Auch nicht ohne Wechselwirkungen |
23.10.2000 00:00 Uhr |
Jeder fünfte Mensch erkrankt statistisch gesehen einmal im Leben an einer Depression. Günstig dabei: Drei Viertel aller Depressionen sind mild bis moderat ausgeprägt. In einer Reihe von placebokontrollierten Studien hat Johanniskraut hier seine Wirksamkeit bewiesen. Doch was wirkt, hat auch Nebenwirkungen; Hypericum macht hier keine Ausnahme.
Trotz allgemein guter Verträglichkeit sind einige Wechselwirkungen und Kontraindikationen für den Pflanzenextrakt zu beachten. Professor Dr. Walter Müller, Frankfurt, fasste die Daten für den Extrakt LI 160 (Jarsin®) bei einer Pressekonferenz der Lichtwer Pharma am 13. Oktober anlässlich des Phytomedizin-Kongresses in München zusammen.
Johanniskraut wirkt weder kardiotoxisch noch verschlechtert es das Fahrvermögen noch erhöht es den negativen Einfluss von Alkohol auf das Reaktionsvermögen. Am häufigsten wird in Studien über unspezifische gastrointestinale Beschwerden und Hautreaktionen berichtet; die Rate liegt deutlich unter 1 Prozent. Jedoch sollten Patienten, die sehr empfindlich auf Sonnenlicht reagieren, eine extreme Einstrahlung während der Therapie vermeiden, riet Müller.
Der Extrakt LI 160 ist in Mengen von 300 bis 900 mg pro Tag ebenfalls wirksam und sicher bei Kindern, wie eine Studie mit rund 100 Kindern zwischen einem und zwölf Jahren ergab. Wegen ungenügender Erfahrung sollten Frauen im ersten Trimenon der Schwangerschaft den Extrakt nicht einnehmen. Toxikologische Studien mit Ratten haben jedoch keinen Einfluss auf die Reproduktion gezeigt, betonte der Pharmakologe.
Pharmakovigilanz-Studien, Fallberichte und Wechselwirkungsstudien haben einige Interaktionen aufgedeckt, die der Apotheker bei der Beratung berücksichtigen sollte. So kann der Pflanzenextrakt die Plasmaspiegel von Ciclosporin und Indinavir senken. Um hier jeder Gefahr aus dem Weg zu gehen, ist Johanniskraut kontraindiziert für Patienten, die Ciclosporin oder HIV-Proteasehemmer bekommen. Nimmt der Patient perorale Antikoagulantien wie Phenprocoumon, sind die Blutgerinnungswerte engmaschig zu kontrollieren, empfahl Müller. Dies gilt besonders, wenn die Johanniskraut-Medikation während der Antikoagulantien-Dauertherapie begonnen, gestoppt oder in der Dosis verändert wird.
Auch bei Arzneistoffen mit enger therapeutischer Breite, zum Beispiel Digoxin, Theophyllin oder Antikonvulsiva, sollte man die Plasmaspiegel im Auge behalten. Ein "zusätzlicher Sicherheitshinweis", so der Frankfurter Pharmakologe, da es bislang "keine schlüssigen Daten zu Wechselwirkungen" gebe. Wichtig für Frauen, die perorale Kontrazeptiva mit niedrigem Estrogenanteil nehmen: Möglicherweise können Durchbruchsblutungen auftreten. Hier sei die Datenlage unklar.
Müller resümierte: Im Vergleich zu allen anderen Antidepressiva hat der Johanniskraut-Extrakt ein bemerkenswert gutes Sicherheitsprofil. Bei Beachtung der Interaktionen gelte dies auch für ältere Patienten.
© 2000 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de