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Moxifloxacin, ein Gyrasehemmer der vierten Generation

01.01.2001  00:00 Uhr

NEUE ARZNEISTOFFE

Moxifloxacin, ein Gyrasehemmer der vierten Generation

von Andrea Klüting, München*

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) erteilte letzten Juni die Zulassung für ein neues Antibiotikum der Firma Bayer. Moxifloxacin, das unter dem Handelsnamen Avalox® 400 mg seit September 1999 in Deutschland erhältlich ist, soll nun im Rahmen der gegenseitigen Anerkennung europaweit zugelassen werden.

Im Vergleich zu Ciprofloxacin (Ciprobay®) verfügt die Substanz über ein breiteres Spektrum im grampositiven Bereich sowie bei Anaerobiern. Die Wirkung gegenüber Pseudomonaden und Enterobakterien ist dagegen leicht eingeschränkt. Moxifloxacin ist nur in per os verfügbar und wird als Atemwegsantibiotikum ausgeboten (1). Es ist zur Zeit der einzig verfügbare Vertreter der Gyrasehemmer der vierten Generation nach dem Rückruf von Trovafloxacin.

Chemische Klassifikation

Bei Moxifloxacin handelt es sich um ein an Position 8 methoxyliertes Chinolon. Dadurch unterscheidet es sich in der *Struktur von den meisten anderen Chinolonen, die an dieser Stelle halogeniert sind. Die fehlende Halogenierung wird für die geringen phototoxischen Eigenschaften der Substanz verantwortlich gemacht, da sie der Substanz Lichtstabilität verleiht. Die Methoxygruppe bedingt ferner die bakterizide Wirkung auf grampositive Erreger. Ein Cyclopropylrest in Position 1 erweitert die Aktivität im gramnegativen Bereich, der Aza-Bizyklus verbessert die Aktivität im grampositiven Bereich sowie bei den atypischen Erregern und Anaerobiern. Die INN-Bezeichnung lautet (1-cyclopropyl-7-[S,S)-2,8-diazabicyclo-[4.3.0]non-8-yl]-6-fluoro-8-methoxy-4-oxo-1,4-dihydrochinolon-3-carbonsäure. Die Substanz liegt als Hydrochlorid vor (2, 3).

Arzneimittelprofil

Moxifloxacin ist unter dem Handelsnamen Avalox® 400 mg im Handel. Eine Filmtablette enthält 438,8 mg Moxifloxacinhydrochlorid, entsprechend 400 mg Moxifloxacin. Der pharmazeutische Unternehmer ist Bayer Vital in Leverkusen. Eine Tablette enthält an sonstigen Bestandteilen Croscarmellose-Natrium, Lactose-Monohydrat und mikrokristalline Cellulose. Der Filmüberzug besteht aus Hypromellose, Macrogol 4000, Eisen(III)-oxid (E 172) und Titandioxid (E171). Die Haltbarkeit beträgt 24 Monate. Die Tabletten sollten nicht über 25°C gelagert werden. Die verfügbaren Packungsgrößen enthalten fünf, sieben und zehn Tabletten (4).

Indikationen und Anwendung

Moxifloxacin ist zugelassen zur Behandlung von bakteriellen Infektionen, die durch Moxifloxacin-empfindliche Erreger hervorgerufen werden. Bei folgenden Infektionen konnte die Wirksamkeit von Moxifloxacin nachgewiesen werden: Infektionen der Atemwege, akute Exazerbation der chronischen Bronchitis (AECB), ambulant erworbene Pneumonie, ausgenommen schwere Verlaufsformen, und akute bakterielle Sinusitis

Moxifloxacin wird in einer Tagesdosis von einmal täglich 400 mg eingenommen. Dabei kann die Einnahme unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Bei älteren Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion ist keine Dosisanpassung erforderlich. Erfahrungen zur Dosierung bei Patienten mit Leberinsuffizienz oder dialysepflichtiger Niereninsuffizienz liegen noch nicht vor.

Für die Behandlung der akuten Exazerbation der chronischen Bronchitis wird eine Behandlungsdauer von fünf bis zehn Tagen empfohlen, die ambulant erworbene Pneumonie erfordert eine Behandlungsdauer von zehn Tagen, die akute Sinusitis benötigt eine siebentägige Behandlungsdauer (4).

Wirkung und Wirkungsmechanismus

Moxifloxacin wirkt bakterizid indem es die bakteriellen Topoisomerasen II und IV (DNA-Gyrasen) hemmt. Die Topoisomerase II besitzt wichtige Funktionen in der Replikation, Transkription, Rekombination und Reparatur der bakteriellen DNA. In der Bakterienzelle wird die DNA zunächst schraubenförmig in Verdrillungsbereichen angelegt (domains of supercoiling). Anschließend kann die Gyrase den DNA-Strang in entgegengesetzter Richtung nochmals "überspiralisieren". Der DNA-Strang wird dadurch wesentlich kompakter und kann in der vergleichsweise kleinen Bakterienzelle untergebracht werden.

Wird die Gyrase gehemmt, so steigt der Raumbedarf für die DNA an, Exonukleasen können die chromosomale DNA zerlegen, und das Bakterium stirbt ab. Die Topoisomerase IV ist ein Enzym, das eine wichtige Rolle bei der Trennung der replizierten DNA spielt. Sie wird erst bei sehr hohen Chinolon-Konzentrationen gehemmt.

Bakterielle Resistenz gegenüber Chinolonen wird durch zwei Mutationen der Gyrasegene verursacht, die für die Wirkung der Chinolone verantwortlich sind. Die bakterielle Topoisomerase II besteht aus zwei Untereinheiten: der GyrA und GyrB, die zusammen den A2B2-Komplex bilden. Die Topoisomerase IV besteht aus den Untereinheiten ParC und ParE, die den C2E2-Komplex bilden. Beide Enzyme sind Tetramere. Moxifloxacin greift, wie andere C8-substituierte Chinolone hauptsächlich an der GyrA-Untereinheit an, wohingegen ältere Chinolone, wie Ciprofloxacin hauptsächlich an der ParC-Untereinheit der Topoisomerase IV angreifen.

Mutationen an dieser Untereinheit führen dazu, dass das Antibiotikum schlechter in die Zelle eindringen kann. Dieser Mechanismus ist für Resistenzen vieler grampositiver Erreger verantwortlich. Man hat festgestellt, dass ein großvolumiger Substituent an der Position 7 des Ringgerüstes deren Resistenzmechanismus behindert.

Dagegen führen Mutationen an der GyrA-Unterheiten zu einer verminderten Bindung der Chinolone an die Topoisomerase II. Diese Mutationen treten sowohl bei grampositiven als auch bei gramnegativen Bakterienstämmen auf.

Spontane Mutationen, die zu einer Resistenz führen, sind in der Klasse der Chinolone eher ungewöhnlich. Zudem sind sie nicht plasmidkodiert, so dass von einer langsamen Resistenzentwicklung ausgegangen werden kann. Die Entwicklung von Kreuzresistenzen kann aber auch durch strukturelle Modifikationen nicht ausgeschlossen werden, da verschiedene Mechanismen additive Auswirkungen haben können (5, 6).

Unerwünschte Wirkungen

Nachdem bereits Anfang der 90er Jahre Temafloxacin nach nur dreimonatiger Vermarktung wegen eines multisystemischen Nebenwirkungssyndroms mit zum Teil tödlichem Verlauf vom Markt genommen werden musste (7) und im vergangenen Jahr zwei weitere Fluorchinolone - Trovafloxacin (Vaxar®) wegen schwerer Leberkomplikationen und Grepafloxacin wegen QT-Verlängerung - folgten, verdienen die unerwünschten Wirkungen besondere Aufmerksamkeit.

Alle Chinolone besitzen ein neurotoxisches Potential und können Krämpfe auslösen. Moxifloxacin darf daher bei Patienten mit ZNS-Erkrankungen, die zu Krampfanfällen prädisponieren oder Patienten mit herabgesetzter Krampfschwelle nur mit besonderer Vorsicht eingesetzt werden. Um das zentralnervös-exzitatorische Potenzial von Moxifloxacin zu bestimmen, wurde ein neu entwickeltes Prüfmodell eingesetzt, bei dem man Hippocampus-Schnitte von Ratten elektrophysiologisch untersuchte. Die Untersuchungen ergaben, dass das Potenzial von Moxifloxacin, zentralnervöse Wirkungen hervorzurufen, mit dem von Ciprofloxacin vergleichbar ist. Im Vergleich dazu liegt das Potenzial von Trovafloxacin für diese Störungen etwa um den Faktor 1,5 höher, was unter Umständen die Erklärung für den unter Trovafloxacin relativ häufig aufgetretenen Schwindel (10 bis 15 Prozent) sein kann, der unter Moxifloxacin mit einer Häufigkeit von circa 3 Prozent auftritt (8, 9).

Patienten, die Moxifloxacin einnehmen, sollten darauf hingewiesen werden, dass bei einer Beeinträchtigung des Sehvermögens und/oder der Augen sofort ein Augenarzt aufgesucht werden sollte.

Für alle Gyrasehemmer ist eine konzentrationsabhängige Wirkung auf den Gelenkknorpel beschrieben. Es besteht daher eine Kontraindikation für die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit, bei Kindern und Jugendlichen in der Wachstumsphase sowie bei Personen, die eine chinolonbedingte Sehnenerkrankung in der Anamnese aufweisen. Das Risiko für das Auftreten von Sehnenentzündungen oder Rupturen ist bei älteren Menschen sowie unter Corticosteroid-Therapie erhöht. Beim ersten Anzeichen von Schmerz oder Entzündung sollten die Patienten daher die Behandlung abbrechen und die betroffenen Gliedmaßen ruhigstellen und ihren Arzt informieren.

Wie auch Grepa- und Sparfloxacin verursacht Moxifloxacin eine Verlängerung der Qtc-Zeit, die allerdings bei Moxifloxacin mit vier bis sechs Millisekunden (1,2 Prozent des Ausgangswerts) gering ausgeprägt ist. Es wird diskutiert, dass eine Substitution an Position 5 eine Kardiotoxizität fördert. Moxifloxacin ist an dieser Stelle nicht substituiert.

Aus Gründen der Arzneimittelsicherheit besteht für Moxifloxacin eine Kontraindikation für Patienten mit QT-Verlängerungen, Störungen des Elektrolythaushalts, Bradykardie, Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion und symptomatischen Herzrhythmusstörungen in der Vorgeschichte. Die QT-Verlängerung sollte auch bei der gleichzeitigen Anwendung von Klasse-IA-und -III-Antiarrhythmika (Kontraindikation) und einer Therapie, die den Kaliumspiegel beinflusst, beachtet werden.

Da Trovafloxacin wegen einer akuten eosinophilen Hepatitis vom Markt genommen werden musste, verdienen die Laborbefunde ein besonderes Augenmerk. Bei Moxifloxacin wurden Anstiege der g-Glutamyltranspeptidase sowie Amylase, Leukopenie, Prothrombinabfall, Eosinophilie, Thrombozytämie, Thrombopenie und Anämie beobachtet. Im Gegensatz zu anderen Chinolonen gibt es keine Hinweise darauf, dass Moxifloxacin bei Patienten phototoxisch wirkt. Die fehlende Halogensubsitution an Position 8 könnte dies begründen.

Die in den klinischen Prüfungen am häufigsten aufgetretenen unerwünschten Arzneimittelwirkungen machten bei 3,8 Prozent der Patienten einen Therapieabbruch nötig. Die häufigsten Erscheinungen waren Übelkeit (7,2 Prozent), Durchfall (5,7 Prozent) sowie Benommenheit, Schwindel und Geschmacksstörungen. Die Fachinformation nennt daneben noch eine Fülle an selten aufgetretenen Nebenwirkungen, die in einer Häufigkeit von 0,1 bis 1 Prozent aufgetreten sind und verschiedene Organsysteme betreffen (4, 8 - 12).

Kontraindikationen

Eine bekannte Überempfindlichkeit gegenüber Moxifloxacin oder einem der anderen Chinolone stellt selbstverständlich eine Gegenanzeige dar. Die übrigen Kontraindikationen ergeben sich im Wesentlichen aus dem Nebenwirkungspotenzial der Stoffklasse. Auf Grund der beobachteten Knorpelschäden bei Tieren in der Wachstumphase ist die Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Kindern und Jugendlichen in der Wachstumsphase kontraindiziert. Sind bei Patienten bei der Anwendung von Chinolonen in der Vorgeschichte Sehnenerkrankungen oder Sehnenschäden aufgetreten, sollte auch Moxifloxacin nicht mehr eingesetzt werden. Da sowohl im Tierversuch als auch beim Menschen Veränderungen der Herz-Elektrophysiologie in Form einer QT-Intervall-Verlängerung aufgetreten sind, ist das Medikament kontraindiziert bei: · angeborenen oder dokumentierten erworbenen QT-Intervall-Verlängerungen, · Störungen des Elektrolythaushaltes, insbesondere bei Hypokaliämie, · klinisch relevanter Bradykardie, · klinisch relevanter Herzinsuffizienz mit reduzierter linksventrikulärer Auswurffraktion und · symptomatischen Herzrhythmusstörungen in der Vorgeschichte.

Andere Arzneimitteln, die das QT-Intervall verlängern, sollte nicht angewendet werden. Auf Grund mangelnder Daten besteht eine Kontraindikation bei Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion und Patienten unter Hämodialyse (4).

Wechselwirkungen

Die Fachinformation (4) weist darauf hin, dass zwischen der Verabreichung von Moxifloxacin und einem Arzneimittel, das zwei- und dreiwertige Kationen enthält, ein Zeitabstand von sechs Stunden liegen sollte. Dies ist auf die chelatbildenden Eigenschaften der Chinolone zurückzuführen. Sie binden wahrscheinlich über ein Magnesiumion an einen Komplex aus der bakteriellen Gyrase und der DNA (9).

Für Ciprofloxacin konnte gezeigt werden, dass die gleichzeitige Gabe mit einem mineralischen Antacidum die Bioverfügbarkeit derart beeinträchtigt, dass mit einem Versagen der antibakteriellen Therapie gerechnet werden muss (13). Weitere Arzneimittel, die Kationen enthalten, sind Sucralfat(Aluminium)oder Didanosin-Kautabletten, denen zur Stabilisierung Aluminium-Magnesium-Verbindungen zugemischt sind (9). Diese Arzneimittel sollten nicht gleichzeitig gegeben werden.

Interaktionen treten auch mit Zink- oder Eisen-Ionen auf. Besonders auf Zink als auch die Antacida sollte bei der Beratung in der Apotheke geachtet werden, da die in der Selbstmedikation eingesetzt werden. Eine Interaktion mit Calciumionen ist nicht beschrieben. Daher kann Moxifloxacin zusammen mit Milch oder Milchprodukten verabreicht werden. Auch mit weiteren Nahrungsmitteln traten keine klinisch relevanten Wechselwirkungen auf.

Für ein Chinolon, dass bei Exazerbationen der chronischen Bronchitis eingesetzt wird, ist eine mögliche Interaktion mit Theophyllin wichtig. Im Gegensatz zu Ciprofloxacin zeigt Moxifloxacin keine Wechselwirkung mit Theophyllin. Da Moxifloxacin keinem Phase-I-Metabolismus über Cytochrom-P450-Isoenzyme unterliegt, sind Wechselwirkungen mit Arzneistoffen, die über diese Enzyme abgebaut werden, nicht zu erwarten. Keine Wechselwirkungen traten bei gleichzeitiger Gabe von Moxifloxacin mit Warfarin, Ranitidin, Probenecid oder peroralen Kontrazeptiva auf. Die gleichzeitige Einnahme mit Digoxin erhöht bei gesunden Probanden die Digoxin-Konzentration um 33 Prozent.

Nahmen Patienten das Antibiotikum zusammen mit Glibenclamid ein, sanken die maximalen Plasmakonzentration von Glibenclamid um 21 Prozent (4).

Pharmakokinetik

In Dosen von 50 bis 800 mg weist Moxifloxacin eine lineare, maximale Plasmakonzentration und Fläche unter der Plasmakonzentrations-Zeit-Kurve (AUC) auf. Nach Gabe der empfohlenen Dosis von 400 mg wird eine maximale Plasmakonzentration von 3,1 mg/l nach 1,5 Stunden (tmax) erreicht, die AUC beträgt 26,0 mg/lxh. Nach Mehrfachdosierung steigen die AUC und die Halbwertszeit auf das 1,3fache gegenüber der Einzeldosierung an. Die absolute Bioverfügbarkeit beträgt etwa 91 Prozent.

Verteilungsvolumen und die Bindung an Plasmaproteine sind mit 3,55 l/kg beziehungsweise 48 Prozent niedrig. Moxifloxacin penetriert schnell in interstitielle Kompartimente. Die Konzentrationen in künstlich erzeugten Hautblasen ist 24 Stunden nach Gabe der 400 mg Dosis etwa doppelt so hoch wie die korrespondierende Serumkonzentration. Die Konzentrationen in der "epithelial lining fluid" und in bei Bronchoskopien gewonnenen Gewebeproben waren mit 24,4 beziehungsweise 5,5 mg/l eine Stunde nach Gabe des Medikamentes höher als die jeweiligen Serumkonzentrationen.

Moxifloxacin reichert sich in Makrophagen an. Dort konnte nach zwölf Stunden eine Konzentration von 113,6 mg/l gemessen werden. Ähnlich hohe Werte wurden auch bei Patienten mit chronischer Sinusitis erreicht, die sich einem chirurgischen Eingriff unterziehen mussten.

Moxifloxacin passiert die Plazentaschranke und tritt in die Muttermilch über. Bei Kaninchen wurde auch eine gute Liquorgängigkeit festgestellt, insbesondere bei den Tieren mit künstlich erzeugter Meningitis.

Moxifloxacin wird glucuronidiert beziehungsweise am Stickstoff sulfatiert. Diese Metabolite sind nicht mehr aktiv und werden renal und biliär ausgeschieden. Die Gesamtclearance beträgt 14,9 l/h, die renale Clearance 3,03 l/h. Etwa 19 Prozent der Dosis werden unverändert mit dem Urin ausgeschieden, circa 25 Prozent werden unverändert über die Galle sezerniert. Die mittlere terminale Halbwertszeit beträgt 12 Stunden.

Bei Personen mit niedrigem Körpergewicht, werden höhere Plasmakonzentrationen beobachtet. Die klinischen Studien haben jedoch keine Hinweise auf eine höhere Inzidenz von unerwünschten Arzneimittelwirkungen bei diesen Populationen ergeben.

Eine eingeschränkte Nierenfunktion hat keinen Einfluss auf die Clearance von Moxifloxacin. Auf Grund der unzureichenden Datenlage weist die Fachinformation darauf hin, dass bei einer Creatininclearance von unter 30 ml/min sowie bei Dialysepatienten Moxifloxacin nicht eingesetzt werden sollte (4, 8, 14).

Klinische Prüfung

Moxifloxacin wurde hauptsächlich bei Infektionen der oberen und unteren Atemwege klinisch geprüft. Dazu zählen die ambulant erworbene Pneumonie, die Exazerbation der chronischen Bronchitis und die akute Sinusitis.

Die Studienmedikation betrug bei den meisten Studien 400 mg einmal täglich. Leider waren die primären Endpunkte nicht bei allen Studien gleich. Der klinische Erfolg wurde meist als Heilung/Besserung angegeben. Um dieses Kriterium zu erfüllen, mussten entweder alle Zeichen und Symptome einer Infektion verschwunden oder nahezu verschwunden sein.

Bei der in einer Gemeinschaftseinrichtung erworbenen Pneumonie wurde Moxifloxacin in drei Studien geprüft. Die Vergleichsmedikation war einmal Amoxicillin (dreimal täglich 1 g); in zwei Studien wurde gegen Clarithromycin (zweimal täglich 500 mg) geprüft. Die Therapiedauer betrug in allen Studien zehn Tage.

Moxifloxacin zeigte sich sowohl in Bezug auf die bakteriologische Eradikation als auch auf die klinische Heilung gleichwertig zu den anderen Antibiotika. Auch die Rezidivhäufigkeit während der Nachbeobachtung war identisch (8).

Zu der akuten Exazerbation der chronischen Bronchitis liegen zwei große Vergleichsstudien mit 936 beziehungsweise 750 Patienten vor. Die Betroffenen erhielten entweder einmal täglich 400 mg Moxifloxacin über fünf beziehungsweise zehn Tagen oder zweimal täglich 500 mg Clarithromycin über zehn beziehungsweise sieben Tage. Die fünftägige Moxifloxacin-Therapie erwies sich dabei als äquivalent zur zehntägigen und ebenso gleichwertig zur zehntägigen Clarithromycin-Therapie. Überlegen war eine fünftägige Behandlung mit Moxifloxacin einer zehntägigen Therapie mit Clarithromycin in Bezug auf die bakteriologische Heilung (91 versus 68 Prozent).

Kein signifikanter Unterschied ergab sich jedoch in dem Parameter klinische Heilung bei Behandlungsende und sieben bis neun Tage nach Therapieende. In dieser Studie isolierte man 49 Clarithromycin-resistente Stämme. Bei der Eradikation von Haemophilus influenzae ist Moxifloxacin Clarithromycin wahrscheinlich überlegen (91 versus 54 Prozent, 89 beziehungsweise 97 Prozent versus 76 Prozent). In der Eradikation anderer Erreger von Atemwegsinfektionen unterscheiden sich die beiden untersuchten Wirkstoffe nicht (15, 16).

Eine als Abstract vorliegende Metaanalyse von vier multinationalen Studien ergab Eradikationsraten zwischen 96 und 98 Prozent für Pneumokokken, Haemophilus influenzae und parainfluenzae sowie für Moraxella catarrhalis. 92 bis 100 Prozent der Patienten sprachen auf die Therapie an (17).

Zur Behandlung der akuten Sinusitis liegen drei Vergleichsstudien mit je etwa 500 Patienten vor. Moxifloxacin wurde in der üblichen Dosierung von 400 mg einmal täglich für die Dauer von zehn Tagen und in einer Studie von sieben Tagen verabreicht. Die Vergleichsmedikation war in zwei Untersuchungen Cefuroximaxetil (zweimal täglich 250 mg über zehn Tage). In einer Studie wurde gegen zweimal täglich 200 mg Trovafloxacin über zehn Tage geprüft. Die bakteriologische Heilung wurde auf Grund der dafür notwendigen Aspiration von Untersuchungsmaterial nur in einer Studie bestimmt.

In Bezug auf den klinischen Erfolg war die Therapie mit Moxifloxacin der Therapie mit Trovafloxacin und Cefuroximaxetil ebenbürtig. Bei der Beurteilung der bakteriologischen Heilung war die Moxifloxacin-Therapie mit 95 Prozent dem Cefuroxim (84 Prozent) überlegen. In dieser Studie wurde die Empfindlichkeit der persistierenden Keime untersucht. Bis auf einen Staphylococcus-aureus-Stamm, dessen minimale Hemmkonzentration (MHK) von 0,5 auf 4 mg/l nach Therapieende anstieg, blieben alle Keime gegenüber dem verabreichten Wirkstoff empfindlich (8).

Wertet man die Studien in Bezug auf die Verträglichkeit aus, so zeigt sich, dass unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter Moxifloxacin etwa genauso häufig wie unter Clarithromycin auftreten. In beiden Gruppen dominierten gastrointestinale Beschwerden. Während Patienten unter Moxifloxacin häufiger von Schwindel berichteten, klagten in der Clarithromycin-Gruppe mehr Patienten über Geschmacksveränderungen.

Moxifloxacin ist etwa gleich gut verträglich wie hochdosiertes Amoxicillin. Beim Vergleich mit Cefuroximaxetil sind die Ergebnisse uneinheitlich. In einer Studie wurde von Übelkeit rund 7 Prozent häufiger unter Moxifloxacin als unter Cefuroximaxetil berichtet. Eine andere Studie bestätigte dieses Ergebnis nicht.

Die QTc-Verlängerung betrug in den klinischen Prüfungen im Mittel 6 msec unter Moxifloxacin im Vergleich zu etwa 1 msec bei anderen Antibiotika wie Clarithromycin, Cefalexin, Cefuroximaxetil, Amoxicillin, Doxycyclin und Metronidazol.

Wertende Zusammenfassung

Moxifloxacin ist ein Fluorochinolon der vierten Generation. Wie bei den Cephalosporinen bedeutet jede weitere Generation eine Ausweitung des antibakteriellen Spektrums. Im Fall der Cephalosporine betrifft die Ausweitung den gramnegativen Bereich, bei den Chinolonen den grampositiven Bereich. Bei beiden Substanzklassen geht dies jedoch mit einer eingeschränkten Wirksamkeit im ursprünglichen Keimspektrum einher. Bei den Cephalosporinen werden die Staphylokokken weniger gut erfasst, bei Moxifloxacin ist die Aktivität gegenüber Pseudomonaden im Vergleich zum Beispiel zu Ciprofloxacin eingeschränkt.

Das erfasste Keimspektrum von Moxifloxacin deckt alle im Bereich der Atemwegserreger relevanten Keime ab. Damit eignet sich die Substanz zur kalkulierten antibiotischen Therapie. Dies spiegelt sich auch in den Empfehlungen der Paul-Ehrlich-Gesellschaft nieder, die zur Behandlung der Bronchitis und der akuten Exazerbation der chronischen Bronchitis die Substanzgruppen der Beta-Laktam-Antibiotika, Makrolide und der Fluorochinolone gleichermaßen empfiehlt (18). Diese Entscheidung ist vor dem Hintergrund wachsender Resistenzen und der Erfahrungen anderer Länder mit restriktiven Behandlungsempfehlungen getroffen worden.

Der Arzt soll die breite Palette der zur Verfügung stehenden Medikamente nutzen, um einer endemischen Resistenzentwicklung vorzubeugen. Dennoch gibt es auch kritische Stimmen zur Anwendung der Chinolone gerade bei Pneumokokken-Infektionen (19). Diese Bedenken beruhen in erster Linie auf dem Versagen von Ciprofloxacin bei der Behandlung von Pneumokokkeninfektionen.

Ferner gibt es Fallberichte über den Einsatz von Chinolonen bei gramnegativen Infektionen, bei denen es dann zu Superinfektionen durch Pneumokokken kam. Kreuzresistenzen - auch gegenüber neuen Chinolonen - sind in vitro beobachtet worden. In Gegenden mit niedriger Pneumokokken-Resistenz, zu denen auch Deutschland zählt, sollten daher nicht ausschließlich Chinolone zur Behandlung von Pneumokokkeninfektionen eingesetzt werden.

Die Erforschung der unerwünschten Arzneimittelwirkungen in der Gruppe der Chinolone hat wichtige neue Erkenntnisse über ihre möglichen Ursachen und sensiblere Testmethoden gebracht. Seltene unerwünschte Arzneimittelwirkungen bleiben jedoch unentdeckt, bis nicht Millionen von Dosen verabreicht worden sind. Die Nebenwirkungen von Tema-, Grepa- und Trovafloxacin können durchaus Hinweise auf noch nicht bekannte Klasseneffekte geben. Insbesondere die breite Anwendung in speziellen Patientengruppen, beispielsweis bei älteren Menschen oder HIV-Patienten, wird möglicherweise neue Risikogruppen aufdecken.

Vor dem Hintergrund der günstigen Resistenzsituation bakterieller Atemwegserreger in Deutschland einerseits und dem noch nicht vollständig bekanntem Nebenwirkungspotenzial der Fluorchinolone andererseits, sollten die zur Verfügung stehenden Alternativen genutzt und Moxifloxacin - wie auch andere Gyrasehemmer - nicht als Mittel der ersten Wahl eingesetzt werden.

Literatur

(1) N.N., Medizinisch-wissenschafftliche Informationsdienste Nr. 59, 30.03.2000
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(3) Brunner, U., Moxifloxacin ab September auf dem Markt. Pharm. Ztg. 34 (1999) 41.
(4) Fachinformation Avalox®, Bayer Vital GmbH & Co. KG, Oktober 1999.
(5) Blondeau, J. M., Expanded activity and utility of the new fluoroquinolones: a review. Clin. Ther. 21 (1999) 3 - 41.
(6) Pestova, E., et al., Intracellular targets of moxifloxacin: a comparison with other fluoroquinolones. J. Antimicrob. Chemother. 45 (2000) 583 - 590.
(7) Fricke, U., Klaus, W. (Hrsg.), Neue Arzneimittel 1996, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH Stuttgart 1999, 67.
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(10) Strehl, E., Böttcher, S., Antibiotika-Nebenwirkungen. Krankenhauspharm. 11 (1998) 491 - 510.
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