Natriumfolinat vereinfacht das Therapieschema |
18.02.2002 00:00 Uhr |
von Frank Schulte, Hamburg
Bereits 1957 wurde 5-Fluorouracil (5-FU) eingeführt. Seitdem avancierte der Arzneistoff zu einem universell einsetzbaren Zytostatikum. Besonders durch die Modulation der 5-FU-Aktivität durch Folinsäure hat sich diese Therapie als Standard in der Behandlung kolorektaler Karzinome etabliert. Seit Anfang Februar kann 5-FU simultan mit Natriumfolinat infundiert werden.
Anfang der 90er-Jahre stellten Bach Ardalan und seine Kollegen vom Cancer Center an der Universität von Miami ein Infusionsregime mit hochdosiertem 5-FU und Calciumfolinat als 24-Stunden-Infusion vor, das einmal pro Woche verabreicht werden muss (1). Dieses Regime sprach bei kolorektalen Karzinomen besonders gut an. Im Verlauf der Studie kam es allerdings bei der simultanen Gabe von 5-FU und Calciumfolinat über einen gemeinsamen Port zu Ausfällungen und damit zu Katheterproblemen. Schließlich applizierte man beide Wirkstoffe über zwei separate Pumpen.
Die daraus entwickelte Hochdosistherapie mit einer ein- bis zweistündigen Vorinfusion von Calciumfolinat - das so genannte AIO-Schema - zeichnet sich unter anderem durch eine vergleichsweise geringe Hämatotoxizität und ein günstigeres Toxizitätsprofil gegenüber dem Mayo-Regime aus (3). In zwei prospektiven randomisierten Phase-III-Studien konnten weiterhin signifikante Vorteile des AIO-Schemas im Vergleich zum Mayo-Schema belegt werden. Hans-Joachim Weh und Kollegen vom Universitätsklinikum Hamburg demonstrierte 1998 einen signifikanten Überlebensvorteil für Patienten unter dem AIO-Schema im Vergleich zum Mayo-Protokoll. Das Infusionschema war nicht nur besser wirksam, sondern auch weniger toxisch.
Warum Folinsäure? Folinsäure ist das Formylderivat der Tetrahydrofolsäure. Die aktive Form der Folsäure ist an verschiedenen Prozessen zum Beispiel in der Purinsynthese und dem Aminosäurestoffwechsel beteiligt.
Fluorouracil hemmt die DNA-Synthese, indem es an die Thymidilatsynthetase blockiert. Die Kombination von Folinsäure und Fluorouracil führt zur Bildung eines stabilen Komplexes aus der Thymidilatsynthetase, 5-Fluorodeoxyuridinmonophosphat und 5,10-Methylentetrahydrofolat. Dadurch wird die Synthetase dauerhaft blockiert. Die Kombination aus 5-FU und Folinsäure wirkt also zytotoxischer.
Vor kurzem hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) mit Natriumfolinat ein weiteres Salz der Folinsäure zugelassen. Im Gegensatz zu Calciumfolinat darf diese Verbindung gleichzeitig mit 5-FU infundiert werden, da kein Calciumcarbonat ausfallen kann. Mit Hilfe der neuen Kombination kann nun doch das ursprünglich von Ardalan entwickelte Konzept der simultanen Infusion von Folinsäure und 5-FU weiterentwickelt werden.
Diesem Ansatz folgend erhielten 51 Patienten mit metastasierten kolorektalen Karzinomen in einer Untersuchung einmal wöchentlich eine simultane 24-stündige Infusion aus 5-FU und Natriumfolinat. Die Gesamtansprechrate entsprach mit 37,2 Prozent vollkommen den aus anderen Studien gewonnenen Erwartungen. Unter diesem Regime traten weder außergewöhnliche Toxizitäten noch Katheterprobleme auf (4).
Die Therapieschemata im Vergleich
Mayo-Klinik-Schema (Poon et al., 1989)Calciumfolinat: 20 mg/m2, Tag 1-5 5-FU: 425 mg/m2, Tag 1-5 Beide i. v. als Bolus, Wiederholung am Tag 29, 57, 92, 127, 162.
AIO-Schema (Weh et al., 1994) Calciumfolinat: 500 mg/m2, Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36 5-FU: 2600 mg/m2, Tag 1, 8, 15, 22, 29, 36 Getrennt jeweils als 24-stündige Infusion, dazwischen zwei Wochen Pause.
Ardalan-Schema; modifiziert mit Natriumfolinat
Natriumfolinat darf seit 21. Dezember 2001 in Deutschland zur palliativen Behandlung kolorektaler Karzinome in Kombination mit 5-FU verabreicht werden. Das Pharmaunternehmen Medac bietet den Arzneistoff seit 1. Februar diesen Jahres unter dem Handelsnamen Oncofolic® in einer Konzentration von 50 mg/ml an.
Zuvor wurden beide Salze in einer Bioäquivalenzstudie miteinander verglichen. Die pharmakokinetischen Parameter für D- und L-Folinsäure sowie den Metaboliten 5-Methyltetrahydrofolsäure stimmten bei beiden Verbindungen überein. Calciumfolinat- und Natriumfolinat-Lösungen sind demnach bioäquivalent und können im Rahmen einer vorgesehenen Therapie ausgetauscht werden.
Nun muss geprüft werden, ob sich Natriumfolinat auch in der Kombinationstherapie von 5-FU mit Oxaliplatin oder Irinotecan bewehrt.
Literatur
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