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Apotheker fordern Neuordnung statt Unordnung

14.04.1997  00:00 Uhr

-Politik

  Govi-Verlag

Apotheker fordern Neuordnung statt Unordnung
Bayerischer Apothekertag

  Trotz der Zusicherung, das Arzneimittel werde nicht im Mittelpunkt der dritten Stufe der Gesundheitsreform stehen, könnten die beiden NOGs mehr Unordnung als Neuordnung stiften. So sind die Apotheker nicht ohne Sorgen angesichts der drohenden Gefahren für die Arzneimittelversorgung zum Bayerischen Apothekertag nach Schweinfurt gekommen.

"Wir Apotheker werden es nicht zulassen, daß unser gesetzlicher Auftrag - wie, wo und von wem auch immer - in Frage gestellt wird", rief Dr. Hermann Vogel, Präsident der Bayerischen Landesapothekerkammer, den mehr 400 Apothekerinnen und Apothekern bei der Eröffnung des Bayerischen Apothekertages am 12. April zu. Auch wenn die Apotheke im Jahre 2005 nicht mehr dieselbe wie 1997 sein wird: Der Apotheker wird immer zuverlässiger Garant dafür sein, daß gesunde und kranke Menschen Beratung und kompetentes Wissen in jeder Apotheke kostenlos erhalten, unterstrich auch Gerhard Reichert, Vorsitzender des Bayerischen Apothekerverbandes.

Klare Statements zu vielen aktuellen Fragen prägten Vogels Rede. So wandte er sich gleich zu Beginn gegen die Versuche, die Apotheker zum Objekt einer Drogenpolitik zu machen. "Hasch aus der Apotheke" sei abzulehnen, denn zuerst müßten sich Gesellschaft und Politik entscheiden, ob Suchtbekämpfung mit Suchtmitteln in Deutschland möglich sein soll. Erst dann könne man über das "Wie" der Verteilung reden. Angesichts der besonders in Bayern dringenden Probleme mit der Substitution mit Dihydrocodein erneuerte er seine Forderung, diesen Stoff der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung zu unterstellen.

Nein zu Bonussystemen

Gefahren sieht der Kammerpräsident durch den Paragraphen 73a des Neuordnungsgesetzes auf den Berufsstand zukommen: "Das ist Unordnung durch Neuordnung". Der Paragraph gibt den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen-Landesverbänden die Möglichkeit, kombinierte Gesamtentgelte für die Patienten zu vereinbaren, die durch vernetzte Praxen versorgt werden; die Entgelte beinhalten das ärztliche Honorar sowie die Kosten für veranlaßte Leistungen. Damit stünden die Ärzte in jedem Einzelfall im ethischen Konflikt. Vogel: "Wir lehnen solche Bonussysteme entschieden ab." Er appellierte an die Ministerien zu verhindern, daß dieser Paragraph Gesetzeskraft erlangt.

"Unordnungsgefahren" berge auch das Bestreben einzelner Länderbehörden, sich aus dem Vollzug der Gesetzgebung, hier der Apothekenbetriebsordnung zurückzuziehen. Die Umsetzung der Betriebsordnung bedeute Qualitätssicherung, ihr Vollzug müsse beim Staat bleiben. Die Selbstverwaltung solle sich nicht zum nachgeordneten staatlichen Vollzugorgan denaturieren lassen.

Auch wenn das Arzneimittel nicht im Mittelpunkt der dritten Stufe der Gesundheitsreform steht, wird die kräftige Erhöhung der Zuzahlung ab 1. Juli zum Prellbock. Bei den hohen Zuzahlungen werden die Versicherten etwa ein Fünftel der verordneten Arzneimittel voll bezahlen. Diese Privatisierung weiter Teile der Arzneiverordnungen erfordere eine umfassende Information der Versicherten.

Die Apothekenpflicht wird immer wichtiger

Entschieden setzte sich Vogel für eine Apothekenpflicht und gegen Arzneimittelversand durch Krankenkassen und ärztliches Dispensierrecht ein, wie sie derzeit wieder von den Ortskrankenkassen gefordert werden. Er rechnete vor: Wurden 1992 noch fast 16 Prozent der Krankenkassenausgaben für Arzneimittel aufgewendet - 3,6 Prozent davon blieben in den Apotheken -, so sind es heute 12 Prozent, und 2,7 Prozent bleiben in Deutschlands Apotheken. Darin sei alles enthalten: 130 000 Arbeitsplätze, darunter 8500 Ausbildungsplätze, die Belieferung von 600 Millionen Rezepten jährlich und Beratung von 4 Millionen Kunden täglich. Und das bei Vollversorgung ohne Rosinenpickerei.

Ob jemand ernsthaft glaube, daß die Kassen im Arzneimittelbereich irgendetwas billiger organisieren könnten? Er, Vogel, habe den Eindruck, sie wollten von eigenen Problemen ablenken. Von 1992 bis 1996 sind die Verwaltungskosten der Kassen um 8,9 Prozent gestiegen, die Arzneimittelausgaben jedoch um 3 Prozent gesunken. Es bleibe dabei: Die Versicherten zahlen für die Verwaltung ihrer Krankenkassen fast das Doppelte als dafür, daß es Apotheken gibt, erklärte Vogel unter Beifall.

Wir garantieren vollständige Arzneimittelversorgung

Die Apotheker fordern nachdrücklich einen festen und höheren Stellenwert im Gesundheitswesen, wandte sich Vogel an die Ministerien. "Wir wollen die Arzneimittelversorgung laufend verbessern durch mehr Verantwortung durch uns Apotheker." Das ABDA-Konzept sei ein Angebot. Jedoch müsse der Staat den Ordnungsrahmen halten, mindestens so langes bis ein besseres, schlüssigeres Ordnungskonzept vorliege. Niemals dürfe die Lösung sein, das Apothekenrecht und das Arzneimittelrecht allein neoliberalistischen Strömungen und Beliebigkeiten zu überlassen.

PZ-Artikel von Brigitte M. Gensthaler und Hartmut Morck, Schweinfurt    

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