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Politik 1

11.03.2002  00:00 Uhr

GKV-AUSGABEN

Blanker Optimismus

von Thomas Bellartz, Berlin

Ihren Optimismus lässt sich Ulla Schmidt (SPD) nicht rauben. "Die Krankenkassenbeiträge werden in diesem Jahr wieder sinken", kündigte die Gesundheitsministerin am 6. März in Berlin an. Das Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bezifferte Schmidt für das Jahr 2001 auf knapp 2,8 Milliarden Euro.

Bei einem Ausgabenvolumen von 138,2 Milliarden Euro seien rund zwei Drittel des Defizits auf die "unverhältnismäßig stark angestiegenen Ausgaben im Arzneimittelbereich" zurückzuführen. Die Arzneimittelausgaben legten um 11,2 Prozent auf 22,4 Milliarden Euro zu. Der Anteil an den Gesamtausgaben stieg auf 16,3 Prozent.

Schmidt kritisierte die zunehmende Verordnung von Me-too-Präparaten, die zwar teurer seien, aber nur einen geringfügig höheren therapeutischen Nutzen aufwiesen. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums sind die Leistungsausgaben der Kassen je Patient im Vergleich zum Vorjahr um 3,7 Prozent angestiegen. Der durchschnittliche Beitragssatz liegt seit Jahresanfang bundesweit bei rund 14 Prozent.

Schwarze Zahlen

Schmidt erklärte in Berlin, dass die GKV das laufende Jahr mit schwarzen Zahlen abschließen werde. Die Beiträge würden wieder unter 14 Prozent sinken. Hintergrund ist, dass mehrere Krankenkassen ihre Beiträge wegen deutlicher Überschussentwicklung senken müssten. Die AOK Sachsen hat bereits angekündigt, ihren Beitragssatz zum 1. April 2002 um 0,5 Prozentpunkte auf 12,9 Prozent zu senken. Zu einer Beitragssenkung werde auch das neue Krankenkassenwahlrecht beitragen.

Mehrere Gesetze würden in den nächsten Monaten zu erheblichen Kostendämpfungen führen. So werde das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz zusammen mit der Absenkung der Arzneimittelfestbeträge zu jährlichen Einsparungen von 1,3 Milliarden Euro führen. Das Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz habe zu einer Verpflichtung von Ärzten und Krankenkassen geführt, sich "ohne starre Budgets" auf Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsziele zu einigen. So sollen im laufenden Jahr Einsparungen von 4,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr erzielt werden. Auch der Risikostrukturausgleich, die Einführung von Disease-Management-Programmen und das gerade eingeführte Fallpauschalengesetz würden zu flächendeckenden Einsparungen führen.

Die Ministerin sieht neben den Ausgaben für Arzneimittelbereich erhebliche Einsparpotenziale bei den stark gestiegenen Fahrtkosten sowie bei den Verwaltungsausgaben der Kassen. Da müsse man "in Zukunft genauer hinschauen".

Heftige Kritik

Die Opposition kritisierte das Zahlenwerk aus dem Gesundheitsministerium heftig. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Wolfgang Lohmann, monierte, dass das Rechnungsergebnis "schlechter ausgefallen ist, als von der Ministerin erwartet". Schmidt habe in der Gesundheitspolitik auf ganzer Linie versagt. Das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz sei ein Flop, der seinesgleichen suche. Nie zuvor sei der Beitragssatz zur GKV "so hoch wie heute" gewesen. Lohmanns Kollege von der FDP-Fraktion, Dr. Dieter Thomae, stieß ins gleiche Horn. Die Hoffnung der Ministerin für das laufende Jahr werde sich als Makulatur erweisen. Es sei unverzeihlich, dass Frau Schmidt so "tut, als ob nichts geschehen" müsse. Arbeitgeberpräsident Hundt forderte erneut eine radikale Gesundheitsreform.

Lediglich der Verband forschender Arzneimittelhersteller (VFA) bewertete den Ausgabenanstieg positiv: Denn der sei ein Beleg für den "enormen Nachholbedarf der Patienten", so VFA-Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer. Top

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