Internationaler Workshop für Pharmaceutical Care in Minneapolis |
31.05.1999 00:00 Uhr |
Der Stellenwert der Pharmazeutischen Betreuung für die Zukunft der Pharmazie ist mittlerweile weltweit unumstritten. In Zeiten allgemeiner Sorge um die Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems werfen innovative Entwicklungen jedoch unmittelbar die Frage nach der ökonomischen Sinnhaftigkeit auf.
Pharmazeutische Betreuung nützt nicht nur den Patienten, sondern eröffnet nach pharmaökonomischen Erhebungen auch ein erhebliches Sparpotential. Außerdem kann man davon ausgehen, daß sich die Einkommenssituation der Apotheker in der Arzneimitteldistribution eher verschlechtern wird. Angesichts des zunehmenden politischen Drucks ist es zudem fraglich, wie die Apothekerschaft künftig ihre soziale Stellung und ihre erstklassige und teure Ausbildung rechtfertigen kann, wenn sie ihre Qualifikation nicht für alle Mitbewerber im Gesundheitswesen nachvollziehbar einsetzt und eine, einheitlichen Qualitätsanforderungen genügende Leistung, erbringt, die über die bloße Abgabe von Arzneimitteln hinausgeht.
Vom 26. bis 30.April fand an der University of Minnesota ein Pharmaceutical Care Workshop mit Teilnehmern aus Europa, Afrika und Nordamerika statt. Der Kurs vermittelte Apotheker aus allen Tätigkeitsfeldern sowohl theoretisches Wissen als auch erste praktische Erfahrungen.
Im Gesundheitswesen gibt es zur Zeit keinen automatischen "feedback-Mechanismus". Wenn ein Patient seine Beschwerden nicht fortwährend äußert, wird automatisch davon ausgegangen, daß die Therapie des behandelnden Arztes erfolgreich war. Arzneimittelbezogene Probleme sind indes viel häufiger als gemeinhin angenommen. Studien der Pharmazeutischen Industrie zeigen, daß allein in den USA jährlich 1,3 Millionen Hospitalisationen und 63 000 Todesfälle durch die Anwendung verschreibungspflichtiger Arzneimittel verursacht werden. Aus einer von Johnson und Bootman durchgeführten Untersuchung ergeben sich für die Vereinigten Staaten Kosten von 76,6 Milliarden US-Dollar durch Morbidität/Mortalität im Zusammenhang mit Arzneimitteln. Aus diesen Daten läßt sich unmittelbar ein Bedarf der Gesellschaft an pharmazeutischer Betreuung ableiten.
Vor diesem Hintergrund hat es in den letzten Jahren in vielen Ländern Pilotstudien zu Pharmaceutical Care gegeben. Eine der größten Arbeiten war das von 1992 bis 1995 durchgeführte Minnesota-Pharmaceutical-Care-Project. Die Teilnehmer haben über 9000 Patienten in rund 25 000 Kontakten betreut. Ein wesentlicher Unterschied zu den Aktivitäten in Deutschland: Hier ging es um eine "generalisierte" Anwendung auf alle Patientengruppen es wurden nicht nur Patienten mit einer definierten Erkrankung wie Diabetes, Asthma oder Hyperlipidämie betreut. Es hat sich gezeigt, daß reines "Disease-state-management" den Bedürfnissen der Patienten nicht gerecht wird. Die Minnesota-Studie verdeutlichte ferner, daß diese Erkrankungen nur 7 Prozent der Patienten betrafen, die pharmazeutisch betreut wurden. Die häufigsten Indikationen waren aber Sinusitis, Bronchitis, Otitis media, Hypertonie, Schmerz und andere.
Den Mitarbeitern des Peters Institute of Pharmaceutical Care stehen mittlerweile Daten aus über 10 Jahren zur Verfügung. Weitere Schwerpunkte waren ferner eine Standortbestimmung der Pharmazie weltweit, die Frage, wie sich Pharmazeutische Betreuung in die Tat umsetzen läßt, sowie Fragen der Ausbildung und Evaluation. Pharmaziestudenten an der University of Minnesota werden neben der klassischen apothekerlichen Ausbildung bereits ab der ersten Woche am College in Pharmaceutical Care unterrichtet. Der praktisch tätige Apotheker muß für sich persönlich entscheiden, ob er für die Arzneimitteltherapie eines Patienten Verantwortung übernehmen will.
Die Standards, eine wesentliche Voraussetzung für Pharmazeutische Betreuung, wurden im Workshop in Theorie und Praxis dargestellt. Hier ging es insbesondere um die Erhebung von Patientendaten, die Erstellung eines Betreuungsplanes sowie die obligatorische Überprüfung, ob das Therapieziel erreicht worden ist. Von besonderem Interesse sind in diesem Zusammenhang die Anforderungen an die Dokumentation. Die Teilnehmer hatten die Möglichkeit die Betreuung sowohl in der Klinik als auch in der öffentlichen Apotheke mitzuerleben. Während des Workshops ergaben sich vielfältige Möglichkeiten, die individuellen Vorgaben der einzelnen Länder zu erörtern. Dabei wurde klar, daß nach gegenwärtiger Datenlage viele Vorbehalte in bezug auf die Realisierbarkeit von Pharmazeutischer Betreuung ungerechtfertigt sind. Interessanterweise tragen die Versicherer vor Ort in vielen Fällen die Kosten, die durch die Pharmazeutische Betreuung entstehen. Daher ist die Rechnungslegung ein wichtiger Bestandteil der Dokumentation des Betreuungsprozesses. Hier kommt es besonders auf die Nachvollziehbarkeit, Plausibilität sowie die Terminologie an. Aber auch hier gilt: Zunächst muß eine Leistung auf breiter Front erbracht werden, bevor sie bezahlt wird.
Anschrift des Verfassers:
Marcus Droege
2408 Clinton Avenue S.
Minneapolis, MN 55404
USA
© 1999 GOVI-Verlag
E-Mail: redaktion@govi.de