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Qualität der Extrakte muss gesichert sein

22.10.2001  00:00 Uhr

PHYTOPHARMAKA

Qualität der Extrakte muss gesichert sein

von Brigitte M. Gensthaler, Halle

Phytopharmaka sind ein integraler Bestandteil der rationalen Therapie - sofern die Qualität stimmt. Gleichwohl verunsichert die Diskussion um die Erstattungsfähigkeit pflanzlicher Präparate Ärzte und Patienten. Die neue europäische Rahmen-Monographie soll die Qualitätsstandards für Extrakte und Tinkturen dem aktuellen Stand anpassen und somit anheben. Dies dient der Therapiesicherheit und dem Patienten.

In einer Emnid-Umfrage Anfang des Jahres befürworteten mehr als 90 Prozent der Befragten die Aufnahme von Phytopharmaka in die Positivliste. Generell genießen pflanzliche Arzneimittel hohes Vertrauen bei den Patienten. Dennoch ist die vertragsärztliche Verordnung in den letzten fünf Jahren um etwa ein Drittel zurückgegangen, berichtete Professor Dr. med. Volker Schulz aus Berlin bei einem Symposium der DPhG-Fachgruppe Pharmazeutische Biologie Mitte Oktober in Halle.

Mehrere Studien zu Johanniskraut zeigen, dass gut definierte Extrakte bei Patienten mit milder bis mittelschwerer Depression messbare Effekte erzielen, die vergleichbar sind mit denen synthetischer Antidepressiva. Deutlich werde jedoch, dass die Arzneistoffe nur zu einem Drittel des Erfolgs beitragen, während die "Droge Arzt" und das therapeutische Umfeld für zwei Drittel der Ergebnisse verantwortlich gemacht werden können. Schulz folgert daraus: Mit einem qualitativ guten Johanniskraut-Präparat könne der Arzt nahezu dieselben Effekte erzielen wie mit einem deutlich teureren, synthetischen Arzneistoff.

Was heißt "qualitativ gut"? Drei Viertel aller Phytopharmaka enthalten Extrakte, meist Trockenextrakte. Diese müssen Qualitätsanforderungen entsprechen, die in verbindlichen Monographien festgelegt sind, an denen sich die Zulassungsbehörden orientieren. Grundsätzlich gilt: Der Extrakt in seiner Gesamtheit ist der Wirkstoff. Bei unterschiedlicher Herstellung resultieren demnach verschiedene Extrakte, die unterschiedliche Wirkstoffe darstellen.

Neue Standards für Extrakte

Definition, Charakterisierung und Analytik von Extrakten sollen in einer neuen Rahmen-Monographie für die 4. Ausgabe des Europäischen Arzneibuchs (PhEur 2002) festgelegt werden. Professor Dr. Gerhard Franz, Regensburg, berichtete über den aktuellen Stand der Harmonisierung.

Die gültige europäische Monographie von 1997 erfasst Dick-, Fluid- und Trockenextrakte. Nicht aufgeführt sind Spezialextrakte, die nach diversen Reinigungsschritten resultieren, alkoholfreie Extrakte, die zum Beispiel mit Propylenglykol oder Polyethylenglykolen hergestellt werden, sowie die Extraktion mit überkritischen Gasen (CO2, Stickstoff).

Hohen Stellenwert für die Praxis hatte der Vorschlag, Extrakte in drei Kategorien einzuteilen. Dieses Klassifizierungssystem wurde vor allem von den Zulassungsbehörden gewünscht, sagte Franz. Typ A erfasst normierbare Extrakte mit bekannten wirksamkeitsbestimmenden Inhaltsstoffen, zum Beispiel Hydroxyanthracen-Derivate in Sennes-Extrakten. Typ B beschreibt quantifizierbare Extrakte mit definierten Inhaltsstoffen, die zur Wirkung beitragen, aber alleine nicht dafür verantwortlich sind (Beispiel: Sesquiterpene in Kamillenextrakt). Extrakte der Gruppe C sind charakterisiert durch ihren Herstellprozess; Leit- oder Markersubstanzen dienen der analytischen Kontrolle (Beispiel Baldrianextrakt).

Dieser Vorschlag wurde nicht explizit übernommen, da unklar war, welches Expertengremium die Klassifizierung vornehmen soll, erklärte Franz gegenüber der PZ. Der Monographievorschlag unterscheidet jetzt "standardised", "quantified" und "other extracts". Der Referent umriss wichtige Neuerungen: Die Herstellung muss mit "geeigneten Methoden" erfolgen; als Extraktionsmittel kann auch Trinkwasser mit definierter Spezifikation eingesetzt werden; Aufreinigungsprozesse und das Recycling von Extraktionsmitteln sollen erlaubt werden. Aufgenommen werden Tests auf mikrobielle Reinheit, Schwermetalle, Aflatoxine und Pestizidrückstände.

Tablettierung mit Tücken

Extrakte sind komplizierte Ausgangsstoffe für den Technologen. Viele sind hygroskopisch, schlecht fließfähig und schwer zu Tabletten verpressbar. Je nach Verarbeitungsverfahren können Arzneimittel mit unterschiedlichen Eigenschaften resultieren, zeigte Professor Dr. Peter C. Schmidt, Tübingen, am Beispiel der Trockenextrakte aus Eschscholtzia californica Cham. (Kalifornischer Goldmohn) und Hypericum perforatum L.

Die Arbeitsgruppe hat die vielfältigen Inhaltsstoffe des Eschscholtzia-Extraktes analysiert und dabei unter anderem große Mengen an Ionen und Glycerinsäure gefunden, die vermutlich als Kaliumglycerat vorliegt. Anionen und Zucker sind vermutlich für die starke Hygroskopizität des Extraktes verantwortlich, der Filmtabletten schnell platzen lässt. Werden die Anionen entfernt, sind die Tabletten deutlich stabiler.

Anspruchsvoll ist auch die Verarbeitung von Johanniskraut-Trockenextrakten, die "kaum direkt tablettierbar" seien, formulierte der Technologe vorsichtig. Besser zu handhaben ist das Material, wenn vorab granuliert wird. Daraus hergestellte Tabletten haben eine kürzere Zerfallszeit und setzen ihre Inhaltsstoffe schneller frei. Dabei werde die Trockengranulierung durch Kompaktierung und Brikettierung an Bedeutung gewinnen, prognostiziert Schmidt. Mit Hilfe eines GMP-gerechten Kompaktors können unterschiedliche Kompaktate hergestellt werden. Dabei kann man entweder den Extrakt alleine oder das Schmiermittel Magnesiumstearat hochdosiert gemeinsam mit dem Extrakt verarbeiten. Somit lässt sich der kritische Parameter Zerfallszeit durch Rezeptur und Bearbeitung steuern, resümierte Schmidt.

 

Keine Kräuterküche Die pharmazeutischen Biologen wollen sich künftig mehr in die Deutsche Pharmazeutische Gesellschaft integrieren. Mit einem Vorsymposium zur DPhG-Jahrestagung Mitte Oktober in Halle leitete die Fachgruppe Pharmazeutische Biologie ihr Revival in der wissenschaftlichen Gesellschaft ein. Privatdozentin Dr. Susanne Alban aus Regensburg leitet die Fachgruppe kommissarisch. Die DPhG vertritt die Interessen aller pharmazeutischen Wissenschaften in der Öffentlichkeit und auf politischer Ebene. "Da gehören wir dazu, denn die pharmazeutische Biologie vervollständigt das Bild der Pharmazie auch nach außen", betont die engagierte Hochschullehrerin im Gespräch mit der PZ. Sie hält es für wichtig, dass sich die inhaltlich heterogene Fachrichtung bei den Kollegen präsentiert. "Die Pharmazeutische Biologie ist keine Kräuterküche, wir machen vielfältige und leistungsfähige Forschung".

 

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