Politik
Nach der
Beschlußfassung über die Gesetzentwürfe zum 1. und 2.
NOG im Deutschen Bundestag am 20. März 1997 wird sich
der Bundesrat mit den beiden Gesetzen befassen und
voraussichtlich den Vermittlungsausschuß anrufen. Es ist
davon auszugehen, daß dieser die Aufhebung des
Gesetzesbeschlusses empfehlen und der Bundestag
anschließend diese Empfehlung ablehnen wird. Danach wird
der Bundesrat Einspruch einlegen, der dann im Bundestag
mit der sogenannten Kanzlermehrheit zurückgewiesen
werden kann.
Diese Zurückweisung wird nach der derzeitigen
Terminplanung für beide Gesetze am 12. Juni 1997
erfolgen. Die Gesetze könnten noch im Juni im
Bundesgesetzblatt verkündet werden. Dann würde das 1.
NOG am Tag nach der Verkündung und das 2. NOG am 1. Juli
1997 in Kraft treten.
Damit müssen nach den Berechnungen der ABDA 20 Prozent
aller Arzneimittelpackungen von den Versicherten zu 100
Prozent selbst bezahlt werden. Damit die
Apothekensoftwarehäuser die neuen Zuzahlungsbeträge zum
1. Juli 1997 in die Apotheken-EDV einspielen können,
sind erhebliche Vorarbeiten notwendig, die nicht
innerhalb von 14 Tagen geleistet werden können. Es ist
daher bemerkenswert, daß der Gesetzgeber, indem er eine
längere Übergangsfrist ablehnt, von den Apothekern
erwartet, das Gesetz bereits vor seinem Inkrafttreten zu
praktizieren, ohne die Gewißheit zu haben, daß es auch
tatsächlich kommt.
Zum 1. September 1997 folgen dann die ersten
beitragssatzbedingten Zuzahlungserhöhungen gemäß §
221 SGB V/l.NOG, während die Dynamisierungsregelungen in
den weiteren Jahren, erstmals zum 1. Juli 1999 und danach
in zweijährigen Abständen, automatisch das Niveau der
Zuzahlung weiter ansteigen lassen.
Nach § 221 SGB V/l.NOG werden je 0,1 Prozentpunkt
Beitragssatzerhöhung einer Krankenkasse die
Arzneimittelzuzahlungen für die Versicherten der
betreffenden Krankenkasse zusätzlich um 1 DM erhöht.
Das bedeutet für die Versicherten einiger Ersatzkassen,
die um 0,5 Prozent ihre Beiträge erhöhen wollen, eine
Zuzahlung bei N1-Packungen von 14, bei N2 von 16 und bei
N3 von 18 DM. Allerdings sind Beitragssatzerhöhungen
infolge Risikostrukturausgleichszahlungen zwischen den
Krankenkassen ausgenommen. Der § 221 SGB V gilt erstmals
für Beitragssatzerhöhungen, die nach dem 11. März 1997
wirksam werden. Spätere Beitragssatzsenkungen werden die
Zuzahlungsbeträge wieder entsprechend reduzieren,
allerdings dürfen die Beträge nach § 31 SGB V nicht
unterschritten werden. Beitragssatzbedingte
Zuzahlungserhöhungen treten jeweils einen Monat nach der
Beitragssatzerhöhung in Kraft.
Entgegen nachdrücklicher Forderungen seitens der ABDA
hat der Gesetzgeber für die Mitteilung der maßgeblichen
beitragssatzbedingten Zuzahlungsveränderungen an die
Apotheker keine "Bringschuld" der Krankenkassen
in das Gesetz aufgenommen. Diese Regelung wurde bewußt
vermieden, weil das Gesetz damit im Bundesrat
zustimmungspflichtig geworden wäre. Der Deutsche
Apothekerverband wird nun in Verhandlungen mit den
Krankenkassen eine entsprechende Regelung über die
Datenübermittlung treffen müssen.
Bei den im 2.NOG vorgesehenen kassenspezifischen
Zuzahlungserhöhungen (§ 55 SGB V/2.NOG) hat die ABDA
erreichen können, daß von der ursprünglich geplanten
Möglichkeit, Zuzahlungserhöhungen nach
Indikationsgebieten oder Stoffgruppen zu staffeln,
Abstand genommen wurde. Trotzdem können die einzelnen
Krankenkassen nach dieser Regelung für bereits
bestehende Zuzahlungen, also auch bei Arzneimitteln,
durch Satzungsbeschluß für ihre Versicherten weitere
Erhöhungen vorsehen. Die von der ABDA geforderten
Übergangsfristen sind auch in diesen Paragraphen des
Gesetzes nicht aufgenommen worden, so daß ausreichende
Vorlaufzeiten auf der Selbstverwaltungsebene vereinbart
werden müssen.
Der neue § 73a SGB V gibt den Kassenärztlichen
Vereinigungen und den Landesverbänden der Krankenkassen
die Möglichkeit, für Versicherte, die durch vernetzte
Praxen oder Hausärzte versorgt werden, wie in
amerikanischen HMOs kombinierte Gesamtentgelte zu
vereinbaren, die sowohl das ärztliche Honorar als auch
die Kosten für veranlaßte Leistungen umfassen. Es ist
zu befürchten, daß solche kombinierten Budgets bei
vielen Ärzten Ängste erzeugen, die zu Irrationalem
Verhalten führen können. Damit werden durch das Gesetz
Verträge ermöglicht, deren Konsequenzen zu Lasten
Dritter, nämlich der Patienten und der Erbringer
ärztlich veranlagter Leistungen, gehen.
Die Erfahrungen mit HMOs lassen befürchten, daß es
durch derartige Verträge zur Patientenselektion und
Aussteuerung von "schlechten" Risiken kommen
kann. Die ABDA hat deshalb diese Regelung in der
Anhörung des Gesetzes im Gesundheitsausschuß am 14.
März 1997 abgelehnt und entsprechend der
Beschlußfassung im Gesamtvorstand vorgeschlagen, den
vorgesehenen Wortlaut zumindest dahingehend zu ergänzen,
daß die auf Landesebene zuständigen maßgeblichen
Verbände der Leistungserbringer in den
Strukturverträgen zu berücksichtigen sind.
Für unverzichtbar hat die ABDA in der Anhörung
erklärt, daß im § 73a eine Anhörung der betroffenen
Verbände der Leistungserbringer wie bei § 92a SGB V
vorzusehen und den Partnern der Strukturverträge
aufzuerlegen ist, sich mit diesen Stellungnahmen
ernsthaft auseinanderzusetzen. Trotz der Unterstützung
durch die Industrieverbände und den Phagro ist der
Gesetzgeber diesen Vorschlägen nicht gefolgt.
Artikel von der PZ-Redaktion
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