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Identitätsprüfung von L-Carnitin-Präparaten

14.07.2003  00:00 Uhr
Praxis und Labor

Identitätsprüfung von L-Carnitin-Präparaten

von Christian Beck und Michael Ihrig, Eschborn

Carnitin-Präparate zur mühelosen Fettverbrennung und Gewichtsreduktion liegen wieder im Trend. Auf Grund zunehmender Anfragen nach apothekengerechten Prüfvorschriften des Ausgangsstoffes entwickelte das ZL eine Vorschrift, die auch für das Apothekenlabor praktikabel ist.

Neben Leistungssportlern und Bodybuildern erschließen sich die Anbieter von Carnitinprodukten zurzeit einen neuen Markt. In ganzseitigen Anzeigen der „Regenbogenpresse“ und diversen „Teleshopping-Kanälen“ wird eine völlig problem- und mühelose Gewichtsreduktion versprochen. Neben dem Abnehmen auf der Couch wird eine allgemeine Leistungssteigerung und Zunahme der Fitness in Aussicht gestellt. Einzige Eigenleistung ist der Kauf und die Einnahme des angepriesenen Produktes (1, 2). In der Regel kommen Carnitinpräparate als Kapseln oder Tabletten in den Handel. Des Weiteren gibt es Carnitin-Kaugummis und Pulver (Hydrochlorid).

Aminartiger Geruch als Indiz

L-Carnitin, offizinell als Levocarnitin im Europäischen Arzneibuch 2002 und USP 26, stellt ein hygroskopisches, weißes, kristallines Pulver oder farblose Kristalle (aus Ethanol) dar. Der Schmelzpunkt liegt bei 197 bis 198° C (unter Zersetzung). Es ist löslich in Wasser und heißem Ethanol, praktisch unlöslich in Aceton, Diethylether und Benzol. L-Carnitin riecht deutlich aminartig (Fischgeruch). Dieser Geruch gibt Hinweise darauf, ob L-Carnitin oder das praktisch geruchlose L-Carnitinhydrochlorid (weiße Kristalle, Schmelzpunkt 142° C unter Zersetzung) verarbeitet wurde (3, 4).

Apothekengerechte Identitätsprüfung

Die im Europäischen Arzneibuch beschriebenen Identitätsprüfungen sind in der Apothekenpraxis wenig praktikabel. Auch die bisher in der Literatur beschriebenen Dünnschicht-chromatographischen (DC) Vorschriften waren wenig reproduzierbar und verwendeten komplizierte Fließmittelgemische und/oder selbstgegossene DC-Schichten beziehungsweise die im Apothekenlabor selten verwendeten Celluloseschichten (5). Deshalb wurde eine auch für das Apothekenlabor durchführbare DC-Vorschrift entwickelt. Ausgehend von den strukturell verwandten Muskelrelaxantien wie Suxamethoniumchlorid (6) gelang es, eine hinreichend robuste Methode zu entwickeln, die ausschließlich auf Reagenzien des Europäischen Arzneibuchs zurückgreift. Die Referenzsubstanz Cholinchlorid ist im DAC 2002 aufgeführt und über den Fachhandel zu beziehen.

 

DC-Vorschrift zur Prüfung der Identität von L-CarnitinUntersuchungslösung: Eine Tablette/Kapsel wird in EtOH 96 % (V/V) gelöst/suspendiert, so dass 10 mg Levocarnitin auf 1,0 ml EtOH kommen (zum Beispiel: 500 mg Tablette in 50,0 ml EtOH).
100 µg auftragen. 50 µg lassen sich ebenfalls noch detektieren.

Referenzlösung: 100 mg Cholinchlorid R in 10,0 ml EtOH 96 % (V/V).
100 µg auftragen.

Stationäre Phase: Kieselgel 60 F254 (Kammersättigung)

Fließmittel: Dichlormethan R : Methanol R : Ameisensäure, wasserfreie R 5 : 5 : 1

Laufstrecke: 8 cm

Detektion:
a) Ninhydrin-Lösung R

b) Dragendorffs Reagenz R

c) Iodbedampfung

Auswertung: Nach Verdunsten des Fließmittels bei Raumtemperatur wird die am Kieselgel haftende Ameisensäure vorsichtig abgefönt. Verschiedene Möglichkeiten zur Detektion stehen zur Verfügung:

a) Ninhydrin: Nach dem Besprühen wird die DC-Platte auf 130° C erhitzt. Nach einigen Minuten zeigt sich auf der Carnitin-Bahn eine rosafarbige Zone mit bläulichem Rand. Etwa auf gleicher Höhe erscheint die hellblaue Zone des Cholinchlorid, über dieser, etwa in doppelter Höhe eine schwach orangefarbige Zone. Die Cholinchlorid-Zone zieht einen deutlich längeren Schweif.

b) Dragendorff: Unmittelbar nach dem Besprühen färbt sich die Zone auf der Cholinchlorid-Bahn dunkelrot. Erst nach einigen Minuten entwickelt sich auf gleicher Höhe die Carnitin-Zone in dunklem orange.

c) Alternativ lassen sich die jeweiligen Zonen auch gut in einer Iodkammer detektieren, allerdings zeigen sie hier einheitlich eine dunkelbraune Farbe, laufen aber ebenfalls etwa auf gleicher Höhe.

 

Supplementierung umstritten

L-Carnitin dient in den Herzmuskelzellen als Energiereserve, da es in der Lage ist, schnell Acylgruppen bereit zu stellen. Dieses gilt auch für anderes Muskelgewebe, so dass L-Carnitin eine wesentliche Rolle für die Energiebereitstellung durch „Fettverbrennung“ darstellt. Die zunehmende Vermarktung von L-Carnitin-Präparaten zur Fettverbrennung und Gewichtsreduktion verwundert daher nicht (8). Leistungssportler könnten tatsächlich in gewissem Maße von einer L-Carnitin-Medikation profitieren, allerdings tritt der Fett verbrennende Effekt erst dann auf, wenn Blutglucose und das Glykogen aus Leber und Muskelgewebe verbraucht sind. Danach greift der Körper zur Energiegewinnung auf seine Fett(säure)-Speicher zurück. Es ist daher umstritten, ob dieser physiologische Carnitin-Effekt durch Substitution und Ergänzung verstärkt werden kann. Wunder lassen sich jedenfalls keine erwarten (9).

Das bedeutet für die Beratung in der Apotheke: Ohne körperliche Ausdaueraktivität kein wesentlicher positiver Carnitineffekt in Sachen Gewichtsreduktion!

Physiologisch wirksam ist nur das L-Carnitin, D-Carnitin antagonisiert die Wirkung von L-Carnitin indem es den mitochondrialen Fettsäuretransport hemmt und die endogene Biosynthese von L-Carnitin behindert. Der normale Bedarf an L-Carnitin wird durch die endogene Synthese aus Lysin und Methionin in der Leber gedeckt, so dass eine Substitution prinzipiell nicht notwendig ist. Sinnvoll ist die Substitution zum Ersatz dialysebedingter Carnitinverluste, bei primärem Carnitinmangel auf Grund Carnitinsynthesedefekten in der Leber und bei speziellen Diäten oder vegetarischer Ernährung (1, 2).

 

Literatur

  1. Gröber, U., Orthomolekulare Medizin, Stuttgart 2002.
  2. Firmeninformation: Carnitin, LHP Inc., Maastricht 2003.
  3. The Merck Index, 13th Edition, Rahway, 2001
  4. Europäisches Arzneibuch 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 (4.00/1339).
  5. Stahl, E., Dünnschichtchromatographie, Berlin 1967.
  6. Wollmann C., Nagel S., Scheibe E., Pharmazie 21 (1966) 665.
  7. Gulewitsch W., Krimberg R., Zeitschr. Physiol. Chemie 45 (1905) 326.
  8. Lurz, R., Fischer, R., Ärztezeitschrift für Naturheilverfahren 39(1) (1998) 12.
  9. Vukovich, M.D., Costill, D.L., Fink, W.J., Med. Sci. Sports Exerc. 26(9) (1994) 1122.

 

Anschrift des Verfassers:
Christian Beck
Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker AMK / Phytopharmaka
Carl-Mannich-Straße 20
65760 Eschborn

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