Politik
Zuzahlung nach
Indikationen kommt wohl nicht
Gesundheitspolitiker
der Koalition haben sich gegen die geplante
Arzneimittelzuzahlung nach Indikationen und Stoffgruppen
ausgesprochen. Die im 2. GKV-Neuordnungsgesetz (NOG 2)
vorgesehene Regelung ermögliche es den Krankenkassen
faktisch, eine Positivliste einzuführen, kritisierte
Wolfgang Lohmann, Vorsitzender des Ausschusses Gesundheit
der CDU/CSU Bundestagsfraktion auf einer Veranstaltung in
Königswinter.
"Mit mir wird es keine Neuauflage der
Positivliste geben, auch nicht durch die
Hintertür", sagte Lohmann. Die indikationsbezogene
Zuzahlung, wie sie in § 55 des NOG 2 geplant ist, lehne
er ab, weil sie den Krankenkassen die Möglichkeit biete,
ganze Medikamentengruppen durch eine extrem hohe
Zuzahlung auszugrenzen. Seine Einschätzung werde
mittlerweile von vielen Unionspolitikern geteilt. Über
die Sinnhaftigkeit von Positivlisten sei lange genug
diskutiert worden. Es sei erwiesen, daß diese als
Sparinstrument nicht taugen, so der CDU-Politiker.
Da auch der FDP-Politiker und Vorsitzende des
Gesundheitsausschusses, Dieter Thomae, die umstrittene
Zuzahlungsregelung ablehnt, dürften die Tage dieser
Passage des NOG 2 gezählt sein. Arzneimittellisten seien
medizinisch unsinnig, da sie Standardtherapien
bedeuteten. Es gebe aber weder Standardkrankheiten noch
Standardpatienten, so Thomae. Der FDP-Politiker möchte
die Versicherten über eine prozentuale Zuzahlung in
allen Sektoren an den Krankheitskosten beteiligen.
Die große Mehrheit der Apotheker wird das Abrücken von
der Zuzahlung nach Indikationen und Stoffgruppen
begrüßen. Die Spitzenfunktionäre von Kammern und
Verbänden hatten immer wieder davor gewarnt, die
Regelung werde ein Zuzahlungschaos verursachen.
Theoretisch seien dann 360 000 verschiedene Zuzahlungen
möglich, rechnete der damalige ABDA-Präsident Klaus
Stürzbecher auf dem Apothekertag in Leipzig vor.
Thomae wandte sich auch entschieden gegen die Absicht der
Krankenkassen, die Festbeträge generell abzusenken. Die
verfassungsrechtlich umstrittenen Festbeträge seien ein
denkbar schlechtes Mittel, die Arzneimittelausgaben zu
senken. Er warnte die Kassen ausdrücklich davor,
"hierbei den Bogen zu überspannen."
"Die Zeiten des Budgets sind bald vorbei"
Auch die Tage des Arzneimittelbudgets scheinen
gezählt, denn "in der Union nimmt die Überzeugung,
das Budget sei etwas Sinnvolles, langsam ab."
Während Lohmann noch vorsichtig über den
Stimmungswandel innerhalb seiner Fraktion berichtete,
wird Thomae deutlicher: "Die Zeiten des Budgets sind
bald vorbei."
Freilich bedeutet ein Auslaufen der Budgetierung nicht
das Ende der begrenzten GKV-Aufwendungen für
Arzneimittel. Thomae und Lohmann favorisieren für die
Zukunft arztgruppenbezogene Richtgrößen, wodurch die
Ausgaben der medizinischen Fachrichtungen und damit auch
die Arzneimittelkosten reguliert werden. Thomae betonte
aber, daß es nicht die Aufgabe der Politik sei, solche
Richtgrößen festzulegen, dies könne nur innerhalb der
Ärzteschaft erfolgen.
Im Gegensatz zu den Vertretern der Regierungsparteien,
unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion nach wie vor die
Einführung einer Positivliste. Durch eine Liste lasse
sich die Qualität der Arzneimittelversorgung verbessern,
so Gudrun Schaich-Walch, Mitglied der SPD-Arbeitsgruppe
Gesundheit. Dabei dürfe es jedoch keine Herausnahme
ganzer Indikationsgruppen geben. Die Liste sei auch kein
"Korrekturinstrument für erteilte
Zulassungen". Ausschließlich der therapeutische
Nutzen und die Zweckmäßigkeit eines Medikamentes sollte
als Kriterium für dessen Aufnahme in die Liste dienen.
Die SPD befürwortet nach wie vor ein Globalbudget. Dies
müsse dann, durch sektorale Budgets "nach unten
ausdifferenziert werden", so Schaich-Walch. Einig
sind sich Opposition und Koalition, daß es in Zukunft
möglichst keine Erhöhung der Beitragssätze für die
Sozialversicherungen geben soll. Schaich-Walch: "Die
Mittel sind begrenzt, wir müssen mit dem jetzt
vorhandenen Geld auskommen."
PZ-Artikel von Daniel Rücker, Königswinter
© 1996 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de