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BtM-Rezepturen nur mit Kindersicherung

10.04.2000  00:00 Uhr

- Pharmazie Govi-Verlag DAC-NRF

BtM-Rezepturen nur mit Kindersicherung

von Holger Reimann, Rosemarie Eifler-Bollen, Eschborn

Mitteilungen in der Presse über Todesfälle und Intoxikationen durch Methadonzubereitungen haben die Diskussion über die Vergabepraxis an Drogenabhängige neu entfacht (1 – 8). Betroffen sind insbesondere Menschen im sozialen Umfeld von Drogenabhängigen. Substitutionsmittel stellen eine besondere Gefährdung dar, weil ihre therapeutische Breite gering ist. Sie können bereits bei bestimmungsgemäßer Einzelgabe eine für nicht an den Gebrauch von Opiaten gewöhnte Personen tödliche Wirkstoffdosis enthalten.

Bei entsprechend stark wirksamen Arzneistoffen muss der Apotheker die Arzneimittelsicherheit auch durch die Konfektionierung gewährleisten. Neben den betäubungsmittelrechtlichen Bestimmungen bei der Substitution spielen vor allem die genaue Kennzeichnung und die Art des Behältnisses eine zentrale Rolle.

Die Tabelle gibt eine Übersicht über die erforderliche Abpackung und Kennzeichnung zulässiger Substitutionsmittel. Berücksichtigt ist auch die Beschaffenheit der Rezepturen, die bei der Abgabe als "Take-home"-Zubereitung für die parenterale Anwendung ungeeignet sein muss. Dies gilt nicht nur für Methadon-Rezepturen (9). Da Substitutionsarzneimittel grundsätzlich nicht als Praxisbedarf, sondern nur patientenbezogen rezeptiert werden dürfen (10), muss der Name des Patienten immer auf dem Etikett angegeben sein. Mehrdosen-Behältnisse müssen mit dem Anwendungszeitraum und Einzeldosis-Behältnisse mit dem jeweils zugeordneten Einnahmedatum beschriftet werden. Bei "Take-home"-Belieferungen müssen zusätzlich Warnhinweise auf den Behältnissen angebracht werden. Der Gesundheitsschutz des Patienten, aber auch anderer gefährdeter Personen, insbesondere Kinder, muss im Vordergrund stehen.

Maßnahmen die die Risiken bei flüssigen
Substitutionsmittel-Rezepturen senken

Substitutionsstoff Art der Verschreibung/
Überlassung gemäß BtMVV
Zur parenteralen Anwendung nicht geeignete Zubereitung (§ 5 Abs. 3 Satz 5 BtMVV) Verpackung Kennzeichnung (unter anderem) Methadonhydrochlorid

NRF 29.1. § 5 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 2 nur wegen Vorgabe laut NRF-Vorschrift Einzeldosisverpackung Kinder- und Originalitätssicherung Patientenname, enthaltene Einzeldosis, Einnahmedatum, Warnhinweis 1 Nicht-NRF-Verschreibung § 5 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 2 nicht vorgegeben individuell für Patienten Patientenname, Anwendungs-zeitraum, enthaltene Gesamt- beziehungsweise Einzeldosis NRF 29.1. oder Nicht-NRF-Verschreibung § 5 Abs. 7 (Take-home) ja Einzeldosisverpackung, Kinder- und Originalitätssicherung Patientenname, enthaltene Einzeldosis, Einnahmedatum, Warnhinweis1 Levomethadonhydrochlorid (in Form von L-Polamidon®) § 5 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 2 nicht vorgegeben individuell für Patienten Patientenname, Anwendungszeitraum, enthaltene Gesamt- beziehungsweise Einzeldosis   § 5 Abs. 7
(Take-home)
ja Einzeldosis-
verpackung, Kinder- und Originalitäts-
sicherung
Patientenname, enthaltene Einzeldosis, Einnahmedatum, Warnhinweis1 Codeinphosphat-Hemihydrat oder Dihydrocodein-
hydrogentartrat
§ 5 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 2 nicht vorgegeben individuell für Patienten Patientenname, Anwendungszeitraum, enthaltene Gesamt- beziehungsweise Einzeldosis   § 5 Abs. 7
(Take-home)
ja Kindersicherung, Originalitätssicherung und Einzeldosis-
verpackung empfohlen
Patientenname, enthaltene Gesamt- beziehungsweise Einzeldosis, Einnahmedatum (im Falle der Einzeldosis-
verpackung), Warnhinweis1
  § 5 Abs. 5 Satz 2 3 ja Einzeldosis-
verpackung, Kinder- und Originalitätssicherung
Patientenname, Einzeldosis, Einnahmedatum, Warnhinweis1 Levacetylmethadol-
hydrochlorid

(als Orlaam®) § 5 Abs. 5 Satz 1 und Abs. 6 2 Originalgefäß individuell für Patienten Patientenname, Anwendungszeitraum   § 5 Abs. 7 (Take home) nicht erlaubt, weil das Fertigarzneimittel

nicht die Forderung nach Beschaffenheit gemäß § 5 Abs. 3 Satz 5 BtMVV erfüllt

nicht die Forderung nach Einzeldosisverpackung erfüllt

Levacetylmethadol in § 5 Abs. 3 Satz 2 BtMVV nicht namentlich genannt ist und insofern für das gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 BtMVV "zur Substitution zugelassene Arzneimittel" die Rechtsgrundlage für eine Abgabe nach rezepturmäßiger Verarbeitung in der Apotheke fehlt (17)

1) Warnhinweis: "Für Kinder unzugänglich aufbewahren! Nicht zur Injektion, Lebensgefahr! Achtung! Die enthaltene Einzeldosis kann für nicht gewöhnte Personen tödlich sein." 2) § 5 Abs.5 Satz 1 und Abs. 6 BtMVV regelt die Überlassung zum unmittelbaren Gebrauch unter Aufsicht von Fachpersonal, 3) § 5 Abs. 5 Satz 2 BtMVV regelt den "Ein-Tages-Take-home", das heißt die Überlassung durch den Arzt als Sonderbestimmung bei Codein und Dihydrocodein (siehe Text).

Bei Sicherheitsverschlüssen ist zu unterscheiden zwischen kindergesicherten Verschlüssen, die nachweislich der einschlägigen Norm genügen (11, 12) und sogenannten Originalitätsverschlüssen, die eine unbefugte Entnahme (Pilfer-proof) beziehungsweise Manipulation (Tamper-proof) erkennen lassen. Der Apothekenbedarfshandel bietet kindergesicherte Verschlüsse mit und ohne Originalitätsverschluss an, die auf genormte Gewindeflaschen aufgeschraubt werden können.

Ideal für die Einzeldosisabpackung der Substitutionsmittel sind Komplettsysteme aus Kunststoff mit Kindersicherung und zum Teil auch Originalitätssicherung (13). Solche Behältnisse sind sowohl mit Schraubkappen als auch mit Prellverschlüssen erhältlich. Die Methadon-Monographie NRF 29.1. ist mit der 16. Ergänzungslieferung 1999 dahingehend geändert worden, dass für "Take-home"-Rezepturen zusätzlich zu der bereits geforderten Einzeldosisabpackung und Kindersicherung nun auch Originalitätsverschlüsse vorgeschrieben sind. Dagegen erscheint die Kindersicherung bei Lieferung an den Arzt nicht zwingend notwendig (14).

Das lange erwartete formale "Aus" für Dihydrocodein als Substitutionsstoff wird es nach verschiedenen betäubungsmittelrechtlichen Änderungen und Verlängerungen der Übergangsfristen vorerst nicht geben. Vielmehr ist es für Ausnahmefälle dauerhaft in die Betäubungsmittelverschreibungs-verordnung (BtMVV) aufgenommen worden. Obwohl mit der Substanz auf Grund des höheren Preises, der umständlichen Substitutionsbehandlung sowie der strengen Maßstäbe für Ausnahmeregelungen durch die zuständigen Landesbehörden nur noch zu etwa 20 Prozent substituiert wird, schätzt man auch diesen Anteil noch als zu hoch ein (15).

Vom Bundesgesundheitsministerium und der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker befürwortet, soll für diesen künftig geringeren Bedarf eine Vorschrift im NRF standardisiert werden, voraussichtlich in Anlehnung an die ZL-Vorschrift II/1997 (16) Dihydrocodeinhydrogentartrat-Lösung 1,5 % (m/V). Obwohl die Konzentrationsbegrenzung auf 2,5 Prozent (m/m) an Wirkstoff-Base aufgehoben wurde, wird das auf die Base bezogene 1-Prozent-Limit allgemein akzeptiert.

Selbstverständlich muss auch Dihydrocodeinhydrogentartrat-Lösung für die Abgabe an den Patienten in der Apotheke ("Take-home"-Bedarf, § 5 Absatz 7 BtMVV) in Behältnisse mit Kindersicherung abgefüllt werden. Einzeldosisbehältnisse werden auch hier grundsätzlich empfohlen, sie sind jedoch wegen der täglich notwendigen Mehrfachgabe aufwendig und deshalb in der Praxis umstritten.

Überlässst der Arzt dem Patienten den Resttagesbedarf (§ 5 Abs. 5 Satz 2 BtMVV), ist das ein Bruch in der Systematik der BtMVV. Diese Sonderegelung ist wegen der kurzen Wirkdauer des Dihydrocodein nachvollziehbar und betrifft Patienten, für welche die Voraussetzung nach § 5 Abs. 7 Satz 1 BtMVV noch nicht gegeben sind. Selbstverständlich muss der Apotheker als Arzneimittelhersteller sicherstellen, dass die mitgegebenen Einzeldosen ordnungsgemäß verpackt und gekennzeichnet sind. Dazu muss er im voraus darüber informiert sein, ob der Arzt von dieser Sonderregelung Gebrauch machen möchte, oder sich durch Rückfrage vergewissern. Im Zweifel ist jede zu Händen des Arztes belieferte Dihydrocodein-Verschreibung so zu konfektionieren, wie für den "Take-home"-Bedarf empfohlen: erstens in einer nicht zur parenteralen Anwendung geeigneten Form und zweitens in Einzeldosisbehältnissen mit Kindersicherung.

Literatur

(1) Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker, Kindersicherung für Methadon-Lösungen, Pharm. Ztg. 143 (1998) 4151.
(2) Butz, W., "Opium fürs Volk"– ein fragwürdiges und inkonsequentes Plädoyer, Pharm. Ztg. 144 (1999) 1611.
(3) Esser, B., Tod auf dem Geburtstagsfest, Focus, Heft 47 (1998) 83 – 85.
(4) Hauri-Bionda, R., Bär, W., Friedrich-Koch, A., Methadon bei außergewöhnlichen Todesfällen, Zürich 1989–1997, Rechtsmedizin 9 (1999) 94 – 98.
(5) Hersberger, K., Borner, S., Methadonvergiftungen bei Kindern, Schweiz. Apoth. Ztg. 133 (1995) 57 – 58.
(6) Iwersen-Bergmann, S., et al., Vergiftungs- und Todesfälle durch Substitutionsmittel im Umfeld von substituierten Drogenabhängigen, Rechtsmedizin 9 (1999) 90 – 93.
(7) N. N., Methadon im Babyfläschchen, Dtsch. Apoth. Ztg. 15 (1999) 12.
(8) Schmoldt, A., et al., Methadon-Todesfälle und -Intoxikationen im Umfeld der Substituierten und bei Drogenkonsumenten, Hamburger Ärztebl., Heft 3 (1999) 111 – 112.
(9) AMK-Information 200/42/99, Verschreibung von Levomethadon-hydrochlorid in einer zur parenteralen Anwendung nicht verwendbaren Form, Pharm. Ztg. 144 (1999) 3478.
(10) Schmitz, S., Tisch, L., Praxisbedarf: Verordnung ohne Grenzen? Pharm. Ztg. 141 (1996) 4860 – 4864.
(11) Dlugi, P., Ost, D., Anforderungen an kindergesicherte Pharma-Verpackungen, Pharm. Ind. 60 (1998) 883 - 888.
(12) Lorca, P. M., Merkle, S. A., Floether, F. U., Kindersichere Verpackung von Arzneimitteln. Aktueller Stand der gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen, Pharm. Ind. 59 (1997) 842 - 848.
(12) N. N., Abschnitt III. Rezepturbestandteile und Packmittel, 3. Bezugsquellennachweis für Packmittel und Applikationshilfen, S. 11., Bezugsquellen Nrn. 1 bis 3 und 5. In: Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Hrsg.), Neues Rezeptur-Formularium (NRF), Loseblattsammlung auf dem Stand der 16. Erg. 1999, Govi-Verlag Pharmazeutischer Verlag, Frankfurt/Main / Deutscher Apotheker-Verlag, Stuttgart.
(13) N. N., Monographie: Methadonhydrochlorid-Lösung 0,5 oder 1 % (NRF 29.1.). Ebenda.
(14) N. N., BMG: Zu häufig wird noch Codein verschrieben, Dtsch. Apoth. Ztg. 140 (2000) 1031 – 1032.
(15) Reimann, H., Standardisierte Rezeptur für DHC-Saft, Pharm. Ztg. 142 (1997) 3032 – 3034.
(16) Schreiben des BfArM Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (Bundesopiumstelle) vom 16.4.1998 an ABDATA.

Für die Verfasser:
Dr. Holger Reimann
Neues Rezeptur-Formularium (NRF)
Pharmazeutisches Laboratorium
Rosemarie Eifler-Bollen
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker Carl-Mannich-Straße 20
65760 Eschborn
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