Kein Amt für Einsparungen |
31.01.2005 00:00 Uhr |
Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin (IQWIG) soll den Nutzen von diagnostischen und therapeutischen Verfahren bewerten. Die Bundesregierung will auf diesem Weg auch die Ausgaben senken. Institutsleiter Professor Dr. Peter Sawicki sieht sich allerdings nicht als Sparkommissar.
Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz hat die Bundesregierung die Gründung des IQWIG festgelegt. Es soll Behandlungsleitlinien bewerten, die Empfehlungen zu Disease-Management-Programmen abgeben und den Nutzen von bereits zugelassenen Arzneimitteln überprüfen. Außerdem wird das IQWIG Patienteninformationen erstellen. Die Ergebnisse der Arbeit werden als Empfehlungen an den Gemeinsamen Bundesausschuss weitergeleitet. Dieser ist allerdings nicht grundsätzlich verpflichtet, die Erkenntnisse des IQWIG zu berücksichtigen.
Vor allem bei der pharmazeutischen Industrie hat die Gründung des Institutes erheblichen Unmut ausgelöst. Die Unternehmen fürchten, die Untersuchungen des IQWIG würden von Regierung und Krankenkassen in erster Linie zur Ausgrenzung von Arzneimitteln aus dem Erstattungskatalog und damit zur Kostendämpfung genutzt. Genährt wird diese Befürchtung auch von Aussagen aus dem Bundesgesundheitsministeriums (BMGS). Bei einer Veranstaltung des Bundesverbandes der Arzneimittelhersteller (BAH) in Bonn bezifferte BMGS-Referentin Sonja Optendrenk die aus den IQWIG-Bewertungen resultierenden Einsparungen bei Arzneimitteln auf 500 Millionen Euro.
Institutsleiter Sawicki will sich auf solche Zahlen jedoch keineswegs festlegen lassen. „Wir sind das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Medizin, nicht für Einsparungen im Gesundheitswesen”, sagte er auf derselben BAH-Veranstaltung. Im Vordergund der Arbeit stehe die Bewertung des Nutzens einer Arzneimitteltherapie. Einsparungen bei Medikamenten seien nicht das Ziel des Institutes. Kommen werden sie aber wohl dennoch. Sawicki: „Ich denke, dass wir in Deutschland eine Überversorgung mit Arzneimitteln und eine Unterversorgung beim medizinischen Personal haben.”
Kein deutsches NICE
Sawicki wehrte sich auch gegen den Vorwurf, das IQWIG bahne den Weg in die Staatsmedizin. Sein Institut spreche lediglich Empfehlungen aus, die Krankenkassen und Ärzten bei ihre Entscheidungen im G-BA helfen sollen. Ein Vergleich mit dem britischen NICE (National Institute for Clinical Excellence) sei unsinnig. In Deutschland gebe es keine Akzeptanz für eine Behörde, die zu Beispiel festlegt, bis zu welchem Alter und zu welchem Preis Therapien vom Sozialversicherungssystem bezahlt werden.
Bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln will sich das IQWIG vor allem an patientenrelevanten Parametern orientieren, sagte Sawicki. Entscheidend seien Kriterien wie eine schnellere Genesung, längere Überlebenszeit oder eine Verbesserung der Beschwerden. Für weniger aussagekräftig hält der Mediziner dagegen pathophysiologisch relevante Krankheitsaspekte. Hier gebe es zu häufig Trugschlüsse und Fehlinterpretationen. So senke etwa Clofibrat zwar das Serum-Cholesterol, dennoch hätten Studien ergeben, dass die Therapie die Sterblichkeit um 4 Prozent erhöhe. Ein weiterer Beleg für die geringe Aussagekraft von Surrogatparametern sei Natrium-Fluorid bei Osteoporose. Es erhöhe zwar die Knochendichte, dennoch stieg in Studien die Häufigkeit von Frakturen außerhalb der Wirbelsäule um das Dreifache.
Beim Umgang mit den Ergebnissen legt Sawicki großen Wert auf Transparenz. Alle Resultate sollen grundsätzlich veröffentlicht werden. Parallel sollen Ärzte und Patienten adäquat aufbereitete Informationen erhalten. Sawicki will auf diesem Weg erreichen, dass von der Industrie erstellte Informationsbroschüren weniger Gehör finden. Die Botschaften der Hersteller hätten vornehmlich werblichen Charakter, ihnen fehle oft die Seriosität. Lediglich 6 Prozent der Industrie-Information an die Ärzte seien tatsächlich durch wissenschaftliche Studien belegt. Die Industrie kritisiert das Verfahren, weil es ihr kein Einspruchsrecht einräumt. Die von IQWIG-Untersuchungen betroffenen Unternehmen erhalten lediglich die Gelegenheit zur Stellungnahme.
Der G-BA hat dem IQWIG für dieses Jahr bereits einen umfangreichen Auftrag erteilt. Für die Indikationne Diabetes mellitus Typ 1 und 2, Bluthochdruck, Asthma bronchiale, chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD), Demenz und Depression soll das Institut verschiedene medikamentöse Therapien untereinander sowie mit nicht-medikamentösen Therapien vergleichen. Außerdem steht ein Vergleich von ASS und Clopidogrel auf dem Plan.
Zurzeit hat das IQWIG 30 Mitarbeiter. Zum Jahresende 2005 sollen es nach Sawckis Angaben 53 sein. Dem Institutsleiter wäre ein langsamerer Start nach eigenem Bekunden lieber gewesen. Doch dem Gesetzgeber lag viel daran, dass das IQWIG schnell Ergebnisse liefert. Jetzt muss es direkt in die Vollen gehen. Angesichts der Streitfreudigkeit in der Industrie sicherlich nicht immer eine angenehmen Aufgabe.
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