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Autofahren nur unter strengen Auflagen

06.08.2001  00:00 Uhr
METHADON

Autofahren nur unter strengen Auflagen

von Brigitte M. Gensthaler, München

Darf ein Opiat-Abhängiger während der Substitution mit Methadon Auto fahren? Im Regelfall nein. Dennoch kann in seltenen Einzelfällen eine Erlaubnis erteilt werden. Welche Kriterien sind dafür zu erfüllen?

Diese Fragen interessieren nicht nur Betroffene, sondern auch Vertreter von Regierung, Landratsämtern, Führerscheinstellen, Polizei, Verwaltungs- und Strafgerichten, Drogenhilfe-Einrichtungen sowie Ärzte und Apotheker, die an der Substitution beteiligt sind. Rund 250 Teilnehmer aus ganz Bayern informierten sich bei der Fachtagung der Bayerischen Akademie für Suchtfragen in Forschung und Praxis e. V. (BAS) Mitte Juli über das komplexe Thema. Moderiert wurde die Tagung von Apothekerin Christiane Fahrmbacher-Lutz und Dr. Gerhard Bühringer vom Vorstand der BAS.

Hilfreich für die Integration

Etwa 150 000 Opiat-abhängige Menschen leben in Deutschland, 60 Prozent von ihnen bekommen Substitutionsmittel. Diese sollen die Abhängigkeit von illegalen Drogen unterbrechen. Eine qualifizierte Substitution erfordert ein multi-professionelles Vorgehen und folgt einem bio-psychosozialen Konzept, sagte Privatdozent Dr. Dr. Dr. Felix Tretter, Chefarzt der Suchtabteilung im Krankenhaus Haar bei München. Ziel der Therapie ist die Abstinenz. Während der Methadon-Substitution besteht aus rechtlicher Sicht keine Fahrerlaubnis, und darauf müsse der Arzt den Patienten hinweisen. Aus suchtmedizinischer Sicht sei allerdings im Einzelfall abzuwägen, ob eine Fahrerlaubnis erteilt werden kann, die unter Umständen die Rehabilitation fördern könne. Tretter gab zu bedenken: "Wenn Menschen voll im Arbeitsleben stehen, schwächt das Verbot des Autofahrens die Integration." Allerdings gibt es keinen "Grenzwert" für die Fahrtüchtigkeit wie bei Alkohol. Die Persönlichkeit des Substituierten sei entscheidender als die Dosis des täglich eingenommenen Methadons.

Strafrechtlich gleichgestellt

Im Strafrecht werden alle Rauschmittel gleich behandelt. Kurz gesagt: Wer infolge von Alkohol-, Drogen- oder Medikamenteneinnahme nicht in der Lage ist, ein Fahrzeug sicher zu führen, darf nicht am Straßenverkehr teilnehmen. Nach der Fahrerlaubnis-Verordnung sind Menschen, die Betäubungsmittel einnehmen oder davon abhängig sind, nicht geeignet, Kraftfahrzeuge zu führen (FeV Anl. 4 Nr. 9.1 - 9.3).

Da der Gesetzgeber die legale Substitution jedoch anerkannt hat, ist eine Differenzierung zwischen illegalem Drogenkonsum und legaler Methadon-Substitution geboten, sagte Professor Dr. Heinz Schöch, Lehrstuhlinhaber am Institut für die gesamten Strafrechtswissenschaften der LMU München. Auch der neue Bußgeldtatbestand gegen Drogen im Straßenverkehr gelte für Rauschdrogen wie Cannabis, Heroin, Kokain oder Amphetamine, aber nicht für Methadon, das hier wie ein Medikament eingestuft wird.

Hohe Messlatte für die Fahreignung

Die kontrollierte Abhängigkeit von Methadon wird also nicht gleichgesetzt mit einer Heroinabhängigkeit, erklärte Professor Dr. Werner Kannheiser vom Institut für Psychologie in München. Daher könne in Einzelfällen das Autofahren schon vor Therapieende erlaubt werden. Dazu sind ein ärztliches Gutachten oder eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) nötig. Bei der Entscheidung orientieren sich die Behörden, die die Fahrerlaubnis erteilen, an einem Kriterienkatalog. Kannheiser, Obergutachter für MPU von der Universität München, stellte die "Begutachtungs-Leitlinien zur Kraftfahrereignung" des TÜV Süddeutschland vor (siehe Kasten).

In der Regel wird eine mehr als einjährige Methadon-Substitution ohne Auffälligkeiten und Beikonsum (auch Alkohol und Medikamente wie Benzodiazepine) sowie eine stabile psychosoziale Integration verlangt. Die Substitution muss im Rahmen einer professionellen Betreuung erfolgen und der Klient muss Eigenverantwortlichkeit und Therapietreue nachweisen können. Ob die Fahrerlaubnis bei Persönlichkeitsstörungen versagt werden sollte, wie im Kriterienkatalog angeführt, zweifelte Tretter in der Diskussion an. Der Patient solle nicht an Begleiterkrankungen wie Epilepsie oder Schizophrenie leiden.

Nach Ausschluss von Leistungsdefiziten gebe die Persönlichkeit des Patienten den Ausschlag bei der Entscheidung, so Kannheiser. Jedoch sei die Messlatte so hoch angelegt, dass nur ein sehr geringer Teil der Substituierten eine positive Prognose erhalten wird. Außerdem könne bei bestehender Methadon-Substitution nur eine bedingte Eignung bescheinigt werden; regelmäßige Nachuntersuchungen hält der Psychologe für erforderlich. Die Voraussetzung zur Verkehrsteilnahme sei erst wieder vollständig gegeben, wenn keine Abhängigkeit - von illegalen Drogen und von legalen Substitutionsmitteln - mehr besteht. Top

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