Alfuzosin zur Behandlung des akuten Harnverhalts |
22.03.2004 00:00 Uhr |
von Anke Pfleger, Düsseldorf
Alfuzosin ist als erster und einziger α-Blocker zur begleitenden Therapie des akuten Harnverhalts bei Männern mit benigner Vergrößerung der Prostata zugelassen. Der Arzneistoff verdoppelte bei diesen Patienten nach Katheterentfernung nahezu die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Blasenentleerung.
Der akute Harnverhalt ist als Unfähigkeit zur willkürlichen Blasenentleerung definiert und stellt eine schwer wiegende Komplikation der benignen Prostatahyperplasie (BPH) dar. Bis zu 1,5 L Harn können sich in der Blase dieser Patienten ansammeln, drei- bis fünffach so viel wie bei Gesunden, erläuterte Professor Dr. Klaus Höfner, Chefarzt des Evangelischen Krankenhauses Oberhausen, auf einer Pressekonferenz von Sanofi-Synthélabo. Die Störung ist für die Betroffenen sehr unangenehm und schmerzhaft und kann unter Umständen mit Kreislaufstörungen einhergehen. Eine sofortige Einweisung zur Harnblasenentleerung über einen Katheter ist meist die Folge.
Alfuzosin (UroXatral® Uno) wird seit Jahren erfolgreich bei der Behandlung der funktionellen Symptome der benignen Prostatavergrößerung eingesetzt. Seit kurzem ist der Wirkstoff nun auch zur Anwendung bei akutem Harnverhalt infolge einer BPH zugelassen.
Folgen des akuten Harnverhalts
Männer mit akutem Harnverhalt sollten sich einem so genannten Katheterauslassversuch unterziehen. Dieser „Versuch ohne Katheter“ (TWOC, trial without catheter) sollte nach zwei bis drei Tagen erfolgen, da bei dieser Verweildauer über die Hälfte der Patienten Chancen auf eine Katheterfreiheit haben. So bestünde die Hoffnung, dass mit einer erfolgreichen Therapie des akuten Harnverhalts sowie der BPH-Symptomatik eine Operation gänzlich vermieden werden könnte.
Ein erfolgloser Katheterauslassversuch mit erneutem akuten Harnverhalt ziehe hingegen in der Regel einen operativen Eingriff an der Prostata nach sich. Diese Männer haben im Vergleich zu Patienten, bei denen die Operation nach einem erfolgreichen Katheterauslassversuch durchgeführt wurde, ein erhöhtes Risiko für intraoperative Komplikationen, Transfusionen, postoperative Komplikationen und Tod während des Klinikaufenthalts. Zudem geht die Katheterisierung vor der Operation mit einem erhöhten Risiko für Sepsis und Blutungen infolge einer bakteriellen Besiedelung einher. “Eine Erhöhung der erfolgreichen Katheterauslassversuchsrate erspart dem Patienten die Belastung einer Notoperation“, sagte Alan McNeill, Studien-Prüfarzt und Facharzt für Urologie am Western General Hospital, Edinburgh, UK.
Ergebnisse der ALFAUR-Studie
Die Indikationserweiterung für Alfuzosin basiert auf den Ergebnissen der Phase-I-Studie ALFAUR (Alfuzosin in Acute Urinary Retention), die 357 Männer über 50 Jahren mit einem erstmaligen akuten Harnverhalt infolge einer BPH einschloss. Dabei wurde in dieser multizentrischen, randomisierten Doppelblindstudie (Alfuzosin 10 mg/Tag versus Placebo) die Blasenentleerung jeweils morgens der über 2 bis 3 Tage katheterisierten Männer sowie 24 Stunden nach Entfernung des Katheters beobachtet.
Dabei erhöhte Alfuzosin nach Katheterentfernung bei Patienten im Alter von 65 Jahren und älter signifikant die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Blasenentleerung (61, 7 Prozent versus 47,6 Prozent). Bei Hoch-Risiko-Patienten (Alter über 65 Jahre beziehungsweise Retentionsvolumen über 1000 ml) verdoppelte sich sogar nahezu die Chance auf eine Wiederaufnahme der Spontanmiktion und insofern für einen erfolgreichen Katheterauslassversuch, sagte McNeill. So lag bei Patienten im Alter von 65 Jahren und älter die Erfolgsquote bei 56 Prozent gegenüber 36 Prozent unter Placebo.
Auch über einen Zeitraum von sechs Monaten zeigte sich, dass die Einnahme von 10 mg Alfuzosin (ALFAUR Phase 2), das Risiko für eine Operation reduziert. So betrug das Risiko für eine Operation verglichen mit Placebo nach einem Monat 61 Prozent, nach drei Monaten 52 Prozent und nach sechs Monaten 29 Prozent. Besonders bei Patienten mit geringen Restharnwerten zeigte sich ein besserer Miktionserhalt, eine Restharnmenge über 100 ml beeinflusste die Notwendigkeit einer Operation nach erfolgreichem Katheterauslassversuch negativ.
Die Ergebnisse der beiden Studien bedeuteten für den Patienten eine Reduktion der Katheterbedingten Morbidität sowie der Komplikationen einer Operation, resümierte McNeill.
Akuter Harnverhalt und BPH Bei Patienten mit akutem Harnverhalt wird am häufigsten eine BPH als zu Grunde liegende Ursache diagnostiziert. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, so Professor Dr. Klaus Höfner, Chefarzt des Evangelischen Krankenhauses Oberhausen, dass bei nahezu der Hälfte aller Männer im Alter von 60 Jahren Harnwegsprobleme auftreten. Diese Rate erhöhe sich bis zum Alter von 80 Jahren auf 80 Prozent. Unbehandelt kann die BPH zu einer irreversiblen Schädigung der Harnblase führen.
Weitere Risikofaktoren seien neben Alter und Prostatagröße vor allem der maximale Harnfluss und die Restharnmenge. So erhöht eine Restharnmenge von über 50 ml das Risiko für einen akuten Harnverhalt ebenfalls um das Dreifache.
Damit liege das Risiko innerhalb der nächsten zehn Jahre einen akuten Harnverhalt zu erleiden für einen Mann mit moderaten Symptomen im Alter von 60 Jahren bei 13,7 Prozent, während das Risiko für einen Schlaganfall 7,2 Prozent, eine Hüftfraktur 4,9 Prozent, oder einen Herzinfarkt 5,1 Prozent beträgt.
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