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Bessere Prognosen mit Aromatasehemmer

23.10.2000  00:00 Uhr

BRUSTKREBS-KONFERENZ

Bessere Prognosen mit Aromatasehemmer

von Annette Junker

Erstmals trafen sich zur zweiten europäischen Brustkrebs-Konferenz Ende September in Brüssel neben Ärzten und Wissenschaftlern auch Delegierte aus Patientengruppen, um über ethische, moralische und praktische Themen der Patientenbetreuung zu diskutieren.

" Zum Glück sind die Tage vorbei, in denen die radikale Mastektomie als einzig effektive Therapie des Brustkrebses galt. Jetzt arbeiten Chirurgen, Chemotherapeuten, Radiologen, Krankenschwestern und Psychologen eng zusammen, um dem einzelnen Patienten die bestmögliche Therapie zuteil werden zu lassen. Aber eine der ganz großen neuen Möglichkeiten und positiven Kräfte besteht sicher auch in der Einbeziehung des Patienten in seine Behandlung und die anderer", erklärte Dr. Martine Piccart, Leiterin des Chemotherapie-Departements des Instituts Jules Bordet, Brüssel.

Letrozol ist Tamoxifen überlegen

Tamoxifen wurde 1969 zur endokrinen Behandlung des Estrogenrezeptor-positiven Mammakarzinoms zugelassen. Obwohl die Substanz außer der antiestrogenen auch über eine estrogene Wirkkomponente verfügt und damit Nebenwirkungen bis hin zum Endometriumkarzinom in Kauf genommen werden müssen, ist es seither nicht gelungen, einen vergleichbar gut wirksamen Arzneistoff mit weniger Nebenwirkungen zu entwickeln. Tamoxifen wurde in den vergangenen 20 Jahren international als Mittel mit größtem Einfluss auf die Senkung der Sterblichkeitsrate bei Brustkrebs gefeiert.

Inzwischen wurde der Aromatasehemmer Letrozol (Femara®) zur Therapie des fortgeschrittenen Mammakarzinoms bei Frauen mit natürlichem oder künstlich induziertem postmenopausalem Status zugelassen, die man vorab mit Antiestrogenen behandelte. Unter Letrozol sinken die Estrogenspiegel teilweise um über 95 Prozent, wodurch es ähnlich wie die Antiestrogene dem Tumorwachstum entgegen wirkt.

In zwei Studien, die Wissenschaftler jetzt in Brüssel vorstellten, konnte gezeigt werden, dass 2,5 mg Letrozol, täglich als First-line-Therapeutikum oder in der präoperativen Therapie des Mammakarzinoms bei postmenopausalen Frauen gegeben, wirksamer sind als eine Tagesdosis von 20 mg Tamoxifen. An der ersten Untersuchung, einer randomisierten Multicenterstudie, nahmen insgesamt 939 postmenopausale Frauen mit hormonsensitivem Brustkrebs teil. Hauptziel der Studie war der Vergleich der Wirksamkeit und Sicherheit einer peroralen Einzeldosis Letrozol mit Tamoxifen. Dazu beurteilten die Mediziner die Zeit bis zur Progression (TTP), die objektive Responderrate und - dauer, die Rate und Dauer des klinischen Nutzens, die Zeitspanne bis zum Therapieversagen (TTF) und die Gesamtüberlebensrate.

Die mittlere TTP betrug 9,4 Monate in der Letrozol-Gruppe, verglichen mit 6,0 Monaten in der Tamoxifen-Gruppe. Die mit Letrozol behandelten Patientinnen zeigten zudem eine bessere objektive Responderrate (30 versus 20 Prozent). Auch die Zeitspanne bis zum Therapieversagen war unter Letrozol signifikant länger als unter Tamoxifen (9,1 Monate versus 5,7 Monate).

In der zweiten randomisierten Phase-III-Studie verabreichte man 337 postmenopausalen Frauen mit hormonsensitiven, ausgedehnten lokalisierten oder lokal fortgeschrittenen Mammakarzinomen Letrozol oder Tamoxifen über vier Monate vor dem chirurgischen Eingriff, um den Tumorumfang zu reduzieren. Auch hier sprach Letrozol signifikant besser an als Tamoxifen (55 versus 36 Prozent). Bei deutlich mehr Frauen aus der Letrozol-Gruppe konnte eine brustkonservierende Operation durchgeführt werden (45 versus 35 Prozent). Die Verträglichkeit von Letrozol und Tamoxifen war in beiden Untersuchungen vergleichbar.

Ähnliche Ergebnisse stellte Forscher in Brüssel auch für den Vergleich von Anastrozol mit Tamoxifen in der First-line-Therapie vor. Auch hier schnitt der Aromatsehemmer besser ab. Allerdings waren die Ergebnisse nicht so deutlich wie beim Letrozol und auch nur in wenigen Vergleichsparametern statistisch signifikant. Studienergebnisse für den Vergleich zwischen Tamoxifen und Exemestan, dem dritten derzeit verfügbaren Aromatasehemmer der dritten Generation, liegen noch nicht vor.

"Bei Letrozol handelt es sich um die erste endokrine Substanz, die Tamoxifen überlegen ist", bewertete Dr. Hening Mouridsen, Professor für Onkologie an der Universitätsklinik Kopenhagen die Studien. Diese Ergebnisse seien ein Meilenstein in der Behandlung des metastasierten Mammakarzinoms und würden etablierte Behandlungsprotokolle bei Brustkrebs nachhaltig beeinflussen. Inzwischen wurde weltweit die Zulassung von FemaraÒ (Letrozol) als First-line-Therapeutikum bei fortgeschrittenem Brustkrebs und für die präoperative Behandlung beantragt und wird wahrscheinlich noch in diesem Jahr erteilt. Inzwischen laufen Vergleichsstudien zwischen Tamoxifen und Letrozol in der adjuvanten Therapie.

HER2-Diagnostik entscheidend

Bei der Diagnose Brustkrebs bedeutet eine Überexpression von HER2-Rezeptoren im Tumor zunächst eine schlechte Prognose. Ein Überlebensvorteil für die Betroffenen ergibt sich aber durch Einsatz des monoklonalen Antikörpers Trastuzumab (Herceptin®), der die Funktion des Onkogens HER2 blockt, das ansonsten zu einem aggressiven Wachstum der Brustkrebszellen führt. Damit bietet sich für Patientinnen eine Alternative, bei denen eine konventionelle Behandlung wegen der schlechten Prognose nahezu aussichtslos ist.

Dem Test des HER2-Status kommt also immer mehr Bedeutung zu und er sollte zur Routineuntersuchung bei jeder Patientin mit metastasiertem Brustkrebs werden.

Vier von sieben Präsentationen in Brüssel beschäftigten sich mit Tests zum HER2-Status und verglichen verschiedene zur Verfügung stehende Methoden. Die immunhistochemische Methode (IHC) und die Fluoreszenz-in-situ-Hybridisation (FISH) sind zur Zeit die gängigsten Tests. Immunhistochemische Tests basieren auf Antigen-Antikörper-Reaktionen. Der Test-Antikörper bindet an HER2-Proteine auf der Oberfläche der Tumorzellen und kann durch Farbflecken erkannt werden.

Die HER2-Expression wird bei dieser Bestimmung in vier Levels von negativ über schwach positiv bis stark positiv aufgeteilt.

Von verschiedenen Faktoren hängt dann die Diagnose und das weitere Vorgehen ab: Zunächst sind die Ergebnisse oft schwierig zu interpretieren. Das Laborpersonal bedarf einer guten Schulung, zumal die Dauer des Fixierungsprozesses das Ergebnis beeinflusst.

Darüber hinaus existieren unterschiedliche IHC-Tests, die zu unterschiedlichen Ergebnissen führen können. In Brüssel wurde eine Vergleichsstudie vorgestellt, in der man 283 Patientinnen sowohl mit dem monoklonalen Antikörper CB11 als auch mit dem polyklonalen Antikörper A0485 getestet hatte. In 47 Fällen fiel das Ergebnis mit A0485 zwar positiv, mit CB11 allerdings negativ aus. Drei Fälle führten genau zum umgekehrten Ergebnis.

Nicht die exprimierten Oberflächenproteine sondern direkt das HER2-Gen weist die FISH-Technik nach. Sie ist sicher ein besserer Prädiktor als die IHC-Tests, aber nicht sehr weit verbreitet und wird nur in besonderen Forschungszentren eingesetzt.

Anschrift der Verfasserin:
Annette Junker
Sellscheid 100
42929 Wermelskirchen

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