung
des Bayerischen Apothekertages am 12. April zu. Auch wenn
die Apotheke im Jahre 2005 nicht mehr dieselbe wie 1997
sein wird: Der Apotheker wird immer zuverlässiger Garant
dafür sein, daß gesunde und kranke Menschen Beratung
und kompetentes Wissen in jeder Apotheke kostenlos
erhalten, unterstrich auch Gerhard Reichert, Vorsitzender
des Bayerischen Apothekerverbandes.
Klare Statements zu vielen aktuellen Fragen prägten
Vogels Rede. So wandte er sich gleich zu Beginn gegen die
Versuche, die Apotheker zum Objekt einer Drogenpolitik zu
machen. "Hasch aus der Apotheke" sei
abzulehnen, denn zuerst müßten sich Gesellschaft und
Politik entscheiden, ob Suchtbekämpfung mit Suchtmitteln
in Deutschland möglich sein soll. Erst dann könne man
über das "Wie" der Verteilung reden.
Angesichts der besonders in Bayern dringenden Probleme
mit der Substitution mit Dihydrocodein erneuerte er seine
Forderung, diesen Stoff der
Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung zu
unterstellen.
Nein zu Bonussystemen
Gefahren sieht der Kammerpräsident durch den Paragraphen
73a des Neuordnungsgesetzes auf den Berufsstand zukommen:
"Das ist Unordnung durch Neuordnung". Der
Paragraph gibt den Kassenärztlichen Vereinigungen und
den Krankenkassen-Landesverbänden die Möglichkeit,
kombinierte Gesamtentgelte für die Patienten zu
vereinbaren, die durch vernetzte Praxen versorgt werden;
die Entgelte beinhalten das ärztliche Honorar sowie die
Kosten für veranlaßte Leistungen. Damit stünden die
Ärzte in jedem Einzelfall im ethischen Konflikt. Vogel:
"Wir lehnen solche Bonussysteme entschieden
ab." Er appellierte an die Ministerien zu
verhindern, daß dieser Paragraph Gesetzeskraft erlangt.
"Unordnungsgefahren" berge auch das Bestreben
einzelner Länderbehörden, sich aus dem Vollzug der
Gesetzgebung, hier der Apothekenbetriebsordnung
zurückzuziehen. Die Umsetzung der Betriebsordnung
bedeute Qualitätssicherung, ihr Vollzug müsse beim
Staat bleiben. Die Selbstverwaltung solle sich nicht zum
nachgeordneten staatlichen Vollzugorgan denaturieren
lassen.
Auch wenn das Arzneimittel nicht im Mittelpunkt der
dritten Stufe der Gesundheitsreform steht, wird die
kräftige Erhöhung der Zuzahlung ab 1. Juli zum
Prellbock. Bei den hohen Zuzahlungen werden die
Versicherten etwa ein Fünftel der verordneten
Arzneimittel voll bezahlen. Diese Privatisierung weiter
Teile der Arzneiverordnungen erfordere eine umfassende
Information der Versicherten.
Die Apothekenpflicht wird immer wichtiger
Entschieden setzte sich Vogel für eine Apothekenpflicht
und gegen Arzneimittelversand durch Krankenkassen und
ärztliches Dispensierrecht ein, wie sie derzeit wieder
von den Ortskrankenkassen gefordert werden. Er rechnete
vor: Wurden 1992 noch fast 16 Prozent der
Krankenkassenausgaben für Arzneimittel aufgewendet - 3,6
Prozent davon blieben in den Apotheken -, so sind es
heute 12 Prozent, und 2,7 Prozent bleiben in Deutschlands
Apotheken. Darin sei alles enthalten: 130 000
Arbeitsplätze, darunter 8500 Ausbildungsplätze, die
Belieferung von 600 Millionen Rezepten jährlich und
Beratung von 4 Millionen Kunden täglich. Und das bei
Vollversorgung ohne Rosinenpickerei.
Ob jemand ernsthaft glaube, daß die Kassen im
Arzneimittelbereich irgendetwas billiger organisieren
könnten? Er, Vogel, habe den Eindruck, sie wollten von
eigenen Problemen ablenken. Von 1992 bis 1996 sind die
Verwaltungskosten der Kassen um 8,9 Prozent gestiegen,
die Arzneimittelausgaben jedoch um 3 Prozent gesunken. Es
bleibe dabei: Die Versicherten zahlen für die Verwaltung
ihrer Krankenkassen fast das Doppelte als dafür, daß es
Apotheken gibt, erklärte Vogel unter Beifall.
Wir garantieren vollständige
Arzneimittelversorgung
Die Apotheker fordern nachdrücklich einen festen und
höheren Stellenwert im Gesundheitswesen, wandte sich
Vogel an die Ministerien. "Wir wollen die
Arzneimittelversorgung laufend verbessern durch mehr
Verantwortung durch uns Apotheker." Das ABDA-Konzept
sei ein Angebot. Jedoch müsse der Staat den
Ordnungsrahmen halten, mindestens so langes bis ein
besseres, schlüssigeres Ordnungskonzept vorliege.
Niemals dürfe die Lösung sein, das Apothekenrecht und
das Arzneimittelrecht allein neoliberalistischen
Strömungen und Beliebigkeiten zu überlassen.
PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler und
Hartmut Morck, Schweinfurt
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